Essen: Denis Matsuev, Klavier / Münchner Philharmoniker & Valery Gergiev

Ludwig van Beethoven
Ouvertüre „Leonore“ Nr. 3 C-Dur, op. 72

Sergej Rachmaninow
Konzert Nr. 4 g-Moll für Klavier und Orchester, op. 40

Ludwig van Beethoven
Sinfonie Nr. 5 c-Moll, op. 67

Berauschend gespielt

In einem 5-Sterne-Hotel fühlt sich der Gast, üblicher Weise, recht wohl. Dann gibt es auch 6-Sterne-Hotels, wie z.B. das Riz Carlton. Die Krönung im Leben von nicht nur Hoteltestern sind allerdings die ganz ganz wenigen 7-Sterne-Hotels auf dieser Welt – z.b. Das Burj Al Arab in Dubai. Wer dort logiert ist König für eine Nacht.

Ähnlich fühlte sich der Rezensent beim gestrigen Beethoven-Rachmaninow-Konzert in der Essener Philharmonie, wo wir ja in den letzten Jahren absolut alles an Spitzenorchestern hören konnten, welche unseren Erdenrund mit einer Musikinterpretation erfreuen, die man ohne Einschränkungen als "Maß der Dinge" bezeichnen kann. Essen als Nabel der Konzertwelt.

Die Münchner Philharmoniker waren einst unter Sergiu Celibidache eine Legende; auch wenn sein Repertoire – ganz im Gegenteil zu Valerie Gergiev – sehr schmal war. Die Musiker vergötterten ihn regelrecht und waren sogar bereit, als er sein Millionensalär (durch geradezu unverschämte Forderungen an die Stadt München) einst in bis dato nur aus dem Fußball bekannte Höhen schraubte, diesen teil ggf. selber zu bezahlen. Ja wo gibt es so etwas noch? Stellen Sie sich vor, die Spieler des FC Bayern München sprechen sich für einen Trainer aus, wo sie einen Teil des Millionengehalt notfalls aus eigener Tasche bezahlen würden…

Doch zurück zum jetzt und heute. Nach der Münchner Gasteig Philharmonie (zwei Abende) und der Alten Oper in Frankfurt kommt das Orchester nun am vierten Tag hintereinander in Essen zu Gehör. Man muß wirklich einen Traumabend bescheinigen. Das Auditorium befand sich in einem quasi Beethoven-Rausch. Selbst die "abgelutschte" und überall rauf und runter gespielte deutsche Volkssinfonie, Beethoven Fünfte, erstrahlte neu in einer Wucht und Opulenz – ohne je erdrückend zu wirken – wie man sie auch auf den gefühlt 3451 Schallplatten selten zu hören bekommt. Dabei ist es nicht nur das, vor allem durch die groß besetzten Geigen, Celli und Kontrabässe evozierte Klangbild des Rauschhaften, sondern auch die schon unheimliche rhythmische Präzision mit dennoch gut durchhörbarer Transparenz, welche den Zuhörer so beeindruckt. Ein solcher Beethoven ist nicht langweilend, sondern hinreißend.

Und eine solch fulminante Leonoren Nr.3 wird man niemals in der Oper zu hören können. Vor allem nicht so einen begnadeten Trompetensolisten, der aus den ätherischen Höhen der Essener Philharmonie das Befreiungsmotiv geradezu göttlich, oder besser "engelsgleich" intonierte. Wie auch immer, es schien aus einer anderen Welt zu kommen.

Wie Denis Matsuev sich mit dem höllenschweren, unbeliebten sehr undankbaren letzten der großen Klavierkonzerte Rachmaninows auseinandersetzte war schlicht gigantisch. Er donnert es nicht nur mit äußerster technischer Sicherheit herunter, wie manch andere sogenannte Paino-Forte-Virtuosen; nein, er durchlebt dieses Werk und korrespondiert in geradezu idealer Weise mit dem Maestro und dem Orchester, auch in den ruhigeren Passagen. Wann hört man so ein selten gespieltes Stück sonst im Konzert? Bravo! Zugabe: Anatoly Lyadov „The Music Box“

Fazit: Ein begnadeter Konzertabend

Bilder (c) Hamza Saad

Peter Bilsing 23.10.2017

P.S. Konzerteinführung für Kinder an diesem Abend -Bravissimo !!!

Was für eine tolle Idee! Kinder ab 10 Jahren werden während der ersten Konzerthälfte auf die Werke der zweiten Hälfte vorbereitet. Die Eltern können das ganze Konzert genießen, die Kinder kommen nach der Pause dazu. Konzerteinführung für Kinder plus Konzertkarte kosten dabei nur 16,60 Euro für einen Erwachsenen und ein Kind. Ein weiterer Erwachsener zahlt 10 Euro, ein weiteres Kind 6,60 Euro. Kartenreservierung ist unbedingt erforderlich.

Daß die Kinder danach das Werk in Weltklassequalität hören können (wie einst bei den legendären Young Peoples Concerts in NY bei Leonard Bernstein) ist mit Lobesworten eigentlich gar nicht zu erfassen. Wow! Was bietet Ihr da wirklich Vorbildliches an Jugendarbeit in der Essener Philharmonie! Dafür gibt es einen Opernfreund-Stern. Besser und lebendig überzeugender kann man den so dringend benötigten Nachwuchs an Konzertbesuchern kaum je requirieren.

Ansprechpartner: Merja Dworczak – education@philharmonie-essen.de – Tel (0201) 8122-826