Frankfurt: Wer singt am schönsten?

Frankfurter Opern- und Museumsorchester

Giedre Slekyte (Leitung), Kian Soltani (Violoncello)

Antonin Dvořák
Konzert für Violoncello und Orchester h-Moll op. 104

Alexander Skrjabin
Sinfonie Nr. 2 c-Moll op. 29

Beim letzten Museumskonzert der Saison 2021/22 stand zu Beginn eines der bekanntesten und beliebtesten Cellokonzerte der gesamten Konzertliteratur auf dem Programm. Antonin Dvorak schrieb dieses Meisterwerk in den Jahren 1894/1895. Erst im folgenden Jahr 1896 fand die Uraufführung in London statt.

Bereits im einleitenden Allegro-Teil konnte das Frankfurter Opern- und Museumsorchester mit zupackendem Klang überzeugen. Unter Leitung der litauischen Gastdirigentin Giedre Slekyte wurde der ganze Zauber der Komposition hinreißend ausgebreitet und mit viel Herzblut gestaltet.

Solist war der Österreicher, iranischer Abstammung, Kian Soltani. Als Absolvent der Kronberg Academy kann Soltani bereits auf zahlreiche internationale Gastspiele zurückblicken.

Dvoraks Cellokonzert gehört zu den musikalischen Wunderwerken der Musikliteratur. Und so war es nicht wirklich überraschend, mit welchem Ernst Soltani sich empfindungsstark in die musikalische Schatzkammer Dvoraks hineingrub und dabei üppig mit großzügigem Zeitempfinden phrasierte. Überzeugend und berückend zugleich die harmonische Zwiesprache zwischen ihm und dem begleitenden, zuweilen auftrumpfenden Orchester. Soltani war mit nimmermüder Spielfreude und Begeisterung der zentrale Aktivposten, der staunend und tief versunken alle Schönheiten dieses Meisterwerkes bewegend gestaltete.

Wunderbar ertönte dann das mit großer Innigkeit vorgetragene Adagio. Sologesang auf dem Cello in den wärmsten Klangregistern, im Wechselspiel mit herrlichen Farben der Solo-Klarinette!

Soltani betonte die Natürlichkeit in seinem Spiel, bei behutsamer Entwicklung des Vibratos. Faszinierend, welche Abstufungen ihm hier gelangen. Und gerade dieser so beeindruckende langsame Satz geriet zum Gipfeltreffen der Instrumentalsolisten des großartigen Orchesters. Denn nicht nur Klarinette, auch das butterweich intonierende Horn oder am Satzende die äußerst schlank tönende Tuba wirkten wie ein Sängerfest des Orchesters getreu dem Motto: „Wer singt am schönsten?“ Angeführt und fortwährend motiviert durch Kian Soltani und die vorbildlich aufmerksame Dirigentin Giedre Slekyte.

In dem abschließenden Allegro moderato kulminierte dann Kantabilität in Virtuosität. In mitreißender Spiellaune befeuerte Slekyte das außerordentlich gut aufgelegte Orchester und Solist Soltani zeigte noch einmal seine große solistische Klasse. Gänsehaut pur gab es zu erleben, als Slekyte am Ende mit vorbildlichem Timing ein gewaltiges Crescendo aufbaute, um dann furios in die Schlussakkorde zu galoppieren. Wunderbar.

Das Publikum zeigte sich euphorisch begeistert!

Und so gab es für den Solisten sehr viel Applaus, der mit einer Dvorak Zugabe beantwortet wurde, bei welcher der sympathische Künstler gemeinsam mit der Celli- und Kontrabassgruppe musizierte. Soltani informierte das Publikum zuvor, dass es sich dabei um das Lieblingslied von Dvoraks Schwägerin Josefina, in die er unsterblich verliebt war, handelte: “Lasst mich allein! Verscheucht den Frieden in meiner Brust!“ Eben ein Teil dieses Liedes diente dem wunderbaren Adagio des Cellokonzertes als musikalische Keimzelle. Noch einmal stand die Zeit still. Es war eine beglückende Idee, diese Zugabe gemeinsam mit den Orchestermitgliedern zu gestalten.

Im Jahr 1901 schrieb Alexander Skrjabin an seiner 2. Sinfonie in fünf Sätzen. Der Komponist arbeitete einige Leitmotive in die Komposition ein, was dem Werk eine klare Struktur gibt. Die Komposition ist sehr spätromantisch im Klanggepräge. Assoziationen an Wagner, Strauss, aber auch César Franck werden geweckt.

Skrjabin entfaltet ein gewaltiges Klangpanorama elegischer und dann auch wieder prächtig aufrauschender Themen. Immer wieder nimmt er das groß besetzte Orchester kammermusikalisch zurück. Intensive Soli der Violine und vor allem der Holzbläser zaubern magische Effekte. So lassen die nachgeahmten Vogelstimmen im dritten Satz an Kompositionen von Messiaen denken.

Im gewaltigen Maestoso mit eingängiger Leitmelodie endet dieses Werk in klanglicher Prachtentfaltung.

Dirigentin Giedre Slekyte gestaltete plastisch und überlegen diese vielschichtige Sinfonie. Mit deutlicher Zeichengebung führte sie das wunderbar mitgehende Orchester zu vielen dynamischen Höhepunkten, die sie dann mit fein ausmusizierten Ruhepunkten bestechend kontrastierte. Sehr aufmerksam gestaltete sie die intensiven Wellenbewegungen dieser besonderen Sinfonie. Auch in den großen eruptiven Momenten blieb sie jederzeit souverän und gewährleistete eine vorzügliche dynamische Balance.

Das Frankfurter Opern- und Museumsorchester war auch im zweiten Teil dieses schönen Konzertes in Geberlaune. Auf beeindruckendem Niveau begeisterte es in allen Gruppen mit feinster Klangqualität und herrlichen Soli. Dies ist beileibe keine Selbstverständlichkeit, denn dieser so wandlungsfähige und reaktionsschnelle Klangkörper ist im laufenden Opernrepertoire und Spielbetrieb intensiv gefordert. Respekt und Hochachtung, dass davon nichts im Konzert zu bemerken war. Im Gegenteil! Bei diesem letzten Museumskonzert der Saison 2021/22 erbrachte das Frankfurter Opern- und Museumsorchester einmal mehr den schlagenden Beweis, dass es zu den herausragenden Orchestern der deutschen Theaterlandschaft zählt!

Ein beeindruckendes Programm in hervorragender Umsetzung.

Dirk Schauß / 21. Juni 2022