Frankfurt: Lichtvolle Augenblicke

Frankfurter Opern- und Museumsorchester

Sebastian Weigle (Leitung), Augustin Hadelich (Violine)

Jean Sibelius
Konzert für Violine und Orchester d-Moll op. 47

Anton Bruckner
Sinfonie Nr. 1 c-Moll (Linzer Fassung)

Wie schön, einmal wieder das Violinkonzert des großen Finnen Jean Sibelius im aktuellen Frankfurter Museumskonzert zu erleben. Das in den Jahren 1903 – 1905 entstandene Werk umfasst drei Sätze. Im Vergleich zu zahlreichen anderen Konzerten seiner Gattung, kommt dem begleitenden Orchester eine deutlich größere Bedeutung zu, dies jedoch vorrangig nur im ersten Satz. Oftmals agiert es hier deutlich im Vordergrund, was dem Konzert einen symphonischen Charakter gibt. Die orchestrale Dynamik ist dabei sehr fordernd und verlangt einen sensitiven Dirigenten. Und doch hat Sibelius, der selbst ein sehr guter Geiger war, perfekt für die Violine geschrieben und seine kompositorische Handschrift meisterhaft zu Geltung gebracht.

Die heutige Popularität ist dem großen Geigen Virtuosen Jascha Heifetz zu danken, der sich immens für dieses Werk einsetzte.

Jeder Interpret wird maximal gefordert durch die schweren Anforderungen. Unzählige Doppelgriffe, schwierigste Intervallfolgen und ausgeprägte Kantabilität müssen bewältigt werden.

Solist des Abends war der Deutsch-Amerikaner Augustin Hadelich. Er konzertiert als Solist und Kammermusiker. Seine internationale Karriere ist beeindruckend und führte ihn zu zahlreichen internationalen Orchestern. Ebenso umfassend ist sein Repertoire vom Standard-Repertoire bis hin zu zeitgenössischer Musik. Beeindruckend auch seine zahlreichen CD-Einspielungen.

Augustin Hadelich war d e r große Glücksgriff des Abends, ein Garant des musikalischen Lichts, voller Hingabe und Demut! Was für ein Künstler!

Der erste Satz begann mit großer Ruhe und einem kaum hörbaren Flimmern in den Streichern. Weigle zauberte einen fast lautlosen Beginn. Hadelich fand darin sofort einen sehr besonderen schwebenden und doch zugleich äußerst intensiven Ton auf seiner Geige und zog damit den Zuhörer intensiv in seinen Bann. Mit größter Musikalität beeindruckte seine dynamische Bandbreite, die vom extremen Pianissimo bis ins kraftvolle Forte nahtlos gesteigert wurde. Hadelich wurde ganz eins mit jeder Note und fühlte sich tief in den Notentext hinein. Sichtbar verschmolz er mit jeder Note dieses herrlichen Werkes.

Höhepunkt war das sehr innig vorgetragene Adagio. In wunderbar breiten Kantilenen wurde das Hauptthema ausgestaltet, so dass es tief berührte. Die Violine sang betörend ihr Lied der Sehnsucht und der Seelentiefe des Solisten.

Der Kontrast dann im Schlusssatz war groß. Hadelich zeigte nun mit größter Spielfertigkeit sein virtuoses Können und betonte deutlich rhythmisch tänzerischen Grundcharakter. Alles wirkte derart leicht und spielerisch umgesetzt! Große, kaum stillbare Begeisterung für diesen Virtuosen!

Sebastian Weigle war ein vorbildlicher Begleiter mit seinem makellos musizierenden Orchester. Weigle setzte in seiner Gestaltung weniger auf deutliche Kontraste, sondern vor allem auf die große Melodielinie und klare Transparenz. Sehr pointiert arbeitete er den tänzerischen Rhythmus im dritten Satz heraus, sekundiert von der mit Holzschlägeln gespielten Pauke. Natürlich konnte er auch zupackend musizieren und das Orchester mächtig aufwallen lassen. Diese Augenblicke hob sich Weigle stets für die Momente auf, wenn das Orchester allein spielte. Kaum trat der Solist hinzu, zog das Orchester zurück. Weigle achtete mit größter Sorgfalt auf eine perfekte dynamische Balance zwischen Solisten und Orchester. Dirigent, Orchester und Solist harmonierten prächtig miteinander. Selten gerät das Miteinander derart beglückend.

Viel Jubel für den wunderbaren Musiker Augustin Hadelich, der seine große spielerische Klasse mit einer Zugabe von J.S.Bach bewies. Er spielte das Präludium aus der dritten Partita.

Sie ist ein seltener Gast im Konzertsaal: Anton Bruckners Sinfonie No. 1, 1866 in Linz entstanden und 1868 uraufgeführt. Bruckner schrieb zwei Fassungen.

Am häufigsten wird die sog. „Linzer Fassung“ aufgeführt. 1891 entstand die sog. „Wiener Fassung“, die verschiedenen Retuschen beinhaltet und in Teilen anders instrumentiert ist. Mit gut 50 Minuten zählt diese Sinfonie zu den kürzeren Werken des Linzer Meisters. Interessant ist auch der Verzicht auf die Tuba, was den Blechbläsern einen schlankeren Klang verleiht.

Nervöse Unruhe am Beginn, leise beginnen die Bässe mit einer marschähnlichen Melodie. Holzbläser und Hörner präsentieren ein zweites Thema. Immer wieder dazu neue starke Einwürfe der Blechbläser, kulminierend in einer prächtigen Coda. Packend und jugendlich ungestüm.

Das Adagio beginnt thematisch in den tiefen Streichern und Hörnern. Es sind die Streicher in langen Unisono-Bögen, die diesen kantabel gestalteten Satz tragen. Noch ist hier nichts von Bruckners späterer Meisterschaft zu ahnen, große Klangkathedralen zu schreiben. Sehr sanfte Dur-Akkorde beenden im Pianissimo diesen getragenen Satz.

Ein wild brausendes Scherzo schließt sich mit atemloser Hast an. Sicherlich der originellste Satz dieser Sinfonie und schon ganz ein echter Bruckner mit seinen wiederkehrenden Akkordschichtungen! Im Trio dann beruhigen dezente Hornrufe den Vorwärtsdrang. Auch hier beendet eine stürmische Coda dieses Furioso.

Der letzte Satz ist umfassend und bietet viel orchestrale Abwechslung. Fanfaren und immer wieder ein Vorausdrängen der Musik geben der Musik viel dynamische Wirkung. Wiederkehrende Ostinati und fugatoartige Passagen prägen dieses klangmächtige Finale. Am Ende steht eine prächtige C-Dur Coda.

Anton Bruckner und Sebastian Weigle passen sehr gut zusammen. Mit viel Energie und Engagement stürzte sich Weigle mit seinem ausdrucksstarken Orchester in dieses Werk. Stets drängte die Musik nach vorne und kam doch zumindest im zweiten Satz zur Ruhe. Weigle verfügt über einen untrüglichen Sinn, musikalische Bögen zu entwickeln und darin sinngebende Steigerungen aufzubauen. Klanglich stehen für ihn Durchhörbarkeit und Ausgewogenheit im Vordergrund. Alles hat seinen Preis und so tritt ein wenig die vorstellbare, artikulatorische Schärfe in den Hintergrund. Mögliche klangliche Ecken und Kanten, etwa in den beiden letzten Sätzen wurden abgemildert, was ein wenig im Widerspruch zu Weigles bezwingendem und überzeugenden Vorwärtsdrang stand. Nur ein Beispiel: würde die Pauke in beiden Sätzen mit härteren Schlägeln gespielt worden sein, dann wäre der rhythmische Impuls, der von diesem Instrument ausgeht, markanter gewesen.

In großer Spiellaune und hoher Konzentration verwöhnte das sehr engagiert musizierende Frankfurter Opern- und Museumsorchester das Frankfurter Publikum. Mit starker Leuchtkraft gefiel die große Streichergruppe, die die vielen durchaus heiklen Unisono-Momente souverän abbildete. Staunenswert sicher und klangschön intonierten die Blechbläser: schlank und weiträumig die Hörner, aufstrahlend sonor, Trompeten und Posaunen. Viel beschäftigt waren die Holzbläser, die mit sehr individuellen Farbschattierungen feinste Stimmungsmomente erzeugten. Hoch engagiert und mit großer Ausdauer begeisterte einmal mehr Tobias Kästle an der Pauke.

Anhaltende freudige Zustimmung für Sebastian Weigle und das Frankfurter Opern- und Museumsorchester. Eine schöne Geste war es zudem, sich bei dem langjährigen Bratschisten des Orchesters, Ludwig Hampe, zu bedanken, der nach 37 Jahren im Orchester sich in den wohl verdienten Ruhestand verabschiedet.

Dirk Schauß, 9.6.22