Frankfurt: Tschechische Philharmonie

Sol Gabetta (Violoncello), Jakub Hrůša (Leitung)

Antonin Dvořák
Cellokonzert h-Moll op. 104

Josef Suk
Scherzo fantastique op. 25

Leós Janácek
Taras Bulba. Rhapsodie für Orchester

Böhmische Klänge in vollendeter Darbietung

Im aktuellen Konzert der Pro Arte Konzertdirektion gastierte die traditionsreiche Tschechische Philharmonie in der Alten Oper Frankfurt. Drei Kompositionen aus Böhmen bildeten das Programm.

Am Beginn erlebten die Zuhörer eine bewegende Aufführung des Cellokonzertes von Antonin Dvorak mit der wunderbaren Sol Gabetta am Cello. Diese Ausnahmekünsterlin ist wahrlich eine Poetin, eine Vokalistin auf ihrem Instrument.

Antonin Dvorak schrieb sein Meisterwerk in den Jahren 1894/1895. Ein Jahr später fand die Uraufführung in London statt.

Bereits im einleitenden Allegro-Teil bewies die Tschechische Philharmonie eindrucksvoll mit unvergleichlich weichem Klang in den Streichern, wie sehr sie in dieser Musik beheimatet ist. Dirigent Jakub Hrůša zelebrierte den ganzen Zauber der Komposition. Jeder Takt, jeder Akzent hatte bei ihm eine große Bedeutung. Unter seiner Leitung war das Orchester hier einmal kein Begleiter sondern ein absolut gleichberechtigter Partner, der wunderbar mit seiner Solistin harmonierte.

Sol Gabetta kennt dieses Werkes hörbar genau. Ihr ganzes Wesen erlebte jede Note mit spürbarer Anteilnahme. Mit großer Sensibilität erklangen ihre kantablen Phrasierungen. Rhythmische Prägnanz und transparente Aufschlüsselung jeder akkordischen Verästelung prägten ihren Cellogesang.

Wunderbar ertönte dann das mit ausgeprägter Natürlichkeit vorgetragene Adagio. Feinste Poesie auf dem Cello in den wärmsten Klangfarben, im Wechselspiel mit den subtilen Farbgebungen der Solo-Klarinette! Dazu in edel schimmerndem Goldglanz die superbe Gruppe der Hörner.

In dem abschließenden Allegro moderato öffnete sich dann der Raum für mitreißende Virtuosität. Mit rhythmischer Raffinesse und höchster Kunstfertigkeit gestalteten Gabetta und Hrůša einen gewaltigen Höhepunkt. Und Sol Gabetta, zauberte noch einmal mit ihrem Instrument betörende Stimmungen und setzte dann am Schluss ein großes Crescendo an, welches Hrůša übernahm und steigerte. Furios stürmte er sodann in die Schlussakkorde und so entlud sich spontane Begeisterung. Großartig. Das Publikum jubelte!

Sol Gabetta bedankte sich mit einer eigenwilligen Zugabe moderner Handschrift von Peteris Vasks – Dolcissimo, zu der sie auch sensibel intonierte Vokalisen beisteuerte. Berührend.

Die Musik von Dvořáks Schwiegersohn Josef Suk gilt vielen Musikkennern als Geheimtipp. Und doch ist seine Musik in den deutschen Konzertsälen ein immer noch seltener Gast.

Die wohl glücklichsten Jahre im Leben Suks waren jene, in denen das hier musizierte Fantastische Scherzo (1903) entstand. Er hatte 1898 Dvořáks Tochter Otilie („Otylka“) geheiratet, seine große Liebe. Doch als das Fantastische Scherzo am 18. April 1905 am Prager Konservatorium uraufgeführt wurde, war Dvořák bereits tot. Und Otilie hatte nur eine kurze Lebenszeit, so dass sich Suks Leben und seine Musik sich unaufhaltsam änderte. Innerhalb von einem Jahr verlor er den geliebten, verehrten Schwiegervater und seine Frau Otilie.

Die Bezeichnung „Scherzo“ wird dem Werk nicht unbedingt gerecht, denn es hat auch Elemente, die stellenweise an einen makabren Tanz denken lassen.

In prägnanten Walzer-Rhythmen verbreitet das Werk zunächst einen optimistischen Charakter und bietet Holzbläsern und Streichern vielfache Gelegenheit, zu brillieren. Spannende Schlagzeugeffekte geben der Tondichtung vielerlei Ausdrucksakzente. Später treten schneidige Blechbläser dazu, ehe eine stürmische Coda diese ungewöhnliche und doch so eingängige Komposition beendet.

Jakub Hrůša lies sein fabelhaftes Orchester beherzt aufmusizieren und betonte vor allem die melodischen Elemente. So breitete er die kantablen Streichermelodien wunderbar aus. Herrlich der singende warme Tonfall der Celli, die das große Cantabile immer wieder hinreißend phrasierten. Das Orchester begeisterte und überzeugte wie zuvor auch beim Cellokonzert mit breiter Farbgebung in allen Gruppen. Hier gab es keinerlei Trübungen in der Intonation oder Schärfen in der Artikulation. Das Orchesterspiel hatte Akuratesse und höchste souveräne Klasse. Es war jederzeit zu spüren, wie sehr Hrůša Suks Musik schätzt. Auch hier wurde mit einer besonderen Lebendigkeit eindringlich musiziert. Ein hinreißendes Werk, welches viel öfters auf dem Konzertprogramm stehen sollte!

Im Leben der meisten Dirigenten gibt es zentrale Werke, die sie sehr oft interpretieren. In der jungen Weltkarriere von Hrůša taucht in seinen Programmen immer wieder einmal die Rhapsodie für Orchester „Taras Bulba“ von Leós Janácek auf. Dieses Werk hat Hrusa bereits zahllose Male dirigiert und hat einen prägenden Eindruck bereits in seiner Kindheit hinterlassen.

Janáceks Werk entstand in den Jahren 1915 – 1918 und geht auf eine Romanvorlage von Nikolai Gogol zurück, der hier dem Kosaken Taras Bulba ein musikalisches Denkmal setzte. Der Komponist wählte hierzu drei Teile.

Der erste Teil – „Andrijs Tod” – schildert, wie sich Taras Bulbas Sohn Andrij in eine Polin verliebt, seine Kameraden verrät und von seinem Vater erschossen wird.

Der zweite Teil – „Ostaps Tod” – berichtet, wie Taras Bulbas erstgeborener Sohn vor den Augen des hilflos zusehenden Vaters von den Polen gefoltert und getötet wird.

Im dritten Teil „Prophezeiung und Tod des Taras Bulba” bekennt der von den Polen gefangen genommene und gefolterte Taras Bulba auf dem Scheiterhaufen seinen Glauben an das ewige Russland.

Die Musik von Janácek ist sehr bildhaft und zugleich reicher Ausdruck tiefster seelischer Empfindung. Jakub Hrůša fühlte und lebte die Musik intensiv in größter Hingabe mit der fabelhaft mitgehenden Tschechischen Philharmonie. Delikate Soli von Englischhorn, Oboe und Violine gaben dem ersten Teil berührende Wirkungsmomente.

Die z.T. grellen Farben im Blech im zweiten Teil zeigten immer wieder dem Zuhörer, dass hier kriegerische Handlungen abgebildet werden. Auf den Punkt genau setzten die Schlagzeuger wuchtige Akzente.

Der große Moment dieser so vielschichtigen Komposition kommt dann am Ende, als in den Choralfarben der sehr guten Blechbläser, die Orgel und Glocken der Komposition eine hymnische und völlig überwältigende Wirkung verleihen.

Hrůša und die Tschechische Philharmonie harmonierten prächtig miteinander und setzten alle Energien für dieses Meisterwerk frei. Unfassbar mit welch beschwörender Eindringlichkeit und größter dynamischer Steigerung hier vollendet musiziert wurde. Und so war es vor allem diese intensive Interpretation, die diesem Konzert eine so außergewöhnlichsuggestive Wirkung von großer Erzählkraft gab.

Die Tschechische Philharmonie zeigte eine Leistung, die Weltklasse demonstrierte. Besser kann diese Musik nicht dargeboten werden!

Dazu präsentierte Jakub Hrůša einmal mehr sein überragendes Können als herausragender Dirigent seiner Generation. Ihm gehört die musikalische Zukunft. Mit Sicherheit wird er einer der zentralen Dirigenten der intenationalen Musikwelt in den nächsten Jahrzehnten sein!

Das Publikum zeigte sich begeistert.

Bilder (c) Awiszus / Pro Arte

Dirk Schauß, 04. März 2020