Frankfurt: Bamberger Symphoniker

Jakub Hrůša (Leitung), Hélène Grimaud (Klavier), Kateřina Kněžíková (Sopran)

Maurice Ravel
Klavierkonzert G-Dur

Gustav Mahler
Sinfonie Nr. 4 G-Dur

Poesie und Kontrastreichtum bestimmten das aktuelle Gastspiel der Bamberger Symphoniker in der Alten Oper Frankfurt.

Zu Beginn erlebten die Zuhörer das 1932 uraufgeführte Klavierkonzert G-Dur von Maurice Ravel. Ein Klassiker der französischen Klavierliteratur, der unverkennbar Jazz-Elemente in den Harmonien erkennen lässt.

Das beginnende Allegramente beginnt mit einem Peitschenschlag, gefolgt von einem Wirbel auf der kleinen Trommel und dann folgt bereits der Einsatz des Klaviers. Als Solistin war die wunderbare Hélène Grimaud zu erleben, die Ravels Klavierkonzert zu einem ihrer Lieblingswerke erklärt hat. In jedem Takt war die innige Verbindung spürbar. Die Skalen perlten virtuos und auch das Jazzige, das zuweilen auch an Gershwin denken lässt, arbeitete Grimaud wunderbar heraus. Dynamisch ausgewogen und überlegen in der Phrasierung gelangen ihr besondere Momente. Klar setzte sie die häufigen Wechsel in Dur und Moll voneinander ab. In der Reprise und der beschließenden Kadenz grub sich Grimaud tief in die Musik hinein.

Der Kontrast im folgenden Adagio assai könnte kaum größer sein. Sehr ruhig und innig agierte sie die kantabel geführte Klavierstimme aus. Klangliche Assoziationen an Mozart oder auch Chopin geben diesem Satz eine besondere Wirkung. Diese wird gesteigert, wenn eine so außergewöhnliche Künstlerin, wie Grimaud, ihre musikalische Hingabe in reinste Poesie zu transferieren versteht. Herrlich dabei die Zwiesprache mit den Holzbläsern (Oboe, Flöte, Klarinette und Englischhorn). Wunderbar!

Und wieder ein großer Farbwechsel im finalen Presto, hier zeigte Grimaud ihre ganze Souveränität in der Bewältigung der schwierigsten Tonfolgen. Große Energien konnte sie hier entfalten, um dann einen kraftvollen finalen Schlusspunkt zu setzen.

An ihrer Seite agierten als wirklicher Partner die sehr aufmerksam aufspielenden Bamberger Symphoniker unter Leitung ihres Chefdirigenten Jakub Hrůša. Er wirkte erkennbar gut mit Grimaud im Dialog verbunden und holte aus der Partitur leuchtende Farben heraus, ebenso auch manche Dissonanz. Fabelhaft auch die vielen Jazzelemente, vor allem im ersten Satz.

Die Bamberger Symphoniker und ihr Dirigent wirkten hörbar gut aufeinander eingespielt, so dass die erste Konzerthälfte beglückend schlüssig geriet. Als Zugabe wiederholten Grimaud und Hrusa nochmals den dritten Satz aus dem Klavierkonzert.

Große Begeisterung und Blumen aus dem Publikum an Grimaud.

Im zweiten Teil widmeten sich die Musiker dann der vierten Sinfonie von Gustav Mahler. Mahler schrieb dieses Werk in den Jahren 1899 und 1900. Im letzten Satz verarbeitete er eines seiner Kunstlieder „Das himmlische Leben“ aus seiner Sammlung „Des Knaben Wunderhorn“.

Es war eine eindrucksvolle Hörerfahrung, die langjährige Expertise der Bamberger Symphoniker mit der Musik Gustav Mahlers zu erleben. Traumwandlerisch sicher trafen die Musiker das tänzerische Tempo des ersten Satzes, um sehr illustrativ eine noch scheinbar heile Welt zu imaginieren. Hrusa zeigte ein tiefes Verständnis der Musik und offenbarte bereits hier so manchen Abgrund hinter den zuweilen naiv tönenden Melodiefolgen.

Im zweiten Satz brillierte dann der Konzertmeister des Orchesters, nun mit einer um einen Ton höher gestimmten Violine, in einer musikalischen Groteske.

Seine Vorliebe für Tanzrhythmen, insbesondere Ländler und Walzer, hat Mahler mitreißend in Töne gesetzt. Hrusa schärfte hier die Akzente deutlich, so dass vor allem Holzbläser und die knappen Pizzicati der Streicher spitz tönend erklangen.

Der dritte Satz war in seinem weihevollen Adagio der sehr deutliche Höhepunkt des Konzertes. Überlegen im dynamischen Aufbau setzte Hrusa auf eine betont natürliche Tongebung und sparte sich allen Farbglanz und dynamische Opulenz für den plötzlich hereinbrechenden Tonartenwechsel auf. In hellem E-Dur strahlten die Trompeten in den Klanghimmel, kräftig untermalt von wuchtigen Paukenakzenten, ehe dieser zauberhafte Satz in Stille verebbte. Hrusa zeigte hier seine gestalterische Meisterschaft in dem Ausphrasieren der Akkorde und der Harmoniewechsel. Dabei reizte er vor allem die Piano- und Pianissimo-Passagen in den Streichern atemberaubend aus. So wirkten die letzten Augenblicke dieses Satzes wie ein sonniges Erglühen. Ein großartiger Moment, den Hrusa und die Bamberger Symphoniker hinreißend gestalteten.

Im vierten Satz gelangte nun noch das Sopran-Solo hinzu. Solistin des Abends war Kateřina Kněžíková, die mit glockenhellem und zugleich kultiviertem Sopran ihrem Liedbeitrag eine reine, keusche Färbung gab. Lediglich die Textbehandlung trat bei ihr zu ihr in den Hintergrund. Zu wenig war zu verstehen und auch der Text-Sinn wirkte nicht hinreichend erlebt.

Es war eine sehr bewegende Darbietung dieser herrlichen Sinfonie. Selten agieren Interpret und Ausführende derart Hand in Hand. Die Bamberger Symphoniker sind derzeit in bester Form und bestachen durch herausragende Leistungen in den Soli- und Tutti-Beiträgen. Was vor allem an diesem Orchester beeindruckte, war dessen erzählerische Qualität. Hrusa gewährte große Freiräume, so dass es viel musikalischen Subtext auf dem Präsentier-Teller gab. Zweifellos eine Sternstunde in der Interpretation dieser Mahler Sinfonie!

Viel Applaus für einen wunderbaren Konzertabend.

Dirk Schauß, 20. Januar 2020

Fotos (c) Tibor Pluto