Frankfurt: Andrés Orozco-Estrada & hr-Sinfonieorchester

Iveta Apkalna (Orgel), Adina Aaron (Sopran), Musa Ngqungwana (Bass-Bariton), Cape Town Opera Chorus

SPOTLIGHT-MINI zu Joseph HaydnsSinfonie Nr. 84

Samuel Barber
Toccata Festiva – für Orgel und Orchester

George Gershwin
Ein Amerikaner in Paris

George Gershwin
Porgy and Bess – A Concert of Songs

Das HR-Sinfonieorchester startete in die neue Saison gleich mit einem besonders umfangreichen Programm. Am Beginn stand als Experiment SPOTLIGHT-MINI mit einer der sog. Pariser Sinfonien von Joseph Haydn. Chefdirigent Andrés Orozco-Estrada präsentierte mit charmanten und z.T. selbstironischen Erklärungen dieses Werk, das Haydn 1786 komponiert hatte. Das HR-Sinfonieorchester zeigte sich hier besonders von seiner kammermusikalischen Seite und glänzte durch hohe Transparenz im Zusammenspiel. Orozco-Estrada setzte deutliche Akzente und forderte vor allem die Bläser in ihrer Virtuosität. Diese neue Form der Konzerteinführung kam beim Publikum sehr gut an und sollte unbedingt fortgesetzt werden, zumal Orozco-Estrada ein fabelhafter Kommunikator ist, der sehr schnell sein Publikum zu erobern wußte.

Das Hauptkonzert stand ganz im Zeichen amerikanischer Musik. Zu Beginn erklang von Samuel Barber die Toccata Festiva für Orgel und Orchester. Das Werk wurde 1960 in Philadelphia unter Leitung von Eugene Ormandy uraufgeführt. Das rund viertelstündige Werk, in drei Teile untergliedert, erscheint eher als eine Fantasie für Orgel und Orchester. An der Orgel musizierte Ivetka Abkalna mit großem persönlichen Engagement. Groß ist die dynamische Bandbreite, die große Klangwellen vor dem Zuhörer entstehen lässt und dann wieder in lyrischer Expressivität kontrastiert. Besonders eindrücklich gerieten die leisen, kontemplativen Elemente der Musik. Hier konnten die solistisch geforderten Holzbläser für sich einnehmen.

Ivetka Abkalna, die famos agierende Solistin zeigte ein beeindruckendes Können. Herausragend die äußerst schwierige Kadenz, die ausschließlich von den Füßen von ihr perfekt gespielt wurde. Sowohl sie und das engagiert agierende HR-Sinfonieorchester fesselten die Zuhörer. Das groß aufspielende Orchester wurde in diesem Werk sehr gefordert. Ob intensive Passagen in den Blechbläsern oder vielfältige Effekte im Schlagzeug. So gab es dann berechtigte Begeisterung für dieses eher selten anzutreffende Werk in dieser überzeugenden Darbietung.

Als George Gershwin einige Monate in Paris weilte, war er von dieser Stadt derart beeindruckt, das er seine Eindrücke in seiner berühmten Komposition „An American in Paris“ verewigte. Die 1928 uraufgeführte Komposition zählt zu den meist gespielten Werken Gershwins. Faszinierend ist das überwältigende Klangpanorama, welches Taxi-Hupen ebenso zitiert, wie Swing und Blues. Und einmal mehr war die stilistische Bandbreite des HR-Sinfonieorchesters sehr beeindruckend. Die kecken Holzbläser und die sonoren Blechbläser sorgten für authentische Stimmung, kontrastiert durch die fein ausgewogenen Klänge der Streicher und den vielfältigen Schlagzeugeffekten. Hervorragend die vielen solistischen Leistungen der Orchestermitglieder. Konzertmeister Alejandro Rutkauskas musizierte seine Soli auf seiner Violine mit sensiblem Ton. Herrlich in der klaren Intonation und dem schlanken Ton dann das berühmte Blues Solo der Trompete, hinreißend dargeboten von Solo-Trompeter Jürgen Ellensohn, sekundiert von der ungemein weich tönenden Solo-Tuba, ausgeführt von David Glidden. Zuvor sorgte Oliver Siefert an der Solo-Posaune mit seinem leicht jazzigen Einsatz in seinem Solo für das rechte Kolorit. Andrés Oroczco-Estrada hatte sicht- und hörbar viel Freude an diesem Orchesterfeuerwerk. In seiner Interpretation stand die symphonische Geste im Mittelpunkt. Sehr gut fächerte er die Partitur auf und nahm sich vor allem in den kantablen Stellen viel Zeit für intensives Ausmuszieren.

Im Mittelpunkt des Abends stand ein großer Querschnitt aus „Porgy and Bess“, der einzigen Oper, die George Gershwin in seinem kurzen Leben schrieb. Die 1935 uraufgeführte Oper, an dessen Textbuch auch Gerswins Bruder Ira mitwirkte, war ein Welterfolg.

Die Lebensgeschichte des Krüppels Porgy in der Catfish Row in Charleston, der um seine Bess kämpft und dem kein Aufwand zu klein war, bewegte von jeher das Publikum. Weltberühmt sind viele Melodien aus Gershwins Oper, so z.B. das Wiegenlied „Summertime“. Gershwins ehemaliger Mitarbeiter, Robert Russel Bennett, Dirigent und Arrangeur, schuf aus der Partitur eine orchestrale Zusammenstellung und dann 1956 sein Arrangement „Porgy and Bess – A Concert of Songs“ für Sopran, Bariton, Chor und Orchester. Es vereint die beliebtesten Melodien der Oper, wobei die beiden Solisten auch die Partien der Nebendarsteller zu übernehmen haben.

In den verschiedenen Sopran-Partien zeigte Adina Aaron eine tiefe Verbundenheit mit der Musik. Ihr sicherer Sopran meisterte überwiegend sicher alle Anforderungen, lediglich in der hohen Lage detonierte sie hin und wieder. Ob im äußerst innigen „Summertime“ oder im packend dramatischen „My man is gone“, Adina Aaron vermochte mit dem Klang ihrer Stimme zu berühren und war auch im Liebesduett ihrem Bühnenpartner eine einfühlsame Gestalterin. Als Porgy war Musa Ngqungwana eine gute Wahl. Sein kerniger Bass-Bariton hatte die nötige Autorität, um seinen Porgy in den Mittelpunkt zu stellen. Gleichzeitig vermochte auch er deutlich zu differenzieren und seiner Stimme neue Farben abzugewinnen. In den beiden Soli des Sportin Life zeigte er seine komödiantische Wandlungsfähigkeit.

Großartig sang der gastierende Cape Town Opera Chorus die diversen Choreinwürfe, die Marvin Kernelle hervorragend einstudierte. Begeisternd der homogene Klang und die spürbare Anteilnahme aller Beteiligten. Völlig losgelöst agierten die Sängerinnen und Sänger ihre tiefe Verbundenheit mit dieser Musik aus, tanzten und bewegten sich im Rhythmus der Musik. Es war eine große Freude, diesem fabelhaften Ensemble zu folgen. Herausragend auch die außerordentlich hohe Qualität der Sänger, die ihre Soli nutzen, ihre solistische Kompetenz äußerst eindrucksvoll zu demonstrieren.

Und schließlich auch als begleitendes Opernorchester zeigte das wandlungsfähige HR-Sinfonieorchester seine ganze Klasse. Immer mit den Sängern mit atmend trieb Andrès Oroczo-Estrada sein Orchester voran. Die dynamische Skala war groß, neben sensibel, zuweilen impressionistisch anmutenden Akkorden, waren es hier die vor allem die großen eruptiven Momente, ob in der Trauerszene (My man’s gone) oder im Finale (Oh lawd, I’m on my way), die in ihrer schieren Klangpracht überwältigten. Ein Extra-Lob an Schlagzeuger Burkhard Roggenbruck, der an diesem Abend durch sein häufigen Soli am Xylophon äußerst gefordert war und im z.T. aberwitzigen Tempi, bestens in Erscheinung trat.Entsprechend groß war die Freude beim zahlreich erschienenen Publikum, das alle Beteiligten herzlich und ausgiebig feierte. Fazit: Ein fabelhafter Auftakt also zur neuen Saison.

Dirk Schauß 13.9.2019