Frankfurt: Konzert mit dem Philharmonia Orchestra London

Esa-Pekka Salonen (Leitung)

Richard Wagner
Tristan und Isolde – Vorspiel und Isoldes Liebestod

Arnold Schönberg
Verklärte Nacht op. 4

Anton Bruckner
Symphonie No. 7 WAB 107

Philharmonia-Wonnen!

Ein sehr gutes Programm präsentierte das Philharmonia Orchestra London unter Leitung seines scheidenden Chefdirigenten Esa-Pekka Salonen.

Am Beginn präsentierte es eine sehr leidenschaftliche Interpretation des Vorspiels zum 1. Aufzug mit instrumentalem Liebestod aus Richard Wagners „Tristan und Isolde“. Salonen hat dieses Werk oft dirigiert. Seine tiefe Verbundenheit mit diesem Werk war jederzeit spürbar. Wie aus dem Nichts erhob sich der berühmte Tristan-Akkord und sorgte sogleich für größte Spannung. Salonen kostete die dynamische Bandbreite extrem aus. Dabei arbeitete er die chromatischen Verläufe in den Streichern transparent heraus. Untrügliches Timing, perfekt gesetzte Pausen, breites Ausmusizieren und deutliche Accelerandi gaben seiner Interpretation eine zwingende Aussage, die den Zuhörer packte und überwältigte. Das Orchester musizierte aus einem Guss, staunenswert homogen und überaus wohltönend in allen Gruppen. Im Liebestod toste ein Meer aus aufwallenden Klangwogen über den Zuhörer, in einer kaum erträglichen Intensität. Wunderbar, wie sensibel und doch zupackend das gut präparierte Orchester das umsetzte! Zwanzig Minuten höchste Seligkeit in einer unvergesslichen Darbietung!

In seiner tonalen Frühphase komponierte Arnold Schönberg das 1899 uraufgeführte Streichsextett „Verklärte Nacht“, welches er 1917 für Streichorchester revidierte. Erkennbar von der Klangsprache Richard Wagners beeinflusst schuf Schönberg seinen Beitrag zur Programmmusik. Inspiriert wurde er von dem gleichnamigen Gedicht von Richard Dehmel. Im Mittelpunkt des Gedichtes steht ein Liebespaar. Im Mondenschein gesteht die Frau ihrem Liebhaber, dass sie das Kind eines anderen Mannes erwartet. Dieser Fremdgang zerstört nicht das Liebesbündnis. Der Liebhaber beschließt das Kind als eigenes anzunehmen.

In dieser vielschichtigen Komposition werden immer wieder Themenmotive verarbeitet und durch neue musikalische Impulse ersetzt. Faszinierend die unendlichen Farben, die Schönberg hier aus dem gesamten Streicherapparat hervorzaubert. Der dirigierende Komponist Esa-Pekka Salonen hat eine besondere Affinität zu der Musik Arnold Schönbergs. Auch hier war wieder seine Fähigkeit, musikalische Strukturen freizulegen, bestechend zu erleben. Die samtig und satt agierenden Streicher des traditionsreichen Orchesters fühlten sich tief in die Klangwelt Schönbergs ein. Berückende Soli in der Violine, dann wieder berstende Intensität in der gesamten Gruppe und immer wieder faszinierend gestaltete Trugschlüsse. Begeisternd, wie das Orchester aufeinander hörte und reagierte. So konnte es sich Salonen sogar leisten, eine finale Akkordverschiebung, nicht zu dirigieren, sondern es dem Orchester zu überantworten. Insgesamt war bereits diese erste Konzerthälfte ein außergewöhnlich starker Eindruck.

In der zweiten Hälfte dann Anton Bruckners beliebte siebte Symphonie, die 1884 in Leipzig uraufgeführt wurde. Immer wieder ein Streitpunkt der Musikgeschichte ist der einzelne Beckenschlag im Adagio des zweiten Satzes. Hier wird vermutet, dass dieser nachträglich hinzugefügt wurde. Überwiegend wird die Fassung mit Beckenschlag gespielt. Und auch das Philharmonia Orchestra ließ sich diesen besonderen Effekt nicht nehmen und krönte mit einem unvergesslich aufgebauten Höhepunkt gerade den zweiten Satz. Salonens Bruckner Interpretation ist in ihrem Vorwärtsdrang eher ungewöhnlich. Unverkennbar kommt seine Interpretation aus der Moderne. Unerbittlich arbeitete er die harmonischen Kontraste scharf heraus. Seine Tempi wirkten dabei niemals überhetzt, sondern waren stets im harmonischen Fluss. Immer wieder bremste Salonen deutlich, manchmal drastisch das Tempo herunter, um breit ausmusizieren zu lassen, um dann wieder stark das Tempo anziehen. Auch hier profitierten Orchester und Zuhörer von Salonens Fähigkeit, Klänge höchst transparent aufzufächern und zudem perfekt abzuphrasieren. Dabei geriet seine Interpretation zu keinem Zeitpunkt unterkühlt. Im Gegenteil: die sauber intonierenden Tuben im zweiten Satz interagierten aufs Beste mit den aufblühenden Streicherklängen. Aufhorchen ließen zu Beginn des zweiten Satzes die außerordentlich wuchtig klingenden Kontrabässe, die mit starkem Bogenstrich dem Beginn eine ruppige, unbequeme Farbe gab. Und es war dann auch der Schlussteil dieses Satzes, der Richard Wagner ein musikalisches Denkmal setzte, der besonders anrührend geriet. Ein deutlicher Kontrast dann die beiden Finalsätze, in welchen Salonen sein wunderbar mitgehendes Orchester zu betont rhythmischen Spiel animierte. Infernalisch, grotesk das ruppig gestaltete Scherzo mit sehr pointiert agierender Solo-Pauke. Großartig schließlich sein Aufbau des symphonischen Finales, in welchem die majestätisch klingenden Blechbläser begeisterten.

Das Philharmonia Orchestra zeigte an allen Pulten seine Welt-Klasse. Üppige, hoch kultivierte Streicher, tadellose Holzbläser und eine überragende Blech-Fraktion, die von choraler Weichheit bis zur meißelnden Härte alle dynamischen Finessen perfekt umsetzte.

Eine sehr subjektive Bruckner Interpretation des charismatischen Dirigenten. Kein Bruckner für Kulinariker, sondern eine Interpretation als maximales Ausrufezeichen für überragende Interpretationsfähigkeit. Aufregender, mitreißender und unvergesslicher kann dieses Werk kaum interpretiert werden als es hier mit dem begeisternden Philharmonia Orchestra und Esa-Pekka Salonen zu erleben war! Was für ein Erlebnis!

Am Ende viele strahlende Gesichter und große Begeisterung in der gut besuchten Alten Oper.

Dirk Schauss 5.3.2019