Lech am Arlberg: „11. Lech Classic Festival“

Der zweite Tag des Lech Classic Festivals am 1. August stand unter dem Motto „O sole mio“, und das völlig zurecht! Denn als der kirgisische Tenor Jenish Ysmanov auf die Bühne kam, locker und ins Publikum wie eben die sole, auch als Sonne bekannt, in das Publikum strahlte und dann „O sole mio“ von Eduardo Di Capua als die erste von mehreren italienischen Kanzonetten mit seinem beeindruckenden und bestens geführten, ebenso kraftvollen wie höhensicheren Tenor sang – da hatte er den ganzen Saal sofort auf seiner Seite. Und so ging es locker weiter mit „Santa Lucia“ verfasst von Teodoro Cottrau, „Passione“ von Ernesto Tagliaferri and Nicola Valente. Nach der Pause ging es weiter mit dem Gassenhauer „Core ingrata“ von Salvatore Cardillo, dem vielleicht noch populäreren „Mamma“ von Nikola Nikolov, dem herrlichen „Torna a Surriento“ von Ernesto de Curtis und „Caruso“ von Lucio Dalla. Ysmanov bewies auch als dem Italienischen nicht unbedingt nahestehender Kirgise aus Zentralasien eine bestechende Affinität zur Seele dieser Lieder und ihrer Interpretation ganz im Sinne des italienischen Gesangsverständnisses und das alles bei hoher Musikalität und passendem mimischen Ausdruck.

Tetsuro Ban mit Konzertmeisterin / © Dietmar Hurnaus

Ihm zur Seite stand Ysmanov der international bekannte slowakische Bass Peter Kellner, seit 2018 Ensemblemitglied der Wiener Staatsoper, mit der „Mattinata“, der „Chitarra romana“ und nach der Pause dem populären „Parlami d’amore Mariù“ sowie „Ti voglio tanto bene“, wo auch noch Anna-Katharina Tonauer aus Tirol zu den beiden stieß und „Abballati“ sang, mit einem klangvollen Mezzosopran. Kellner sang ebenfalls seine Kanzonetten sehr gut und engagiert, hatte naturgemäß aber gegenüber dem Tenor mit dessen in jedermanns Gedächtnis eingegrabenen Kanzonetten die schlechteren Karten. Am Schluss konnten alle in einem „Funiculì funiculà“ noch ihre mitreißenden Ensemblefähigkeiten unter Beweis stellen. Das war der Schwerpunkt des 2. Tages.

Den Beginn machte aber das Lech Festival Orchester mit der Ouvertüre aus der Farsa comica „La scala di seta“ von Gioachino Rossini, als Ouvertüre ein Meisterwerk für sich. Das Orchester unter der Stabführung von Tetsuro Ban (wie am Vortag natürlich) konnte mit lebhaften Tempi sehr schön die typisch Rossinianische Dynamik und ihre Steigerungen darstellen.

Einen weiteren Schwerpunkt des Programms bildete die Arie aus der Oper „La Molinara – Die Müllerin“ von Giovanni Paisiello (1740-1816) „Nel cor più non mi sento brillar la gioventù“ („Im Herzen fühle ich nicht immer das Feuer der Jugend“). Paisiello war seinerzeit einer der begehrtesten Opernkomponisten mit über 100 komponierten Opern! Dieser sein „Kassenschlager“ animierte mehrere Komponistenkollegen zu sehr virtuosen Variationen.

Geiger Dalibor Karvay / © Dietmar Hurnaus

Zu Beginn sang Anna-Katharina Tonauer diese Ariemit einem gehaltvollen vokalen Vortrag ihres klangvollen und variationsreichen Mezzos. Maestro Tetsuro Ban saß zur Begleitung am Flügel. Danach spielte Birgit Ramsl, Soloflötistin der Wiener Volksoper, als Solistin mit dem Orchester Variationen über „Nel cor più non mi sento brillar la gioventù“ von Friedrich Silcher (1789-1860). Dabei brachte sie eine hohe Versatilität an der Flöte zum Ausdruck und harmonierte optimal mit dem Orchester. Abschießend war Dalibor Karvay mit der Violine zum selben Thema, nur diesmal mit hinreißenden Variationen von Niccolò Paganini (1782-1840) zu erleben. Mit einer schier unglaublichen Virtuosität spielte er diese auf seiner Geige mit einer faszinierenden Verinnerlichung, aber bisweilen auch wie „Geigen-Akrobatik“ wirkenden Intensität.

Schließlich war noch das Andante – Allegro des Konzerts für Horn und Streichorchester in F-Dur von Gaetano Donizetti (1797-1848) vom Schweizer Solohornisten Pascal Deuber zu erleben, der seit 2019 Solohornist an der Bayerischen Staatsoper ist. Er trat auch schon bei den Bayreuther Festspielen und mit dem London Symphony Orchestra auf. Deuber spielte die aus dem Concertino Donizettis entstandenen Variationen mit einem bestechenden Gefühl für den Melodienreichtum des Komponisten.

Der dritte Tag des Lech Classic Festivals am 2. August stand unter dem Motto „Perlen der Musikgeschichte“ mit Stücken von Wolfgang Amadeus Mozart, Pjotr Iljitsch Tschaikowski und Camille Saint-Saëns.

Gottlieb Wallisch, ein „Wiener Wunderkind“, der in der Wiener Klavier-Tradition steht und diese sogar noch fortsetzte, begann seine internationale Karriere mit nur 17 Jahren mit einem Konzert unter Lord Yehudi Menuhin. Beim Lech Classical Festival ist er zuvor schon vier Mal aufgetreten. Er spielte das Konzert für Klavier und Orchester Nr. 18 B-Dur KV 456 Allegro vivace – Andante sostenuto – Allegro vivace von W. A. Mozart mit  dem Lech Festival Orchester virtuos mit größter Präzision und beeindruckender Harmonie mit dem Orchester unter Tetsuro Ban. Das Publikum verlangte sogar eine Zugabe.

Pianist Gottlieb Wallisch / © Dietmar Hurnaus

Nach der Pause folgte die „Nussknacker-Suite“ op. 71a von P. I. Tschaikowski, deren Miniatur-Ouvertüre – Allegro giusto das Lech Festival Orchester mit Feinzeichnung spielte. Diese Suite enthält eine Fülle liebenswürdiger musikalischer Einfälle aus dem Ballett „Der Nussknacker“. Sie ist sehr abwechslungsreich und gehört zu den volkstümlichsten Werken Tschaikowskis. Das Orchester unter Tetsuro Ban meisterte die Charaktertänze a) Marsch, b) Tanz der Zuckerfee, c) Russischer Tanz, d) Arabischer Tanz, e) Chinesischer Tanz und f) Tanz der Rohrflöten mit viel Liebe zum Detail, wobei Einzelinstrumente bestens zur Wirkung kamen und ließ eben genau den volkstümlichen Charakter der Musik differenziert erklingen. Beeindruckend das tutti im Blumenwalzer!

Zum Schluss des Programms war nochmals der geniale Geiger Dalibor Karvay zu erleben, oder besser gesagt, er konnte das Publikum erneut verzaubern. Karvay spielte das Konzert für Violine und Orchester Nr. 3 h-Moll op. 61 von C. Saint-Saëns, der in den 1880er Jahren als der bedeutendste Musiker Frankreichs galt. Das Violinkonzert Nr. 3 gehört zu seinen berühmtesten Kompositionen, welches er dem bekanntesten Violinvirtuesen seiner Zeit, Pablo de Sarasate, widmete. Karvay konnte die farbenfrohe romantische Harmonik, die Saint-Saëns hier entwickelte, zu voller Entfaltung bringen.

An seinen drei ersten Tagen konnte das 11. Lech Classic Festival also mit sehr interessanten instrumentalen und vokalen Stücken aufwarten und dabei eine Reihe international renommierter Künstler präsentieren. Man kann sich schon auf 2024 freuen, wenn endlich in einem diesem Niveau auch entsprechenden neuen Konzertsaal in Lech am Arlberg gespielt werden wird.

Klaus Billand, 24. August 2023


11. Lech Classic Festival

Diverse Komponisten

Lech am Arlberg

Besuchte Vorstellung: 2. und 3. August 2023

Dirigat: Tetsuro Ban
Orchester: Lech Festival Orchester