CD: „The great Puccini“, Jonathan Tetelmann

Zunächst einmal fällt auf, dass Jonathan Tetelman als Tenor durchaus passende stimmliche Mittel mitbringt und auch äußerlich den heutigen Ansprüchen der Opernwelt gerecht wird. Er ist telegen, von großer, schlanker Statur und attraktiver Gestalt. Diese visuellen Attribute können sicherlich ein nettes Extra für Musikfreunde sein, die lieber mit den Augen „hören“, dieses steht jedoch nicht im Zentrum der Betrachtung, denn letztendlich zählt vornehmlich die Stimme.

Anlässlich des bevorstehenden 100. Todestages von Giacomo Puccini hat die Deutsche Grammophon eine CD veröffentlicht, auf der der chilenisch-amerikanische Tenor Jonathan Tetelman bekannte Tenorarien des italienischen Opernkomponisten interpretiert. Ergänzt wird diese Aufnahme durch Duette und Ensembles. Doch wie schlägt sich Tetelman in der hochkarätigen musikalischen Gesellschaft vorausgegangener Puccini Tenor-Heroen? Die Antwort ist zwiespältig.

Die CD bietet Tetelman eine vielfältige Gelegenheit, sein Gesangstalent zu präsentieren. Dennoch sollte man realistisch bleiben und verstehen, dass es nahezu unmöglich ist, mit den legendären Tenorgiganten der Vergangenheit in dieser Literatur zu konkurrieren.

Was bietet die CD von Jonathan Tetelman also? Zu hören ist eine frische, unverbrauchte Tenorstimme mit ausreichend „Squillo“ in der Höhe und einer bemühten, zuweilen arg forcierten Kraft. Allerdings könnte eine zurückhaltendere Herangehensweise spannender und schonender für diese schöne Stimme sein. Leider neigt Tetelman dazu, sich allzu oft auf stimmliche Schmetterei zu verlassen und die Legato-Phrasierung deutlich zu vernachlässigen. Zu schnell sucht er stets das dynamische Maximum mit dem Ergebnis, dass die Höhe oft gedrückt erreicht wird. Selbst in den (zu) wenigen leisen Momenten, wie zum Beispiel in Cavaradossis großer Szene im dritten Akt von „Tosca,“ wirkt sein Gesang mechanisch und wenig emotional. Sein Vortrag von „E lucevan le stelle“ am Anfang des Stücks wirkt zwar zaghaft, doch letztendlich wenig überzeugend. Zu hören ist kein Künstler, der in Erwartung seiner Hinrichtung singt, sondern ein Tenor, der schlicht seine Stimme zur Schau stellt, ohne einen fesselnden erlebten Ausdruck zu erzeugen.

Es ist bedauerlich, dass die Mehrzahl der heutigen Generation von Sängern zu oft dazu neigt, musikalische Inhalte mit einfallslosem Gesang und einem Fokus auf möglichst laute Töne zu vermitteln. Dies führt dazu, dass der Zuhörer eindimensionalen Gesang erlebt, ohne den Zauber, den Puccinis Arien entfalten können. Selbst „Nessun Dorma,“ eines der bekanntesten Stücke aus Puccinis Repertoire, fehlt hier der erwartete Enthusiasmus, dynamische Kreativität und die emotionale Tiefe.

Es gibt jedoch einige erfreuliche Aspekte auf dieser CD, darunter Arien aus Puccinis weniger bekannten Werken wie „La Fanciulla del West“ und die anspruchsvolle Arie „Torna ai felici di“ aus „Le Villi.“ Beeindruckend ist das Liebesduett aus „Il Tabarro,“ bei dem Tetelman stimmlich auftrumpft, jedoch von seiner mitreißenden Partnerin Vida Miknevičiūtė recht deutlich überschattet wird.  Allein wie wissend die Sopranistin das Duett textbezogen gestaltet, ist so viel spannender als Tetelmans kraftmeiernde Arienbeiträge. Beide an der CD beteiligten Sopranistinnen, Federica Lombardi und Vida Miknevičiūtė bieten eine breitere Palette an Farben und Ausdrucksmöglichkeiten.

Der italienische Dirigent Carlo Rizzi begleitet die Arien zwar solide, bleibt jedoch zu oft im Hintergrund und könnte mehr gestalterischen Einfluss nehmen. Das von ihm wenig geforderte Prague Philharmonia Orchestra sorgt für einen klangschönen und ansprechenden Orchesterpart, der in den Solobeiträgen besonders gut zur Geltung kommt.

Insgesamt hinterlässt Jonathan Tetelman den Eindruck eines recht austauschbaren und oberflächlichen Vortrags, der die tiefen emotionalen Nuancen von Puccinis Musik nicht wirklich zur Geltung bringt. Diese CD mag für Fans des sympathischen Sängers ihren Reiz haben, ebenso kommen Freunde des Kraftgesanges auf ihre Kosten. Wer den wahren Zauber und die Gefühlstiefe von Puccinis Musik erleben möchte, ist allerdings mit den Tenören der Vergangenheit deutlich besser beraten.

Dirk Schauß, 30. September 2023


Jonathan Tetelman
The Great Puccini

PKF Prague Philharmonia
Carlo Rizzi, Leitung

Deutsche Grammophon 4864683