Athen, Ballett: „Onassis Dance Days“, Festival für junge Choreografen

Onassis Stegi kümmert sich bereits seit etlichen Jahren um den tänzerischen Nachwuchs. Dies drückt sich insbesondere in einem jährlichen Festival für junge Choreografen aus. Unter dem Titel „Onassis Dance Days“ werden Auftragsarbeiten präsentiert sowie ein internationales Gastspiel. Das Festival ist ein beliebter Treffpunkt der Athener Szene. Onassis Stegi setzt sich auch sehr aktiv für die Promotion des Programms ein. Das macht sich an der Anwesenheit ausländischer Kuratoren bemerkbar. Wie ist es nun um den Tanzjahrgang 2024 bestellt? 

Der erste Tag bringt dem Rezensenten drei Tanzstücke und das Gefühl, das manche noch am Eintanzen sind. Panos Malactos‘ „We All Need Therapy“ verbindet Erzählung und Tanz, Dancefloor und Gruppentherapie. Im Vorraum hört das Publikum zunächst von einer bedrohlichen Situation, wo sich Gäste einer Hausparty als Schläger und Diebe entpuppen. Dann betritt man die Halle, wo ein Tänzer zum Mittanzen auffordert. Später fallen weitere Bemerkungen zu Ängsten und Panikattacken. Das Publikum wird zum Thema befragt, bevor ein auftretender Sänger für Beruhigung sorgt. Dieser letzte Auftritt ist theatralisch stark, davor sorgt das dramaturgische Konzept aber für ein paar Längen. Tanzen als Therapie, ja das geht schon einigermaßen in Ordnung. Christiana Kosiaris „Runway“ zeigt eine Frau auf dem Laufband, gleichsam gehetzt von den Erwartungen der Außenwelt an das weibliche Erscheinungsbild. Im Laufschritt vollzieht sie eine Verwandlung, wird zur gestylten Lady, zu dem, was (von Männern) gewünscht wird. Das Ankleiden auf dem Laufband weist erheiternde, groteske Züge auf, der tänzerische Aspekt ist aber zu schwach ausgeprägt. Xenia Koghilakis „Slamming“ weist eine gewisse Ziellosigkeit auf. Drei Frauen zeigen ein unbestimmtes Ritual, schwitzen und keuchen bei teils heftigen Bewegungen. Sicher, die Tänzerinnen stoßen dem Titel folgend immer wieder aufeinander oder ineinander. Konflikt wird sichtbar, aber es tut sich keine weitere Deutungsebene auf. Auch tänzerisch ist das Ganze wenig aufregend. 

Der zweite Tag startet mit einem bereits gezeigten und prämierten Stück, Ioanna Paraskevopoulous „Mos“. Das Werk sollte wohl den Kuratoren vorgeführt werden. Es ist eine Choreografie, die in ihrer Verknüpfung unterschiedlicher Medien überzeugt. Filmbilder, Sound und Bewegungen fügen sich hier zu einem komplexen Gefüge zusammen. Film wird vertont und Klang wird zu Bewegung und Tanz. Das Geschehen kulminiert in Steptanzeinlagen. Die Choreografie ist sehr gut komponiert, zeigt poetische Momente und wirft interessante Fragen auf. Weniger Eindruck macht das Werk „All of My Love“ derselben Künstlerin. Da wecken Filme von Familienfeiern Kindheitserinnerungen, macht eine langer durch den Raum gezogener Faden Tradition und Bindung deutlich. Das Gezeigte bleibt jedoch zu vage, um das Publikum zu packen. Und es fehlt auch an ausreichender tänzerischer Gebärde. Das Spiel mit dem geflochtenen Faden nimmt zu viel Raum ein. Paraskevopoulous „Mos“ war da wesentlich überzeugender. Der zweite Abend schliesst mit dem internationalen Gastspiel, Miet Warlops „One Song“. Situiert zwischen Sportmarathon und Musikperformance zeigt das einstündige Stück, wie ein Song durch vielfache Wiederholung unterschiedliche Formen annehmen und verschiedene Assoziationen wecken kann. Als Fussballfans daherkommende Zuschauer auf der Bühne schauen etwa einem Sänger auf dem Laufband oder einem Musiker, der den Kontrabass in Liegestellung spielt, zu. Der Song lässt einen an vieles denken, verweist auf romantische wie nationale Stimmungen oder auch an Fußball Gesänge. Das Geschehen entwickelt dabei ungemeinen Drive und musikalische Kraft, denen man sich schwerlich entziehen kann. Eine Hochleistungsperformance. 

Das Publikum füllt die verschiedenen Spielorte in erfreulich großer Zahl und unterstützt die Akteurinnen und Akteure mit viel Beifall. Für Entspannung sorgt eine Party, die den zweiten Abend beschliesst. Trotz Schwächen ein lohnender Anlass.

Ingo Starz, 8. März 2024

Besonderer Dank an unseren Kooperationspartner MERKER-online (Wien)


Onassis Dance Days

Onassis Stegis, Athen

Besuchte Vorstellungen am 23. und 24. Februar