Meiningen: „Rigoletto“

Besuchte Vorstellung 29.06.2014 (Premiere 18.10.13)

Ein Stimmenfest vom Feinsten begeistert die Besucher

Vor einigen Monaten, am 21.12.2013, war ich in der Meininger Aufführung des „Rigoletto“ im Theater Fürth. Der ausführliche Bericht ist unter www.deropernfreund.de/fuerth nachzulesen. Bis auf die Inszenierung, von Ansgar Haag, über die ich damals den Mantel des Schweigens gebreitet habe, war die Aufführung insgesamt über dem normalen Durchschnitt gelegen. Als Rigoletto war im Dezember Dae-Hee Shin zu erleben, der auch diesmal die Partie des Rigoletto sang und gestaltete. Gaseul Son war damals als Gilda eingesprungen und hatte ihre Sache ausgezeichnet gemacht, ebenso wie der jugendliche Rodrigo Porras Garulo, der einen exzellenten Herzog verkörperte. Jedoch bei der Aufführung vom 29.06.2014 stürmte auf mich und meine Freunde ein Stimmenfest ein, welches seinesgleichen sucht.

Über die Inszenierung, das Bühnenbild habe ich mich in der Beurteilung der Aufführung in Fürth schon ausführlich geäußert und brauche nicht noch einmal darauf einzugehen.

Generalmusikdirektor Philippe Bach hat, wie schon so oft, wieder einen ausgezeichneten Tag erwischt und er lockt alles aus der zündenden Musik von Giuseppe Verdi heraus. Das Orchester ist blendend aufgelegt, donnert, wo es erforderlich ist, nimmt sich aber bei den Gesangspassagen wohltuend zurück und deckt die Sänger nicht zu. Philippe Bach leitet das ausgezeichnete Orchester mit straffer, aber gleichzeitig einfühlsamer Hand. Wieder einmal in Meiningen eine hervorragende Leistung des Orchesters und seines Dirigenten.

Doch nun zu den drei Ausnahmesängern, die auch diese Vorstellung von „Rigoletto“ wieder einmal zu einem unvergessenen Erlebnis machen. Man kann auch nicht sagen, wem die Sangeskrone gebührt, man muss sie gleichermaßen auf alle drei Köpfe verteilen. Fangen wir bei dem titelgebenden Sänger an. Dae-Hee Shin zelebriert den innerlich zerrissenen Rigoletto. Mit ausdrucksstarkem, durchschlagskräftigen, aber auch zu zarten Ausbrüchen fähigen Bariton verkörpert er die Figur des spöttischen Vasallen des Herzogs, der dann, als er merkt, dass er betrogen wird zum verzweifelten, aber auch gnadenlosen Rächer wird, dem die Liebe zu seiner Tochter Gilda über alles geht und der in Schmerz versinkt, als sein geliebtes Kind schließlich leblos vor ihm liegt. Eine grandiose Leistung, die in allen Belangen, sowohl im gesanglichen als auch im schauspielerischen überzeugt und die Zuschauer jeden Moment mitleiden und miterleben lässt. Er ist zu Recht einer der Meininger Säulen, die heutige Vorstellung hat es wieder eindrucksvoll bewiesen. Ihm zur Seite als Gilda Elif Aytekin. Stimmlich und darstellerisch ist sie einer der außergewöhnlichsten Frauen, die ich in den letzten Jahren in Meiningen erleben durfte. Möge das Meininger Theater sie, wie auch die beiden anderen Protagonisten, noch möglichst lange am Theater halten. Sie, die nach der behüteten Phase bei ihrem Vater die wahre Liebe erlebt, so glaubt sie es wenigstens und die dann, auch als sie erkennt, dass sie nur ein Spielzeug des Herzogs war, sich in aufopferungsvoller Liebe zu ihm opfert, sie stellt dies alles nicht nur dar, sondern sie lebt es.

Ich habe selten eine berührendere Gilda erlebt wie in ihrer Verkörperung. Eine prachtvolle, glockenreine Stimme, die rund und warm ist, sich zu den höchsten Koloraturen aufschwingen kann und deren Pianissimo ihresgleichen sucht, sie ist der Star unter den Stars. Ich habe selten ein Publikum erlebt, man dem man fast zu versuchen ist anzunehmen, dass es bei den beseelten Passagen von Elif Aytekin die Luft anhälten um ja jedes Flirren dieses Ausnahmesoprans zu erleben. Sie lebt die Gilda und kostet sie in allen Facetten aus, eine Leistung, die man nur mit einer Gänsehaut verfolgen kann. Und dazu dann ein Herzog, verkörpert von Xu Chang, der über seinen darstellerischen Schatten springt und auch hier einen Herzog der Sonderklasse verkörpert. Über ihn stimmliche Beurteilungen abzugeben, hieße Eulen nach Athen zu tragen. Er schmettert seine Arien mit einer Kraft, Höhensicherheit und einer Brillanz, die seinesgleichen sucht. Dieser herzogliche Verführer fegt stimmlich über die Bühne, dass man nur staunen kann. Mit Sicherheit gibt es nicht sehr viele Tenöre, die diese Partie so voller stimmlicher Leidenschaft, voller Draufgängertum und vollem vokalem Glanz über die Bühne bringen. Allen dreien gebührt der Stern des Opernfreundes, nicht nur für diesen herausragenden „Rigoletto“ sondern auch schon für das grandiose „Il Puritani“. Bei den weiteren Rollen gab es keinerlei Ausfall, besonders hervorzuheben ist Carolina Krogius, die als Schwester des ruchlosen Halsabschneiders Sparafucile, den Mikko Järviluoto mit wohltönender Bassorgel gab, und die mit einer angenehmen dunkelgefärbten flirrenden Altstimme, die gut zu ihrer verführerischen Gestalt und Auftreten passte, auftrumpfte.

Stephanos Tsirakoglou als Monterone, Steffen Köllner als Ceprano, Camila Ribero-Souza als seine Frau, Marian Krejcik als Marullo, Stan Meus als Borsa, Ute Dähne als Giovanna und Dimitar Sterev als Gerichtsdiener ergänzten eindrucksvoll das exzellente Ensemble und machten für mich diesen „Rigoletto“ zu einer weiteren Sternstunde in Meiningen.

Ich hatte in meiner Rezension vom Dezember letzten Jahres geschrieben, dass ich trotz der hervorragenden Vorstellung gespannt bin auf den Juni, wenn ich in Meiningen die Alternativbesetzung erleben werde. Und obwohl mich der „Rigoletto“ im wunderschönen Fürther Theater überzeugen konnte, wurde es hier in Meiningen durch die drei Hauptakteure (die mich ja schon in „Il Puritani“ fast sprachlos machten) zu einem grandiosen Stimmenfest der allerersten Güte. Im Oktober werde ich alle drei wieder in „Der Bajazzo/Gianni Schicchi“ in Meiningen erleben, ich freue mich heute schon auf diese Vorstellung.

Manfred Drescher, 19.7.14 Bild: Eigenaufnahme