Berlin: „La Gioconda“

Oper macht glücklich

Wenn sich Zuschauer nach dem Verklingen des letzten Tons jubelnd (und mit Maske) in die Arme fallen, dann ist die Welt der Oper wieder in Ordnung. So geschehen in der Deutschen Oper Berlin beim dritten ihrer konzertanten italienischen Abende, nach der Verdi-Gala und den Aida-Highlights mit Ponchiellis La Gioconda, von der das Haus noch eine Produktion in den Dekorationen aus der Entstehungszeit aus dem Jahre 1974 im Repertoire hat. Der Technik war es gelungen, Teile der Kulissen in die Konzertmuschel hinein zu bauen, sogar Enzos Schiff, das zwar etwas verfrüht, aber doch effektvoll abbrannte bzw. wetterleuchtete. Jedoch war nicht das die Sensation, sondern die exzellente Besetzung mit einer Hui He als Einspringerin ohne Orchesterproben, die sich nach gelungenem Hasardstückchen die Tränen aus den Augen wischte. Aber nicht nur die Besetzung der Titelpartie garantierte pures Opernglück.

George Gagnidze ignorierte vom ersten Augenblick an, dass es sich um eine konzertante Aufführung handelte, spielte den bitterbösen Barnaba mit allen Facetten der Brunnenvergifterei und rang seinem kraftvollen Bariton ebenso viele Ausdrucksmöglichkeiten bis hin zum Wutschrei der Enttäuschung angesichts der nicht mehr erreichbaren Gioconda ab. Zurückgekehrt auf die Bühne war der vor der Verdi-Gala erkrankte Marko Mimica und sang mit einem so abgrundtief schwarzen wie schlanken Bass den unversöhnlichen Alvise. Zwei wunderbare Mezzosoprane gehörten mit Beth Taylor als Cieca und Judit Kutasi als Laura zum Ensemble. Die junge Schottin krümmte sich zur hutzeligen Alten und ließ dabei einen jungen, ebenmäßigen Mezzo warmer Farben vernehmen. Das Rosenkranzmotiv war reiner Balsam für die Ohren. Der rumänische Mezzo hat im Timbre das ganz besondere Etwas rumänischer Stimmen und sang eine sinnliche, aufmüpfige Laura mit viel erotischem Flair. Joseph Calleja begann als Enzo etwas verhalten, konnte dann aber mit einem hoch poetischen Cielo e mar begeistern, ließ seinen Tenor siegreich über dem Ensemble am Schluss des dritten Akts triumphierend strahlen und bewies einmal mehr, dass er einer der Zuverlässigsten und Erfreulichsten seines Fachs ist. Hui He hatte die Gioconda bereits an der DO gesungen, war sofort in ihrem Element und lieferte sich im zweiten Akt ein so leidenschaftliches wie klangschönes Duell mit der Rivalin um Enzos Liebe. Zu einem der Höhepunkte des Abends wurde ihr Suicidio, das, unterstützt von einem ebenso engagiert und leidenschaftlich dazu beitragenden Orchester, beim Hörer Gänsehaut erzeugen konnte.

Die Oper hat viele Chorszenen, die weitgehend ausgespart wurden. Wenn man auf ein Highlight wie den 3. Aktschluss nicht verzichten wollte, hatte man als sehr gute Lösung sieben junge Ensemblemitglieder als fast vollwertigen Chorersatz eingesetzt. Meechot Marrero, Arianna Manganello, Karis Tucker, Patrick Cook, Gideon Poppe, Tyler Zimmerman und Padraic Rowan entledigten sich dieser Aufgabe mit sichtlicher Freude und ebensolchem Engagement. Das Orchester unter dem erfahrenen Ivan Repušić war trotz großer Beanspruchung durch die letzten Proben zur Walküre mit Lust und Laune bei der Sache und spielte auch einen duftigen Tanz der sieben Stunden.

Es gab auch eine Moderation durch den Haustenor Jörg Schörner, die der Mehrheit des Publikums hörbar zusagte, die jedoch, gemessen an dem Glanz und der Leidenschaft, die von den Musikern verströmt wurde, recht bieder witzelnd ausfiel.

Alles in allem aber kann man nach einem solchen Abend nur sagen:“Oper macht glücklich.“

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26.9.2020 Ingrid Wanja