Hildesheim: „Die Fledermaus“

Die unumstrittene Königin der Operette mit ihren unsterblichen Melodien („Glücklich ist, wer vergisst“, „Trinke, Liebchen, trinke schnell“ oder „Brüderlein und Schwesterlein“) ist wieder ins TfN (Theater für Niedersachsen) eingezogen, und das mit musikalischem Elan und großer Spielfreude des gesamten Ensembles. Es begann mit der vom gut aufgelegten Orchester mit Schwung präsentierten Ouvertüre, zu deren zweitem Teil die muntere Kammerzofe Adele ihren Pflichten nachkam, indem sie im Takt der spritzigen Musik Staub wedelte. Hildesheims GMD Florian Ziemen hatte maßgeblichen Anteil daran, dass bereits von Anfang an sozusagen der Champagner moussierte und neben dem auch nötigen Sentiment meist ein flottes, vorwärts drängendes Tempo angeschlagen wurde. Auch Regisseur Matthias von Stegmann hatte das letztlich lustige Verwirrspiel temporeich inszeniert, was streckenweise allerdings auch in Albernheiten über die Stränge schlug. So waren beispielsweise die auf einer Rolle aus der Aktentasche des Rechtsanwalts Dr. Blind (Max Albrecht Müller) herausgezogenen Schriftsätze ebenso wenig so richtig lustig wie das ständige Schwellen-Gestolpere des Sliwowitz-verliebten Gefängniswärters Frosch (Martin Schwartengräber). Positiv fielen in der fast durchgehend plausiblen Personenführung die vielen choreographischen Anteile für Solisten und Chor auf. All das passte gut in das praktikable, flink veränderbare Bühnenbild von Simon Lima Holdsworth, die auch für die fantasiereichen, vor allem für die Choristen geradezu surrealen Kostüme verantwortlich war.

Julian Rohde/Julia Borchert/Uwe Tobias Hieronimi

Wie immer in Hildesheim gab es solide bis beachtliche sängerische Leistungen: Da ist zunächst der sonst im italienischen Baritonfach erfolgreiche Zachary Wilson als Gabriel von Eisenstein zu nennen. Der Amerikaner spielte den feierlustigen Rentier mit Verve; dabei hatte sein markanter, äußerst flexibler Bariton mit den Höhen der Partie (eigentlich ist Eisenstein Tenor) nie Probleme. Die düpierte und sich an ihrem Ehemann rächende Rosalinde war der Wagner-erprobten Julia Borchert anvertraut. Sie beeindruckte erneut durch intonationsreines Singen und sichere Führung ihres abgerundeten, farbenreichen Soprans. Ein Glanzpunkt der Vorstellung war der souverän dargebotene Csárdás „Klänge der Heimat“ mit seinen ungarischen Rhythmen.

Nele Kramer/Eddie Mofokeng

Dass Robyn Allegra Parton als Adele nie soubrettig klang – wie in dieser Rolle sonst leider oft zu hören – war im Grunde selbstverständlich, hatte sie doch schon als Violetta starken Eindruck hinterlassen. Hier spielte die britische Sängerin ihre Koloraturfähigkeit und Höhensicherheit aus und gefiel ebenso durch ihre muntere Darstellung. Ihre beiden Solo-Szenen „Mein Herr Marquis“ und das witzig aufgelockerte „Spiel ich die Unschuld vom Lande“ gelangen mit Bravour. Mit seinem sympathischen, weichen Bariton nahm der Südafrikaner Eddie Mofokeng als Dr. Falke, dem Drahtzieher der ganzen Geschichte, der „Rache einer Fledermaus“, für sich ein.

Julia Borchert/Zachary Wilson/Uwe Tobias Hieronimi/Robyn Allegra Parton/Nele Kramer

Neele Kramer überzeugte einmal mehr mit angemessener Darstellung und gewohnt kultivierter Führung ihres prächtigen Mezzosoprans als gelangweilter Prinz Orlofsky, der hier als Prinzessin auftrat, was im Verlauf des Abends jedoch überhaupt nicht weiter ausgespielt wurde. Mit seiner ausgeprägten Bühnenpräsenz und stimmlich erstaunlich lockerem „Mein schönes, großes Vogelhaus…“ gab Uwe Tobias Hieronimi den Gefängnisdirektor Frank, während Julian Rohde mit kleinem, aber feinen Tenor Rosalindes Liebhaber Alfred war; als Adeles Schwester Ida ergänzte die junge Sopranistin Sophia Revilla. Zum Erfolg der Produktion trug ganz entscheidend auch der von Achim Falkenhausen einstudierte Chor des TfN bei, der erneut durch Klangausgewogenheit Eindruck machte.

Insgesamt war es ein Operettenabend, der gute Unterhaltung bot und damit einfach Spaß machte, was das begeisterte Publikum mit Szenenapplaus und starkem, lang anhaltendem Schlussbeifall für alle Mitwirkenden honorierte.

Fotos: © Jochen Quast

Gerhard Eckels 11. Dezember 2021

Nächste Vorstellungen: 18.,29.12.2021+25.1.2022 u.a.