Teatro Regio Aufführung am 19.10.14 (Premiere am 10.10.)
Schön düster
Die „Macht des Schicksals” gehörte immer schon zu Giuseppe Verdis am schwierigsten in Szene zu setzenden Werken, was also auch die Zeit betrifft, bevor man sich den Kopf darüber zerbrach, wie man eine Kriegsbegeisterung des 19. Jahrhunderts in die heutige Stimmungslage transportieren konnte. Die Schwierigkeiten lagen schon immer in der Verbindung der Haupthandlung mit den Volksszenen, in der Erstellung des grandiosen Affreskos, an das der Komponist bei diesem für St. Petersburg geschriebenem Werk gedacht hatte. In unserer Zeit kamen die erwähnten Bedenken gegen die Glorifizierung des Krieges hinzu.
Als für die gesamte Produktion (Regie, Bühnenbild, Kostüme, Choreographie und Beleuchtung) verantwortlich hatte Stefano Poda diese Arbeit vor drei Jahren für das Teatro Regio geschaffen und diesmal wieder überarbeitet. Da ich sie damals nicht gesehen habe, vermag ich Änderungen, von denen die Rede war, nicht Rechnung zu tragen. Jedenfalls wollte Poda die Grausamkeit und Unerbittlichkeit des Krieges darstellen, was er in dunklen Tableaus zum Ausdruck brachte. Sämtliche Kostüme waren schwarz gehalten (und bei den ersten Herren im Schenkenbild in Gehrock und Zylinder dachte ich an die übliche Verschiebung in die Entstehungszeit), aber die Sache wurde durchgehalten, ohne das Auge zu ermüden, wozu auch das in Stanniolfarben gehaltene Bühnenbild beitrug, das geschickt in die verschiedenen Szenen der Handlung verwandelt werden konnte. Einziger – heftiger – Farbtupfen war Preziosillas rote Kleidung, die in ihrer ganzen Anlage an den sozusagen teuflischen Gehalt ihrer Gesänge verwies, denn ein „Evviva la guerra, è bella la guerra“ kann heute einfach nicht mehr akzeptiert werden. Beeindruckend war vor allem das Kreuz, das wie eine aus dem Nichts geschnittene leere Form die Szene der „Vergine degli Angeli“ beherrschte. Die Balletteinlagen übertrugen anstatt folkloristischer Beiträge die Schrecken des Krieges in Körpersprache.
Musikalisch war das so schwer zu besetzende Werk mit einer Ausnahme eine Freude. Als Alvaro glänzte Roberto Aronica, der mit nie ermüdender Energie den unglücklichen Mulatten auf die Bühne stellte: Prachtvolle Spitzentöne, schönes Legato in der Mittellage, beteiligtes Spiel – nach Kunde in Valencia und Kaufmann in München eine dritte erstklassige Besetzung einer Rolle, die lang auf einen geeigneten Interpreten gewartet hat. Das gilt auch für Don Carlo, der in Luca Salsi einen Vertreter fand, der die schwierigen Stellen dieser klassischen Verdirolle für Bariton nicht fürchtete und seine Linien bruchlos sang; dazu gesellte sich eine eindrucksvolle Darstellung (und auch hier kann als weitere im Bunde auf Tézier in München und Piazzola in Valencia verwiesen werden). Damit die Bäume nicht in den Himmel wachsen, ist von Virginia Tola (Loenora) zu berichten, dass sie sie die Rolle gesanglich sicher gestaltete, aber dass ihre Stimme alles andere als angenehm klang. Für sie gab es am Schluss Buhrufe, eine übertriebene Reaktion, denn es hätte genügt, nicht zu applaudieren. Doch den weiteren Mitwirkenden gebührt jedes Lob: Michele Pertusi, der mit weich strömendem Bass den Padre Guardiano sang und bewies, wie man dieser Rolle auch ohne Riesenröhre wunderbar überzeugend beikommen kann. Absolut überzeugend war Chiara Amarù in der hier besonders schwierig zu interpetirenden Rolle der Preziosilla: Mit Leuchtkraft und sicherer Höhe gestaltet, passte sie sicher ihrer ins Dämonische verzerrten Rolle bestens an. Als mieselsüchtiger Eiferer Melitone gefiel Roberto De Candia mit tragendem Bariton und Verzicht auf komische Einlagen. Auch die Comprimari waren ausgezeichnet besetzt: Von Simon Lim hätte man gerne mehr gehört, als ihm die Rolle des Marchese di Calatrava zusteht, und Raffaella Lupinacci war eine volltönende Curra. Andrea Giovannini, Daniele Cusari und Gianluca Monti waren, vor allem angesichts der vollkommen ungestrichenen Fassung, erstklassige Besetzungen für Trabuco, Alcade und Chirurg.
Der Coro del Teatro Regio di Parma e rwies sich auch nach dem Abgang seines langjährigen Chefs Martino Faggiani als in der Einstudierung von Salvo Sgrò als absolut klang- und sattelfest. Jader Bignamini, wieder einer der – relativ jungen – Dirigenten, die in ihrer Heimat im italienischen Opernrepertoire nach oben streben (er war unter Ricardo Chailly Erste Klarinette im Mailänder Orchestra Verdi) legte ein absolut überzeugendes Dirigat vor, in dem die lang gezogenen Bögen der Wehmut ebenso wirksam erklangen wie die martialischen Beiträge der Chöre und Preziosillas.
Abgesehen von den Buhs für Tola Riesenjubel seitens des schwierigen Publikums von Parma.
Eva Pleus 27.10.2014
Bilder: Teatro Regio di Parma
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