Besuchte Aufführung: 15. 2. 2014 (Premiere: 25. 1. 2014)
Der Kampf des jungen Wagner um Anerkennung
Richard Wagner hat seine bereits 1834 in Würzburg entstandene, aber erst nach seinem Tod 1888 in München uraufgeführte erste Oper „Die Feen“ stets als Jugendsünde bezeichnet und aus dem Kanon der in Bayreuth zu spielenden Werke ausgeschlossen. Bis heute halten sich seine Nachfahren strikt an dieses Gebot und lassen die „Feen“ wie auch das „Liebesverbot“ und den „Rienzi“ nicht auf dem Grünen Hügel einziehen. Um die Berechtigung dieses Vorgehens geht es in Uwe Schwarz’ Inszenierung des Werkes am Theater Regensburg, für die Dorit Lievenbrück das Bühnenbild und die vielschichtigen Kostüme beisteuerte. Nachhaltig plädiert er für eine Aufnahme der „Feen“ in den Spielplan der Bayreuther Festspiele und taucht dabei tief in den Kosmos Wagner und Bayreuth ein, wobei er mehrere Handlungsebenen bemüht.
Charles Kim (Arindal/Wagner), Chor
In seinem Bestreben, Wagners Frühwerk zu rehabilitieren, verknüpft Schwarz die romantische, auf Carlo Gozzis Märchen „La donna serpente“ beruhende Handlung gekonnt mit der Bographie des Bayreuther Meisters. Die Legitimation dazu liefern ihm mannigfaltige, richtig erkannte Parallelen zwischen dem Schicksal des Protagonisten der Oper Arindal und Richard Wagner, die bei ihm ein und dieselbe Person darstellen. Insbesondere am Ende des Stückes, als der Prinz seine Frau Ada gleich Orpheus mit den Mitteln der Musik wieder zum Leben erweckt, wird deutlich, dass die Suche sowohl Wagners als auch Arindals nach künstlerischer Vollkommenheit den zentralen Aspekt in beider Leben bildet. Dieses Konzept geht voll auf. Und auch Schwarz’ Idee, Ada mit Mathilde Wesendonk, der Muse Wagners, zu identifizieren, ist in diesem Kontext gut nachzuvollziehen. Damit wird gleichzeitig die ständige Abhängigkeit des Meisters von Frauen, ohne die er nicht kreativ sein konnte, aufgezeigt und deren Notwendigkeit für sein Schaffen betont. Wenn am Ende dann gleichsam nicht der junge Wagner/Arindal die Frau erlöst, sondern gerade umgekehrt seine Muse ihm Rettung und Anerkennung bringt, ist das nur eine folgerichtige Konsequenz des Ansatzpunktes der Regie. Hier wird gleichzeitig auch ein überzeugender Bezug zu den späteren Musikdramen Wagners ab dem „Fliegenden Holländer“ hergestellt, in denen die Erlösung des Helden durch eine Frau ja eine ganz wesentliche Rolle spielt.
Michaela Schneider (Ada)
Zu Beginn, nachdem eine riesige Büste des Meisters ständig um die eigene Achse routierte, kommt es vor dem auf den Hintergrund projizierten Festspielhaus während der Jubiläums-Festspiele des vergangenen Jahres zu einem Treffen der Generationen. Während man per Videofilm so illustre Gäste wie Angela Merkel, Gido Westerwelle, Veronica Ferres und Thomas Gottschalk über den grünen Hügel flanieren sieht, begehrt Wagner mit der „Feen“-Partitur unter dem Arm Einlass, wird aber von seinen Urenkelinnen Katharina und Eva, deren Rollen die beiden Feen Farzana und Zemina übernehmen, abgewiesen. Er ist es noch nicht wert, in den eigenen Tempel, in dem man nur seinen zehn klassischen Werken huldigt, aufgenommen zu werden. Zuvor muss er sich beweisen und seine frühe Schaffensphase hinter sich lassen. Damit geben ihm die Schwestern die Chance, seine „Feen“ bei den Festspielen zu etablieren. Das ist der Inhalt der ihm auferlegten Prüfungen. Sie muss er bestehen, um Ruhm und Unsterblichkeit zu erlangen.
Vera Egorova (Farzana), Aurora Perry (Zemina), Charles Kim (Arindal/Wagner)
Wie in der Oper das Feen- und Arindals Königsreich aufeinanderprallen, so treffen auch in der Inszenierung von Uwe Schwarz zwei gegensätzliche Welten aufeinander. Als äußerer Rahmen dienen die projizierte Fassade des Festspielhauses, hier als Sinnbild einer erstarrten Tradition zu verstehen, und eine Probebühne, auf der der junge Wagner auf seinem Weg zur künstlerischen Bewährung in seine eigene Opernwelt eintaucht, wobei er auf etliche Familienangehörige, Freunde und Bekannte stößt. Dass die gegenwärtigen Festspielleiterinnen die bösen Feen, die im dritten Aufzug Wagners/Arindals Kampf gegen die bösen Geister als konventionelle Walküren mit Brustpanzer und Flügelhelm begleiten, und Mathilde Wesendonk die Ada symbolisieren, wurde bereits gesagt. Wolfgang Wagner gibt den die ganze Aufführung über das Geschehen vom Rand aus beobachtenden Inspizienten, der am Ende schnell noch in die Rollen des Zauberers Groma und des Feenkönigs schlüpft. Gernot erscheint als Ludwig II und Gunther ist Friedrich Nietzsche nachempfunden. Morald trägt die Maske Bismarcks, während seine Verlobte Lola als Julia Timoschenko Wagner bei der Dresdener Mairevolution von 1848 zur Seite steht. Das Auftreten von letzterer, die mit Wagner gar nichts an ihrem Haarkranz hat, ist in diesem Kontext ungewöhnlich, soll aber wohl ein eindringliches Plädoyer des Regisseurs an die Adresse der ukrainischen Regierung darstellen, die arg gebeutelte Timoschenko endlich freizulassen und ihr die Ausreise zu gestatten. Am Ende gelangt der junge Wagner nicht nur zu künstlerischer Unsterblichkeit, sondern auch in die Herzen seiner Nachkommen. Ob die „Feen“ nun in Bayreuth aufgeführt werden dürfen, bleibt offen. Eher aber nicht. Zu den Schlusstakten vereinen sich alle angehörigen des Wagner-Clans zum gemeinsamen Familienphoto.
Michaela Schneider (Ada), Charles Kim (Arindal/Wagner)
Gespielt wurde in Regensburg eine gekürzte Fassung. Das Ganze ging in ca drei Stunden einschließlich Pause über die Bühne. Nicht immer waren die vorgenommenen Striche geglückt. Nicht weiter schlimm erschien beispielsweise das Weglassen des Buffoduetts zwischen Gernot und Drolla oder das rezitativartige Gespräch zwischen Gernot, Gunther und Morald zu Beginn des ersten Aufzuges. Verfehlt war es indes, Gernots Erzählung von der Hexe Dilnovaz dem Rotstift zum Opfer fallen zu lassen. Nicht nur, dass diese Nummer für die Handlung dramaturgisch von großer Wichtigkeit ist, sie enthält darüber hinaus mit dem Dilnovaz-Thema auch das erste Leitmotiv, das Wagner je geschrieben hat. Und durch die Streichung der Szene zwischen Arindal und den Intrigantinnen Farzana und Zemina im dritten Aufzug wird zudem nicht klar ersichtlich, aus welchem Antrieb der König in das Feenreich eindringt. Dennoch ist der Regensburger Fassung eine gelungene dramatische Geschlossenheit zu bescheinigen, die auch durch Arne Willimcziks famoses Dirigat zum Ausdruck kam. Er dirigierte das Werk mit Feuer und Stringenz, wobei er stets darauf bedacht war, die vielfältigen Einflüsse anderer Komponisten, so Weber und Marschner, herauszustellen. Stärker als es bei anderen Dirigenten des Werkes der Fall ist, betonte er auch stark die Einflüsse von Wagners Erzfeind Meyerbeer. Das Philharmonische Orchester Regensburg war ihm ein zuverlässiger Partner und setzte seine Intentionen versiert und intensiv um.
Victorija Kaminskaite (Lora), Vera Semieniuk (Drolla), Jongmin Yoon (Gernot)
Fast durchweg zufrieden sein konnte man auch mit den Sängern. Charles Kim machte bereits äußerlich als Arindal/Wagner eine gute Figur. Er spielte ihn mit großer Energie und vermochte auch stimmlich mit seinem kräftigen Tenor gut zu gefallen. Übertroffen wurde er von Michaela Schneider, die in der Rolle der Ada eine echte Glanzleistung erbrachte. Sie ging sowohl stimmlich wie auch darstellerisch voll in ihrer anspruchsvollen Rolle auf, der sie vielfältige Facetten abzugewinnen wusste. Angesichts ihres hervorragend focussierten, höhensicheren und tiefgründig geführten Soprans drängt sich die Vermutung auf, dass hier eine gute Vertreterin für das jugendlich-dramatische Fach nachwächst, von der man sicher noch viel hören wird. Ebenfalls einen guten Eindruck hinterließ Victorija Kaminskaite, die mit trefflich verankertem Sopran die Lora sang. Auch von ihrem beherzten Spiel her war die junge Sängerin recht überzeugend. Mit sonorem, bestens sitzendem und ausdrucksstarkem Bass sang Jongmin Yoon einen ausgezeichneten Gernot. Insgesamt solides Baritonmaterial brachte Adam Kruzel für den Morald mit. In der Höhe war aber auch mal ein kleiner Abstrich zu machen. Etwas profunder hätte Mario Klein als Zauberer Goma und Feenkönig klingen können. Die beiden Feen Farzana und Zemina wurden solide von Vera Egorova und Aurora Perry gesungen, deren Stimmen gut miteinander harmonierten. Ziemlich dünn und gänzlich ohne ein ansprechendes appoggiare la voce gab Cameron Becker den Gunther und den Boten. Ordentlich schnitten der Harald von Seymur Karomov und Vera Semieniuks Drolla ab. Alistair Lilley hatte die Einstudierung des trefflich singenden Chors übernommen.
Ludwig Steinbach, 18. 2. 2014
Die Bilder stammen von Martin Sigmund.