Vorstellung am 19.5.2016
Abschiedsvorstellung von Kirill Kourlaev
Mit dem Ende der Spielzeit 2015/16 beendet 1. Solotänzer Kirill Kourlaev seine Karriere an der Wiener Staatsoper – als letzte Hauptrolle war er nochmals als Kronprinz Rudolf an der Wiener Staatsoper zu erleben. Ein würdiger Abschied für den charismatischen Tänzer, der 16 Jahre lang zahlreiche Vorstellungen des Wiener Staatsballetts durch seine Ausdruckskraft und präzise Technik bereichert hat.
Beim jubelnden Schlussapplaus erhielt Kourlaev von Ballettdirektor Manuel Legris persönlich einen prächtigen Blumenstrauss überreicht, und von 1. Solotänzerin Olga Esina (Kourlaevs Ehefrau) gab es vor dem Vorhang Blumen und ein liebevolles Bussi. Nun, ein Wermutstropfen bleibt bei all dem frenetischen Jubel: Warum hört ein derart guter Tänzer mit gerade einmal 34 Jahren auf? Kourlaev hat sich die Entscheidung reiflich überlegt und möchte lieber jetzt aufhören, wo es am Schönsten ist, anstatt das Ende der Karriere unnötig herauszögern. Ballett ist nunmal Extremsport und eine enorme Belastung des Körpers – das ist man sich als Zuschauer oftmals nicht bewusst, weil gerade die Kunst darin besteht, dass alles so „leicht“ aussieht. Dies glückt Kourlaev auch bestens, gerade in einer Rolle wie Rudolf, wo er quasi nonstop zu tanzen hat, und dazu noch einen Pas de deux nach dem anderen mit wechselnden Partnerinnen. Als Partner ist Kourlaev für alle sechs Damen sehr sicher und versiert, die akrobatischen Hebefiguren geschehen bei ihm mit einer Lässigkeit, aber ebenso glaubwürdig übermittelt er apathische, brutale, gierige und dann wieder trotzige Momente. Besonders gut harmoniert er allerdings mit Ketevan Papava, welche als Gräfin Larisch eine Luxusbesetzung ist und in dieser Vorstellung von ihrer ohnehin schon sensationellen Darbietung nochmal ein „Schäuferl nachlegt“, und für zahlreiche Gänsehautmomente garantiert. Nina Polakova ist im 2. Akt in erster Linie eine technisch extrem gute, lieblich lächelnde Mary Vetsera, die grossen Gefühle brechen jedoch erst im 3. Akt aus ihr heraus.
Eine jugendliche Kaiserin, die mit jedem Akt energischer wird, gibt Iliana Chivarova mit einer feinen Technik, ebenso glänzen Eszter Ledan als verschüchterte Kronprinzessin Stephanie und Prisca Zeisel als verführerische Mizzi Casper mit einer Eleganz, die an Darcey Bussell erinnert. Die heiteren Soli des Kutschers Bratfisch tanzt Mihail Sosnovschi mit einer charmanten, starken Energie, gekonnt vereint mit dem Wissen um das Drama.
Bestens besetzt sind neben den vier Offizieren (Masayu Kimoto, Marcin Dempc, Alexis Forabosco und Alexandru Tcacenco) auch die statistischen Nebenrollen (Eduard Graf Taafe: Gabor Oberegger, Erzherzogin Sophie: Beata Wiedner, Kaiser Franz Joseph I.: Thomas Mayerhofer und Graf Larisch: Jaimy van Overeem), die regelmässig das Drama gemeinsam mit dem gut eingespielten Corps de Ballet durch kurze, aber starke Momente mittragen. Apropos: ein sängerisches Highlight gab es im 2. Akt von Aura Twarowska, welche kultiviert Klangschönheit mit Wortdeutlichkeit vereint.
Unter der Leitung von Fayçal Karoui spielte das Orchester der Wiener Staatsoper pompös und facettenreich – eine deutliche Steigerung zur Wiederaufnahme!
Der in Moskau geborene Startänzer erhielt seine Ausbildung an der Klassischen Ballettschule in Moskau, am Ballettkonservatorium St. Pölten, sowie an der Ballettschule der Wiener Staatsoper. 2001 wurde er Mitglied des Wiener Staatsopernballetts, 2004 wurde er zum Halbsolisten befördert. 2009 ernannte Gyula Harangozo (damaliger Direktor des Balletts der Wiener Staatsoper und Volksoper) ihn anlässlich seiner hervorragenden Leistung als „Johann“ in Roland Petits „Die Fledermaus“ zum Solotänzer, 2012 folgte die Beförderung zum Ersten Solotänzer des Wiener Staatsballetts durch Ballettdirektor Manuel Legris, für seine herausragende Interpretation des Frédéri in „L’Arlesienne“ – ebenfalls ein Ballett von Roland Petit. An der Wiener Staatsoper und Volksoper war er in vielen Hauptpartien („La Sylphide“, „Coppélia“, „Die Fledermaus“, „Anna Karenina“, „Carmen“, „Ein Sommernachtstraum“, „Blaubarts Geheimnis“, „Le Concours“, „Giselle Rouge“, „Mayerling“, um nur einige wenige zu nennen) zu erleben und er gab zahlreiche internationale Gastspiele.
Katharina Gebauer 20.5.16
Bilder (c) Staatsballett
Letzte Vorstellungen mit Kirill Kourlaev: 5. Juni (Espada in „Don Quixote), 17. Juni (Adagio Hammerklavier), sowie 26. Juni (Nurejew Gala)