Premiere: 9. Januar 2022
Wer die Wuppertaler Premiere von „Die Piraten von Penzance“ besuchen wollte, musste hohe Corona-Auflagen erfüllen: Eine vollständige Impfung und ein tagesaktueller Negativ-Test reichen hier nicht aus, man muss auch noch geboostert sein. Die weiteren Sicherheitsmaßnahmen sind bekannt: Die Platzierung des Publikums im Schachbrettmuster sowie Maskenpflicht auch während der Vorstellung. – Als Lohn für all die Mühen bekommt man gute Unterhaltung geboten.
Die englischen Operetten des Erfolgsduos William Gilbert und Arthur Sullivan fristen in Deutschland eher ein Schattendasein, dabei ist die Musik schwungvoll, pfiffig und abwechslungsreich. Die Geschichten sind abgedreht bis absurd. In „Die Piraten“ musste Waisenkind Frederic eine Freibeuter-Ausbildung absolvieren, weil sein Kindermädchen die „Piraten“ mit den „Privaten“ verwechselte. Die Gruppe um den Piratenkönig gehört aber zu den mildtätigen Seelen, werden Waisenkinder doch grundsätzlich verschont, weshalb sich alle ihre Opfer als solche ausgeben. Für weitere Verwirrung sorgt, dass Frederics Ausbildung bis zu seinem 21. Geburtstag dauern soll, er aber an einem 29. Februar geboren wurde.
Die Wuppertaler Oper übernimmt hier eine Produktion der Musikalischen Komödie Leipzig, die dort im Oktober 2016 Premiere hatte und von Cursch Jung inszeniert wurde. Der hat das Gespür für das richtige Tempo und den Witz dieses Stückes. Ausstatterin Beate Zoff hat ein großes drehbares Zifferblatt einer Sonnenuhr als Spielfläche entworfen, die sowohl Strand als auch Friedhof sein kann. Ihre Kostüme haben nostalgisches britisches Flair und bedienen opulent die Klischees von Piraten und Seebadmode.
Dirigent Johannes Witt entlockt der Musik viel Schwung, zeigt am Pult des Sinfonieorchesters Wuppertal aber auch, wie viel vielseitig Arthur Sullivan komponiert hat, der auch den Stil der großen Oper oder feierliche Kirchenmusik beherrscht. In seiner Musik steckt zudem viel Ironie.
Großes Lob verdient die Tatsache, dass das Ensemble, das hier durchweg aus Opernsängern besteht, nie in Stimmprotzereien verfällt, sondern durchweg auf eine maximale Textverständlichkeit abzielt. Unterstützung bekommt das Ensemble von der Tonabteilung, denn alle Akteure sind dezent per Mikroport verstärkt. Die Tontechnik gibt immer nur so viel Verstärkung dazu, dass man im Idealfall jedes Wort versteht.
Als Liebespaar Mabel und Frederic glänzen Ralitsa Ralinova und Sangmin Jeon. Beide können nicht verleugnen, dass sie im Hauptberuf auf der Opernbühne stehen, zeigen sich aber auch als spielfreudige Akteure, die zu ihren schön gefärbten Stimmen über darstellerischen Witz verfügen und wissen was sie singen. Als kauzige und klischeehafte Typen werden die anderen Figuren gezeigt: Sebastian Campione ist ein rauschbärtiger Piratenkönig, bei dem man jedes Wort versteht. Rasant singt sich Simon Stricker durch die Tongirlanden des Major General Stanley. Mit leichter Stimme singt Joslyn Rechter das Kindermädchen Ruth.
Sehr komödiantisch gelingt der Auftritt von Yisae Choi als Polizeisergeant, der tänzerische Unterstützung vom Extraballett erhält. Janet Calvert hat der flotten Bobby-Truppe eine tolle Choreografie auf den Leib geschneidert und auch die Chöre überzeugen nicht nur mit stimmlichen Einsatz, sondern auch ihrem synchronen Bewegungen in den turbulenten Tanznummern.
Schön, dass diese Produktion, die eigentlich für den Dezember 2020 geplant war, nun endlich in Wuppertal zu sehen ist. Bis Juni 2022 befinden sich „Die Piraten“ im Repertoire der Wuppertaler Bühnen.
Rudolf Hermes, 14.1.2022
Fotos: © Jens Großmann