Premiere 24.11.2012 – Kooperation mit dem Theater Magdeburg
Leonard Bernsteins Musical, das die tragische Liebesgeschichte von Romeo und Julia in die unromantische Gegend der New Yorker West Side verlegt und mit immer noch gültiger Kritik an gesellschaftlichen Missständen eine hohe Aktualität besitzt. Ein im besten Sinne zeitloses Werk, welches 1957 in New York seine Uraufführung erlebte. Die Verfilmung der WEST SIDE STORY wurde zu einem internationalen Erfolg und erhielt u.a. 10 Oscars und gilt als einer der bedeutendsten Musicalfilme aller Zeiten. Am vergangenen Samstag hatte das Musical im restlos ausverkauften Opernhaus Dortmund Premiere. Und es wurde, das darf vorweg genommen werden, ein großer Erfolg für alle
Gil Mehmert, einer der erfahrensten Musicalregisseure derzeit, hat mit der WEST SIDE STORY erneut in Dortmund einen wahren Klassiker dieser Genre auf die Bühne gezaubert. Im Bühnenbild von Jens Kilian, das einen etwas schäbigen Hinterhof in der New Yorker West Side darstellt, liess Mehmert die Geschichte um die verfeindeten Jugendgangs „Jets“ und „Sharks“ äußerst spannungsgeladen und mitreißend spielen. In aufwendigen, punktgenauen und einfallsreichen Choreografien (Jonathan Huor) begeisterte das Ensemble das Publikum. Alle Songs und Ensemblestücke wurden erfreulicherweise in der englischen Originalsprache gesungen, ansonsten wurde die Deutsche Textfassung gespielt. Für die Kostüme war Falk Bauer verantwortlich, der den lässigen und jugendhaften Stil der damaligen Zeit sehr authentisch umzusetzen wusste.
Die Bühne, einerseits ein freies Feld zwischen zwei heruntergekommenen, typischen New Yorker Mietshäusern mit den obligatorischen Feuerleitern, andererseits auch Platz für die weiteren Handlungsplätze dieses Musical. Ein drehbares Mittelstück stellte den Brautladen da, in dem Maria und Anita arbeiteten, dann aber auch die Tankstelle und den Shop von Doc.
Außerdem verfügt dieses Bühnenelement auch über ein Dach, welches als Freizeitplatz der Jugendlichen dient. Und um allem, in allem und auf allem wurde getanzt, performt und gesungen. Gil Mehmert liess nicht eine Sekunde Langeweile aufkommen, wusste immer die gesamte Bühne zu nutzen und sie an verschiedenen Bühnenstandpunkten mit Leben zu füllen. Eine insgesamt sehr schmissige, temperament-, aber auch stimmungsvolle Atmosphäre macht diese sehenswerte Dortmunder WEST SIDE STORY-Inszenierung aus. Und dabei konnte sich die Regie auf ein äußerst spielfreudiges und gesangsstarkes Ensemble stützen.
Anton Zetterholm sang und spielte den Tony. Er verlieh dieser Partie viel Gefühl und eine Menge jungenhaften Charme und konnte dadurch dem Publikum vermitteln, warum sich Marias Herz gerade für ihn entschieden hatte. Gesanglich lieferte der junge schwedische Musicalstar eine Glanzleistung ab. Sein „Maria, Maria, Maria“ sang er äußerst gefühlvoll, sehr sicher und mit einer bemerkenswerten Höhe. So hört man es live gesungen sicher nicht oft. Eine tolle Gesamtleistung, die Zetterholm an diesem Premierenabend dem Premierenpublikum bot. Keine Frage, dass er am Ende mit Ovationen überschüttet wurde.
Mit Iréna Flury stand ihm eine ebenbürtige Maria zur Seite. Auch sie wurde von Leonard Bernstein mit sehr anspruchsvollen Gesangsstücken bedacht. Die Rolle der Maria schwankt immer zwischen Naivität, Verliebtsein, Freude und Ängsten. Dieses Spannungsfeld stellte Iréna Flury gesanglich und darstellerisch auf bewundernswerte Weise dar.
Die Anita, bekannt als Figur die eines der populärsten Songs des gesamten Musicals zu singen hat – Amerika! –, sang und spielte Dorina Garuci auf absolut internationalem Top-Niveau. Hier gibt es eigentlich nur Lob für eine Interpretation die unter die Haut ging. Gesanglich und auch darstellerisch. Natürlich war Dorina Garuci absolute Klasse in der großen AMERIKA!-Szene, konnte aber auch schauspielerisch sehr überzeugen als vergewaltigte Anita, die selbst nach diesem Erleben ihren Stolz nicht verliert.
Ein großes Ensemble mit vielen wunderbaren Tänzern, Tänzerinnen und Gesangskünstlern, die eigentlich alle namentlich erwähnt gehörten. Aber das würde den Rahmen einer Rezension dann doch sprengen.
Und deswegen möchte ich an dieser Stelle stellvertretend zwei Künstler des Abends nennen, die mir ganz besonders aufgefallen waren: Zum einen Esther Conter in der Rolle der Anybody. Jenem Mädchen, welches seine wahre Identität noch sucht und zwischen dem Jungen und dem Mädchen in ihr gefühlsmäßig pendelt. Ihre gesangliche Darbietung des Songs „Somewhere-there’s a place for us“ war in jeder Hinsicht großartig. Gänsehaut pur! Bravo!
Und dann war da noch Pascal Cremer in der Rolle des Action von der Jets-Gang! Was für ein großartiger Musicalkünstler! Gesanglich top und tänzerisch von ganz besonderer Güte. Keine Frage, dass auch er eine Leistung ablieferte, die auf jeder anderen internationalen Bühne ebenfalls gefeiert würde.
Die musikalischen Fäden des Abends hielt Philipp Armbruster mal wieder gekonnt in seinen Händen. Er lies die bestens auf- und eingestellten Dortmunder Philharmoniker einen Bernstein vom Feinsten spielen und wurde völlig verdient vom Premierenpublikum dafür gefeiert.
Ein mitreißender Musicalabend! Was für ein Erfolg! Jubel und Standing Ovation für alle Beteiligten.
© Anke Sundermeier, Stage Picture
Detlef Obens 26.11.2018