am 25. August 2018
mit Henze und Wagner
Gestern Vormittag gab es im Großen Festspielhaus das letzte Konzert der Wiener Philharmoniker bei den diesjährigen Salzburger Festspielen. Dirigent Franz Welser-Möst hatte mit dem Orchester ein ebenso interessantes wie anspruchsvolles Programm ausgewählt. Zunächst gab es von Hans Werner Henze die „Préludes für Klavier, Tonbänder und Orchester“ zu Richard Wagners Musikdrama „Tristan und Isolde“. Nach der Pause hörte man dann Wagner aus „erster Hand“, was ich sowohl im Sinne der Komposition als auch der Interpretation verstehe, nämlich einen Querschnitt über die Orchesterstücke der „Götterdämmerung“ aus der Tetralogie „Der Ring des Nibelungen“ mit einem Orchester, dem der „Ring“ gewissermaßen auf den Leib geschrieben ist, zumal unter Franz Welser-Möst.
Der Maestro trat zu Beginn des Konzertes vor das Publikum und erläuterte auf Deutsch und sehr gutem Englisch detailliert die Hintergründe zu Henzes Tondichtung, die es dem Zuhörer dann in der Tat leichter machten, die Komplexität dieser „Tristan“-Paraphrase zu verstehen und mitzuerleben. Henze erinnert sich, dass er im Frühjahr 1972 in wenigen Stunden ein ausgedehntes Klavierstück komponierte, welches sich auf Wagners „Tristan“-Musik bezog. Das sechssätzige Stück beginnt mit einem „Prologue“, vor allem am Klavier, und geht dann in ein „Lament“ über, das intensiv an die schrecklichen Erlebnisse erinnert, die Henze in seiner somit verlorenen Jugend unter dem Nationalsozialismus erleiden musste – zumal sein Vater sich diesem verschrieben hatte und die Homosexualität des Sohnes mit dem Hinweis auf das KZ quittierte (Walter Weidringer im Programmheft). In diesem Stück versucht Henze, all das zu verarbeiten und findet dabei zu bisweilen äußerst eindringlichen und auch dramatischen Tongemälden, die weit mehr als seine „The Bassarids“, auch während dieser Festspiele aufgeführt (Bericht unter „Oper“), in die Atonalität gehen. Tonbadeinspielungen in die prominente Rolle des Klaviers sind spezielle Elemente dieser Paraphrase und der Pianist Igor Levit wurde den musikalischen Anforderungen seines Soloparts am Flügel in bestechender Weise gerecht. Immer wieder hört man die „Tristan“-Musik und Elemente aus „Schmerzen“ der Wesendonck-Lieder durch, vor allem in den folgenden Sätzen „Preludes and Variations“, Tristan’s Folly“, Adagio“ und „Epilogue“. Riesenapplaus des Publikums trotz der ungewohnten Töne!
Nach der Pause dann ein „Parforce-Ritt“ durch die orchstralen „Leckerbissen“ der „Götterdämmerung“, der als solcher natürlich immer fragwürdig ist, da Wagner erstens gerade mit dem „Ring“ sein Konzept vom Gesamtkunstwerk realisiert sah und somit auch nicht gerade der Komponist ist, der mit extracts konzertant aufzuführen ist und das wohl auch gar nicht wollte. Aber man kann an diesen musikalischen Kostbarkeiten einfach nicht vorbei gehen, wenn die Zeit nicht reicht, eine „Götterdämmerung“ mit über viereinhalb Stunden reiner Spieldauer konzertant aufzuführen, natürlich auch mit Sängern. Denn dann würde sich der Gehalt und die Sinnhaftigkeit der „Morgendämmerung“ und von „Siegfrieds Rheinfahrt“ im Vorspiel, sowie von „Siegfrieds Tod und Trauermarsch“ und der Schlussszene im 3. Aufzug viel nachhaltiger erschließen als es in etwa 40 Minuten mit diesen Auszügen möglich ist. Die außergewöhnliche Qualität der Wiener Philharmoniker unter der Stabführung von Franz Welser-Möst machte aber auch diesen Teil des Konzerts zu einem unvergesslichen Erlebnis, insbesondere für Freunde der Musik Richard Wagners. Hier stimmte musikalisch einfach alles, Prägnanz, Dynamik, Dramatik und Glanz auf der einen Seite, aber auch gefühlvolles Herantasten an musikalische Höhepunkte, wie beispielsweise mit der Brünnhilde-Motivik in der „Morgendämmerung“, gelangen höchst eindrucksvoll. Diesmal gab es sogar einen kurzen Bravosturm für Dirigent und Orchester – ein großartiger Vormittag zur Einstimmung in einen der letzten Tage dieser vor allem auf musikalischem Gebiet sehr gelungenen Salzburger Festspiele 2018.
Fotos: Salzburger Festspiele / Marco Borrelli
Klaus Billand, 29.8.2018