Premiere: 13.09.2019, besuchte Vorstellung im Urania-Theater am 28.09.2019
Watson, ich kombiniere
Nachdem die Urfassung dieses Sherlock-Musicals bereits vor einiger Zeit im Kölner Urania Theater stattfand, fand in diesem Monat an gleicher Stelle die Premiere der überarbeiteten Version statt. Zusammen mit dem BBC-Autor Alan Wilkinson schuf Bettina Montazem, Intendantin dieser kleinen aber durchaus sehr charmanten Bühne mitten in Köln-Ehrenfeld eine Geschichte, die den vielleicht bekanntesten Privatdetektiv der Welt vor große Herausforderungen stellt. Seine großen Fälle liegen lange zurück, was Sherlock in eine tiefe Krise stürzt. Die Mischung aus Einsamkeit, Drogenkonsum und Selbstmitleid scheint böse Folgen zu haben, worauf ihn auch sein langjähriger Freund Dr. Watson immer wieder hinweist. Ablenkung muss her, doch die derzeit eingehenden Aufträge, scheinen nicht gerade dazu geeignet zu sein, ihn aus dieser Krise zu befreien. Die Suche nach einer entlaufenen siamesischen Katze ist ebenso unbefriedigend wie die Aussicht, einen achtjährigen Jungen als Assistenten auszubilden, der gerne Privatdetektiv werden möchte. Da kommt die Entführung eines französischen Wissenschaftlers gerade recht, der in den Wirren des 1. Weltkrieges eine Waffe entwickelt hat, an deren Pläne die Geheimdienste diverser Länder natürlich großes Interesse haben. Auch der deutsche Geheimdienst entsendet Peter Müller nach London um sich Sherlock als Assistent anzuschließen, ihm nach getaner Arbeit die Dokumente abzunehmen und ihn schlussendlich zu erschießen. Dass sich Peter in die Tochter von Dr. Watson verliebt, macht diesen Auftrag nicht einfacher, doch es gibt noch ein viel größeres Geheimnis, welches ihn mit dem britischen Meisterdetektiv verbindet.
Zugegeben, viele private Verwicklungen scheinen recht unrealistisch und ganz im Stile der großen Romanvorlagen erscheinen einige von Sherlocks Kombinationen auf den ersten Blick wie Hexerei, dennoch wird die Geschichte in gut zwei Stunden unterhaltsam auf die Bühne gebracht. Der Komponist Vladislav Bakhanov schuf dazu ein durchaus atmosphärisches Werk, welches zur jeweiligen Stimmung des Stückes gut passt. Von der fröhlichen Gartenparty zu Beginn als großes Ensemble-Stück bis hin zu Sherlocks tief-emotionale Erinnerungen an seine verstorbene Liebe ist die Bandbreite sehr groß, besonders gefallen können aber die atmosphärischen Zwischenspiele, die in Kombination mit den Choreografien der Delattre Dance Company bleibenden Eindruck hinterlassen. Die sechs Tänzer und Tänzerinnen in ihren meist komplett schwarzen Anzügen tanzen wirklich hervorragend, allein hierfür lohnt sich ein Besuch des Musicals. Außerdem werden sie geschickt für die Bühnenumbauten eingesetzt, eine gute Idee der Regie. Die musikalische Leitung des Abends liegt bei Erik Arndt, der den Darstellern den richtigen Einsatz angibt, da die Musik in der besuchten Vorstellung entgegen der Angabe auf der Homepage offenbar vom Band eingespielt wird.
Richard Bargel spielt die zerrissene Rolle des Sherlock Holmes eindringlich und überzeugend. Ganz hervorragend auch Claus Wilcke als Watson, der vor kurzem seinen 80. Geburtstag feiern durfte und sich hier einmal mehr als ganz großer Schauspieler präsentieren kann. Besonders schön und nah an den bekannten Vorlagen ist beispielsweise ein langes Gespräch zwischen den beiden Protagonisten, in dem Watson seinen langjährigen Freund mit sichtlicher Freude dessen Fehler vor Augen führt, dabei aber immer die Freundschaft an erste Stelle stellt. Als Mata Hari konnte die bekannte Sängerin Anna Maria Kaufmann verpflichtet werde, die vor allem mit ihrem großen Solo im zweiten Akt gefallen kann. Vom weiteren Ensemble lagen leider keine Besetzungsinformationen vor, da es kein Programmheft gibt und auch der Pressebereich sich hier auf die Hauptdarsteller konzentriert. Die Leistungen hier waren recht unterschiedlich, insbesondere die drei Darstellerinnen von Watsons Tochter, Sherlocks Jugendliebe und der Haushälterin Mrs. Hudson können hierbei überzeugen.
Punkten kann die Produktion auch durch die räumliche Nähe zu den Darstellern und Tänzern, wodurch eine ganz besondere Atmosphäre entstehen kann. Auch wenn es im Stück vielleicht noch den ein oder anderen kleineren Mangel geben mag, liefern solche Produktionen der verschiedenen Off-Bühnen doch immer wieder einen wichtigen Beitrag zur hiesigen Theaterlandschaft. Das Sherlock Musical bringt zwar nun nicht unbedingt den Broadway nach Ehrenfeld, wie die Werbung verlauten lässt, dennoch verschafft es dem Besucher aber durchaus einen sehr unterhaltsamen Theaterabend und das ist ja auch etwas Schönes. Vorstellungen im Urania Theater finden noch bis zum 27. November statt, zudem geht das Musical derzeit auf Tour, die einzelnen Spieltermine sind der Homepage zu entnehmen: https://dassherlockmusical.de/
Markus Lamers, 29.09.2019
Bilder: © Kay Uwe Fischer