Premiere: 25.November 2017, besuchte Vorstellung: 2. Dezember 2017
Einen hochkarätigen Ballett-Mix bietet das Programm „Old, New, Borrowed, Blue“, das jetzt an Bridget Breiners Gelsenkirchener „Ballett im Revier“ herauskam. Leider kommt die Musik nur aus der Konserve, doch auf der Bühne ist ein starker Tanzabend zu erleben.
David Dawsons „A Sweet Spell Of Oblivion“ zu Präludien aus Bachs „Wohltemperierten Klavier“ kam hier schon 2016 heraus, ist also das alte Stück. Ganz aus dem Geist der Musik heraus entwickelt Dawson für das siebenköpfige Ensemble eine Fülle von Szenen in wechselnden Besetzungen. Sanft und leicht gleiten die die Tänzerinnen und Tänzer in geschmeidigen Bewegungen dahin.
In gewisser Weise ist dieser Abend auch eine Hommage an das Stuttgarter Ballett, denn in der Biographie der drei weiteren Choreografen des Abends spielt Stuttgart eine wichtige Rolle: Uwe Scholz wurde an der John-Cranko-Schule ausgebildet, Bridget Breiner und Jyri Kilian waren als Tänzer in Stuttgart engagiert und entwickelten dort ebenso wie Scholz ihre ersten Choreografien.
Zu Lebzeiten wurde der 2004 im Alter von 45 Jahren verstorbene Uwe Scholz gerne mit George Balanchine verglichen und brachte über 100 eigene Ballette heraus. Heute haben Aufführungen seiner Werke aber Seltenheitswert, so dass man gespannt auf die Wiederbegegnung mit einer Scholz-Choreografie war. Gezeigt wird in Gelsenkirchen ein Ausschnitt aus „Jeunehomme – Klavierkonzert“, einem Stück das 1986 in der Ausstattung von Karl Lagerfeld in Monte Carlo herauskam.
In Gelsenkirchen ist der 2. Satz in einer späteren Fassung zu sehen, zu der Scholz selbst die Ausstattung entwarf. Die strenge Eleganz und die hohe Musikalität dieses Pas de deux begeistern. Lucia Solari und Carlos Contreras tanzen mit großer Perfektion. Wunderbar wie Scholz hier die Solistin in den Mittelpunkt stellt und ihr Werben um den Mann, die Momente der Annäherung, des Festhaltens und wieder Ausbrechens in Tanz umsetzt. Da kann man als Zuschauer nur den Kopf schütteln, dass das Werk von Uwe Scholz nicht genauso in das Repertoire der großen Compagnien eingegangen ist wie das von Balanchine.
Ist die Scholz-Choreografie das neue Stück für die Gelsenkirchener Compagnie, so ist „In Honour Of“ von Ballettchefin Bridget Breiner das geborgte Werk, denn es wurde 2014 für das lettische Nationalballett in Riga geschaffen. Breiner hat ein faszinierendes Spiel von zwei Tänzern und einer Tänzerin mit einem fahr- und drehbaren Scheinwerfer entworfen. Im Fokus der Männer und der Beleuchtung steht besonders Francesca Berruto in der starken weiblichen Hauptrolle.
Als buntes Finale gibt es „Indigo Rose“ von Jyri Kylian. Kaum zu glauben, dass der tschechische Choreograf dieses Stück aus dem Jahr 1998 im reifen Alter von 51 Jahren kreierte. Die neunköpfige Compagnie tollt hier so sportiv-verspielt über die Bühne, dass man dieses Werk eher für den Geniestreich eines Jungchoreografen halten könnte. Höchst originell ist auch der Umgang mit dem Bühnenraum, der anfangs nur durch einen diagonal gespannten Draht definiert wird, an dem schließlich ein Vorhang hereingezogen wird, hinter dem Kylian Schattenspiele entwickelt.
Ballettchefin Bridget Breiner hat hier einen tollen Tanzabend mit vier tollen Choreografien zusammengestellt: Ein sehr sehenswerter Abend.
Bilder (c) MiR