Gelsenkirchen: „Mathis der Maler“, Paul Hindemith

Premiere: 28. Oktober 2017

Man kann es kaum glauben, aber die Gelsenkirchener Neuinszenierung ist seit 37 Jahren die erste Produktion von Hindemiths Opus Magnum im Bundesland mit der dichtesten Opernlandschaft. Zuletzt war „Mathis der Maler“ in NRW im Jahr 1980 an der Deutschen Oper am Rhein in Düsseldorf zu sehen.

In seiner dreistündigen Oper thematisiert Hindemith die Verantwortung des Künstlers in bewegten politischen Zeiten und führt dies am Bespiel des Renaissance-Malers Matthias Grünewald, der den in Colmar befindlichen Isenheimer Altar geschaffen hat, vor Augen. Während der Reformation und der Bauernkriege gerät Mathis immer wieder zwischen die Fronten, versucht zu vermitteln und zu helfen.

Obwohl historisch klar verortet, lässt Kostümbildnerin Renée Listerdal die Figuren in moderner Kleidung auftreten, was aber nicht weiter stört. Ausstatterin Heike Scheele hat große verschiebbare Betonwände entworfen, aus denen sich immer neue Räume bilden lassen. Die geschlossenen Rundbögen erinnern an Kirchen- oder Klosterräume.

Ebenso wie die Ausstattung stellt sich die Regie von Intendant Michael Schulz in dem Dienst des Stückes, schließlich gilt es hier vor allem, dem Publikum die Geschichte verständlich zu erzählen. An verschiedenen Stellen setzt Schulz besondere Akzente. Die reiche Bürgerstochter Ursula, die später dem Bischof Albrecht verheiratet werden soll, ist Mathis´ Muse, Model und Geliebte. In den Kämpfen des Bauernkrieges zeigt Schulz, dass die überlegene Seite ihren Triumph meist in Sadismus an den Unterlegenen auslebt.

So wird Mathis auch von den kaiserlichen Truppen des Augenlichtes beraubt. Eine starke Metapher ist es, dass Mathis durch die Vision „Die Versuchung des heiligen Antonius“, in der er sich mit seinem Handeln auseinandersetzt, wieder sehend wird. Im Gegensatz zu anderen Mathis-Inszenierungen verzichten Schulz und sein Team auf alle Bildanspielungen auf den Isenheimer Altar. Dass dieser Mathis dann aber mit Kunststilen des 20. und 21. Jahrhunderts in Verbindung gebracht wird, wirkt störender als die modernen Kostüme: So werden hier Körpermalerei, eine Tortenschlacht als Happening und Neonröhreninstallationen gezeigt.

Musikalisch ist die Gelsenkirchener Aufführung ein starkes Plädoyer für „Mathis der Maler“. GMD Rasmus Baumann zeigt am Pult der Neuen Philharmonie Westfalen wie Klangschön diese Partitur gearbeitet ist. Das Vorspiel „Engelskonzert“ oder viele Szenen der Oper sind ein echtes Orchesterfest. Baumann lässt zwar in fließenden Tempi musizieren, doch fehlt einigen Szenen die dramatische Intensität und man hat den Eindruck, dass Hindemith sich hier bloß am eigenen Text abarbeitet, der manchmal zu theoretisch geraten ist.

Das Gelsenkirchener Musiktheater bietet eine beachtliche Sängerriege auf: Urban Malmberg singt den Mathis mit knorrigem Bariton und artikuliert vorzüglich. Während andere Darsteller den Mathis als kraftvollen Typen zeigen, ist Malmberg eher der introvertierte Kunstprofessor, der etwas kauzig geraten ist. Mit strahlendem Tenor gestaltet Martin Homrich den Mainzer Kardinal Albrecht von Brandenburg.

Mit dramatischem Feuer singt Sopranistin Yamina Maamar die Ursula, die hier zwischen Mathis und dem Kardinal hin- und hergerissen ist. Klingt die Stimme in der Mittellage schön und ausgewogen, so neigt sie in der Höhe zu einem starken Vibrato. Mit viel Schöngesang adelt Bele Kumberger die Partie der Regina.

Auch in kleineren Rollen sind beachtlich sängerische Leistungen zu erleben: Tobias Haaks singt den Bauernführer Schwalb mit einer farbenreichen und imponierenden Tenorstimme, die auf eine große Karriere im Wagnerfach hoffen lässt. Imponierend auch der warme Bass von Luciano Batnic als reicher Kaufmann Riedinger. Starke Auftritte haben der von Alexander Eberle einstudierte Chor und Extrachor des Musiktheaters.

Trotz kleiner Schwachpunkte in der Regie und der Sängerbesetzung ist der Besuch der Gelsenkirchener Aufführung von „Mathis der Maler“ unbedingt zu empfehlen, denn es könnte sein, dass bis zur nächsten NRW-Aufführung erneut viele Jahre vergehen.

Rudolf Hermes 29.10.2017

Bilder (c) Karl und Monika Forster