Konzert am 28. Januar 2018
Was für ein tolles Programm !
Charles Ives
Konzertouvertüre ROBERT BROWNING
Bernd Alois Zimmermann
Trompetenkonzert NOBODY KNOWS DE TROUBLE I SEE
Dmitri Schostakowitsch
SINFONIE Nr.6 in h-Moll
„Keine Angst vor neuen Tönen“ heißt das Buch des Dirigenten Ingo Metzmacher, in welchem er auf begeisternde Art den Lesern die Musik des 20. Jahrhunderts näher bringt. Noch näher kommt man dieser Musik allerdings in Metzmachers Konzerten, so auch gestern Abend in der Philharmonie Berlin, wo Metzmacher mit dem Deutschen Symphonie-Orchester Berlin (er amtierte von 2007 bis 2010 als Chefdirigent und künstlerischer Leiter dieses Orchesters) drei Werke des 20. Jahrhunderts präsentierte, welche allesamt auf ein begeistertes Echo bei den Zuhörern stießen. Im ersten Teil durfte man den Komponisten Charles Ives und Bernd Alois Zimmermann begegnen, welche immer noch zu selten auf den Programmen der großen Sinfonieorchester stehen, nach der Pause folgte dann mit Schostakowitsch ein Tonschöpfer, der in den letzten Jahrzehnten zum Glück seinen Weg ins Standardrepertoire der Orchester weltweit geschafft hat.
Ives’ rund 25 Minuten dauernde Konzertouvertüre ROBERT BROWNING hat dabei schon beinahe die Ausmaße einer Sinfonie – und was für einer! Mit sanften Paukenschlägen über die poetisch anmutende Streicherschichten gelegt sind, beginnt das Werk, tiefes Grummeln der Fagotte entwickelt sich zu einem fast psychedelischen Sog, aus den Tiefen des Orchesters aufsteigende Motive steigern sich fortschreitend ins schmetternde Blech, marschartige Rhythmen schrauben sich hoch, kommen zu fulminanter Entladung, entspannen sich in abruptem Piano, zärtlich-schmeichelnde Violinen (welch exquisite Reinheit der Intonation!) lassen aufhorchen, bevor dann wieder Ostinati des Schlagwerks die Oberhand gewinnen, zum Kulminationspunkt führen, worauf dann die Röhrenglocken zur Beruhigung rufen. Doch das Orchester bäumt sich erneut auf, sucht freudig-erregt nach neuen Ausdrucksmöglichkeiten, welche Ives in kühner Harmonik und interessanten Klangschichtungen exploriert. Dabei wirkt das alles unter Metzmachers umsichtiger Leitung nie chaotisch oder lärmig, sondern auch in der Klangbalance und der Transparenz wunderbar austariert – ein begeisterndes Stück, dem man gerne öfters begegnen würde.
Dies gilt genauso für Bernd Alois Zimmermanns einsätziges Trompetenkonzert NOBODY KNOWS DE TROUBLE I SEE, welches geschickt die Elemente des Jazz (mit seiner freien Improvisation) mit der Zwölftontechnik verbindet, einen Stilpluralismus produziert, der quer zur radikalen Avantgarde der 50er Jahre steht, wie Habakuk Traber in seinem wie stets informativen Programmheft schreibt. Neben den Konzerten von Haydn und Hummel haben es ja nicht viele Trompetenkonzerte ins Standardrepertoire geschafft, umso dankbarer war man über die Begegnung mit Zimmermanns Werk. Mit Håkan Hardenberger stand einer der weltweit prominentesten Solotrompeter als Solist für das zwar kurze, – aber immens anspruchsvolle – Stück auf dem Podium. Unglaublich, was Håkan Hardenberger seiner Trompete an unterschiedlichen, stimmungsvollen Klängen entlocken konnte, von klagenden Seufzern über jazzige Improvisation, verspielte Triller und Fiorituren bis zu durch Mark und Bein gehenden Schmerzensschreien und Steigerungen. Herausragend gestaltet waren die Dialoge der Solotrompete mit der Flöte, hoch interessant der Einsatz der Hammond Orgel, welche ein zusätzliches Kolorit in das spannende Werk brachte. Wenn er dann nach der Solokadenz wieder zum Spiritual findet, das den eigentlichen Kernpunkt des Werks ausmacht, dieses zart im Pianissimo verklingen lässt, ist man tief berührt von Hardenbergers Kunst, einer Kunst, welche er auch in der melancholisch-wehmütigen Zugabe – einer eigenen Version von ›My funny Valentine‹ aus dem Musical ›Babes in Arms‹ von Richard Rodgers – offenbarte.
Nach der Pause dann Schostakowitschs Sinfonie Nr.6 in h-Moll, eine der weniger „populären“ und auch in ihrer Form eher unkonventionell daherkommenden Sinfonie des Russen („nur“ drei Sätze, wobei das den Kopfsatz bildende, ausgedehnte Largo mit zwei scherzoartig anmutenden, schnellen Sätzen ergänzt wird). Dieses Largo allerdings hat es in sich, da wird eine schon beinahe fordernd klingende Trauer offenbar, welche vom Deutschen Symphonie Orchester Berlin mit fantastischer Innigkeit evoziert wird. Grandios die Trompeten, stimmungsvoll das Englischhorn, die Flöten geradezu ein Traum – virtuos, fein ziseliert werden die Themen verarbeitet, zärtlich nehmen die Violinen das Thema auf, reichen es weiter zur Harfe, bevor die Flöte es erneut umspielen kann. Man erlebte ein Zusammenspiel der Instrumentengruppen auf höchstem Niveau, ein Ineinanderfließen, spannungsgeladen und entspannt zugleich. In die beiden kurzen und schnellen Sätze fließen Anlehnungen an Naturschilderungen ein, Vogelgezwitscher vermischt mit tänzelnden Rhythmen fegen wie ein Wirbelwind vorbei und münden nach dem wunderbaren Violinsolo des Konzertmeisters in den fulminanten, überschäumenden Schlussgalopp à la Offenbach – den man durchaus auch als groteske Karikatur empfinden darf. Großer und verdienter Jubel in der praktisch voll besetzten Philharmonie für die Ausführenden, ein Plädoyer (und eine Bestätigung) für neue Töne. Was für eine tolle Programmzusammenstellung!