Aufführung am 4.9.13
Nicht nur im Graben tüchtig
Im Rahmen des Berliner Musikfestes leistete neben allen Berliner Orchestern von Bedeutung auch das der Deutschen Oper unter seinem Chefdirigenten Donald Runnicles seinen Beitrag mit einem Benjamin Britten und Dmitri Schostakowitsch gewidmeten Programm. Zu Beginn erklangen Passacaglia und Interludes aus Brittens Oper "Peter Grimes", die bereits in der vergangenen Saison zu den tiefsten Eindrücken bei der Aufführung der gesamten Oper gehört hatten. Das schmerzlich dunkle Solo der Bratsche, die wie aufgescheuchte Möwenschwärme schrillen Tutti der Violinen und die vielen bildhaften Schilderungen der Naturkräfte an der Meeresküste oder die im Sturm verwehenden Melodienfetzen verfehlten auch trotz der Herauslösung aus der Opernhandlung ihre faszinierende Wirkung nicht.
Es folgte Brittens Liederzyklus "Les Illuminations" auf Gedichte von Arthur Rimbaud, unter dem Eindruck der Kämpfe der Pariser Kommune entstanden und 1939 unter dem Eindruck des Kriegsbeginns vertont. Klaus Florian Vogt hatte sich des Zyklus‘ angenommen, der wie viele Opernpartien und Lieder für den Tenor Peter Pears komponiert worden war. Sein heller, wenn nicht sogar weiß zu nennender Tenor hat einige Ähnlichkeit mit der Stimme des Engländers, auch was die Körperlosigkeit und das Fehlen von sinnlicher Rundung und Tiefenpräsenz betrifft. Voraus hat er ihm allerdings die Höhenfanfare, die kraftvoll strahlen kann wie in dem auch so genannten Eingangsstück "Fanfare". Berückend schön gelingen auch das Schweben der Stimme , der Einsatz der Kopfstimme und die Glissandi in "Phrase"; mühelos übertönt die Stimme in "Marine" das auftrumpfende Orchester. Wenn in "Départ" dunkle Verhangenheit angebracht wäre, vermißt man diese schmerzlich. Immer dann , wenn Mittellage und tiefere Töne gefordert sind wie in "Royautté" werden ebenfalls Defizite hörbar, und zu einer erfüllten Interpretation gehört auch ein sich Lösen von der Partitur, ein intensiverer Augenkontakt mit dem Publikum. Nach dem verschämten Griff zur Brille klebte der Sänger zu sehr am zugegeben schwierigen Text.
Nach der Pause stand Schostakowitschs 15. und damit letzte Sinfonie auf dem Programm, die spielerisch Zitate aus "Tristan", "Walküre" und "Guglielmo Tell", von Strawinsky und aus früheren Werken des Komponisten selbst zu einem graziös-grotesk-tragisch-verspielten Zitieren und Karikieren benutzt, mit einem schönen Cello-Solo im zweiten Satz. Donald Runnicles und das Orchester der DOB arbeiteten die Kontraste zwischen ätherischer Zartheit und machtvollem Aplomb wirkungsvoll heraus und erspielten sich einen bejubelten Erfolg, den auch Klaus Florian Vogt verbuchen konnte, wie nicht nur der Ansturm der Autogrammjäger in der Pause bewies.
Das Musikfest der Berliner Festspiele dauert noch bis zum 18.9. und läßt neben Kammermusik und den Berliner Orchestern das Concertgebouw Orchester unter Daniele Gatti, das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks unter Mariss Jansons, das Philharmonia Orchestra London unter Esa-Pekka Salonen zu Wort kommen. Im Mittelpunkt stehen in diesem Jahr Janacek, Bartok und Lutoslawski.
4.9.2013
Ingrid Wanja
Von der Waldbühne am 25.08.2013
Foto: Waldbühne (anonym)