Sonntag 26. März 2017
Béla Bartók
„Musik für Saiteninstrumente, Schlagzeug und Celesta“
Gustav Mahler
Sinfonie Nr. 4 G-Dur
Guter Bartok und ein seltsam uninspirierter Mahler
Berauschenden Mahler gab es vor zwei Wochen mit den Berlinern und Simon Rattle (siehe unserer Kritik weiter unten) – allerdings hier mit Mahlers Sechster. Vielleicht haben dem Rezensenten noch die Ohren geklungen von dieser grandiosen Interpretation, denn richtige Begeisterung hat sich im Gegensatz zum jubilierenden Publikum bei mir nicht entwickeln können, obwohl alles schön brav und exakt lautmalerisch erklang.
Auch an den extrovertierten Hörnen hat es nicht gelegen – die Herren spielen nun einmal perfekt und sauber, wie es sich für ein Orchester der "Big Five" gehört. Aber ist das wirklich alles? Oder liegt es an der Philharmonie, denn ich habe beobachtet, daß immer wenn ein Orchester komplett mit allen Musikern auf einer Ebene des Orchesterpodiums sitzt (keine Gruppe erhöht) – was äußerst selten vorkommt – es irgendwie langweilig klingt – und das ist tödlich bei Mahler.
Keine subkutane Spannung baut Alan Gilbert mit den New Yorker Philharmonikern auf; selbst im zweiten Satz (poco adagio) wo alles immer dichter wird und sich die Mahlerschen Gewalten wenigstens teilweise pastös ergießen, plätschert das "traumhaft Irreale" doch ziemlich spannungslos am emotional erwartungsvollen Zuhörer vorbei.
Da haben wir vor Jahren von den Bochumern unter dem begnadeten Steven Sloane Anderes gehört und vor allem empfunden. Christina Landshammer sang ihren Part aus des Knaben Wunderhorn – "Der Himmel hängt voller Geigen" – ordentlich wenn auch nicht berauschend; wobei leider jede Textverständlichkeit, auch ansatzweise, im Orchesterschwall unterging. Immerhin war der Text, den ja nicht jeder auswendig kennt, wie üblich im Programmheft ausgedruckt und konnte mitgelesen werden.
Daß dann ausgerechnet mitten in den atemlos gehauchten wunderschönen Schlussakkord einige Banausen wie Bauerntölpel hineinapplaudierten und so die ganze Stimmung für die restlichen 99,8 Prozent der Zuhörer kaputt machten, ist gerade in Essen eigentlich unbekannt; zeichnet sich doch das Ruhrmetropolen-Publikum im Vergleich zu anderen Konzerthäusern, immer (!) als sehr fachkundig aus. Dankenswerter Weise kein Klatschmarsch am Ende und auch keine Zugabe.
Ein Konzert bei dem, schon wenn man sich auf den Heimweg macht, nichts emotional mehr hängen bleibt. Und auch am nächsten Tag – wenn der Rezensent sich üblicherweise ans Schreiben macht – nichts außer der Erinnerung an einen sehr guten, aber auch nicht vom Stuhl reißenden Bartok, nachhaltig evoziert werden kann. Mittelmässigkeit trotz brillanter Orchestermusiker… Schade.
Da waren die Berliner Philharmoniker – gut vier Wochen vorher mit eben diesem Werk in der Dortmunder Tonhalle – von ganz anderen Mahler-Dimensionen.
Peter Bilsing 28.3.2017
Bilder (c) Philharmonie Essen / Lorenz