DVD: „Königskinder“, Engelbert Humperdinck

Die vorliegende Videoaufzeichnung von Engelbert Humperdincks Oper „Königskinder“ ist eine bemerkenswerte Inszenierung von Christof Loy an der holländischen Nationaloper Amsterdam aus dem Jahr 2022. Die Blu-ray bietet dem Zuschauer ein beeindruckendes audiovisuelles Erlebnis mit exzellenter Bild- und Tonqualität, was die Sichtbarkeit der fein ausgearbeiteten Bühnenbilder und Kostüme sowie die klangliche Wiedergabe der musikalischen Darbietung in höchster Qualität ermöglicht.

„Königskinder“ wurde 17 Jahre nach Humperdincks berühmtem Werk „Hänsel und Gretel“ komponiert, das zu einem Meilenstein in der Opernliteratur wurde. Der Komponist stand jedoch vor der Herausforderung, den Erfolg seines vorherigen Werks zu wiederholen. Die Uraufführung von „Königskinder“ fand 1910 an der Metropolitan Opera statt und wurde von der renommierten Starsopranistin Geraldine Farrar als Gänsemagd gesungen. Obwohl die Aufführung anfangs begeistert aufgenommen wurde, konnte die Oper nicht denselben Erfolg wie „Hänsel und Gretel“ erzielen und geriet in Vergessenheit, wodurch Aufführungen dieses seltenen Werks zur Seltenheit wurden. Humperdincks Komposition in „Königskinder“ zeigt seinen reifen musikalischen Stil und seine Meisterschaft in der Schaffung von atmosphärischen Klängen und melodischen Linien. Obwohl er immer noch von Richard Wagner beeinflusst ist, gelingt es ihm, eine individuelle Klangwelt zu erschaffen, die die emotionale Tiefe der Handlung betont.

Geprägt von tiefem Pessimismus erzählt die tragische Geschichte eine verbotene Liebe zwischen dem Königssohn und der Gänsemagd, die von der Gesellschaft abgelehnt und verachtet wird. Die soziale Kluft zwischen den beiden Liebenden wird deutlich, als sie in schlichter Kleidung in die Stadt kommen und von den Einwohnern verspottet werden. Die Grausamkeit des Mobs gegenüber dem Paar ist ein düsterer Vorgeschmack auf die wahre Lebensgeschichte der Librettistin Elsa Bernstein-Porges, die während des Zweiten Weltkriegs nach Theresienstadt deportiert wurde. Dieser Hintergrund verleiht der Oper eine zusätzliche Ebene der Emotionalität und macht die Inszenierung von Loy umso bedeutsamer.

In der Personenregie entfaltet Loys Regie ihre größte Wirkung, und hier profitiert er von einer kompetenten Besetzung, die sowohl schauspielerisch als auch singend überzeugt. Christof Loy bewältigt dazu geschickt eine besondere Herausforderung des Librettos: eine mehrmonatige Handlungslücke zwischen Akt 2 und 3, in der wichtige Ereignisse stattfinden, die jedoch in der Oper nicht explizit dargestellt werden. Durch die Hinzufügung eines stillen Schwarzweißfilms während des Orchestervorspiels zum dritten Akt schafft er eine sinnvolle Verbindung zwischen den Akten und vermittelt dem Publikum wesentliche Informationen, die für das Verständnis der Handlung entscheidend sind. Diese künstlerische Entscheidung zeugt von Loys Fähigkeit, das Werk auf innovative Weise zu interpretieren und zu bereichern. Die Bühnengestaltung von Johannes Leiacker ist ästhetisch ansprechend und durchdacht. Eine riesige Linde dominiert die Szenerie und symbolisiert den Wald, in dem sich die Liebenden treffen, sowie die Stadt, in der sie verachtet werden. Die Kostüme von Barbara Drosihn, im stilisierten Stil der Jahrhundertwende gehalten, ergänzen die Handlung und unterstreichen die Charakterentwicklung. Die Massenszenen sind elegant choreografiert. Als die Leute von Hellastadt lieferten der Chor der niederländischen Nationaloper, der zum ersten Mal von seinem neuen künstlerischen Leiter Edward Ananian-Cooper einstudiert und durch die Kinder des Nieuw Amsterdams Kinderkoor verstärkt wurde, einen starken Auftritt ab.

Daniel Behle als Königssohn brilliert mit seinem jugendlichen und ausdrucksstarken Tenor, der den Charakter glaubwürdig verkörpert. Olga Kulchynska als Gänsemagd bezaubert mit ihrem warmen und lyrischen Sopran, der die Emotionen der Figur mitreißend vermittelt. Besonders bewegend ist ihre letzte Szene, in der sie tragisch stirbt, was eine tiefgreifende Wirkung hat.

Doris Soffels Interpretation der Hexe verleiht der Figur mehrdimensionale Facetten und lässt den Zuschauer ihre Motive besser verstehen. Faszinierend, wie ungebrochen stark ihre stimmliche und szenische Wirkung ist. Josef Wagner als Geiger beeindruckt mit einem schönen Bariton und gibt dem Werk eine zusätzliche emotionale Note, da er nach dem Tod des jungen Paares in die Handlung eingreift.

Die musikalische Leitung von Marc Albrecht und das Orchester des niederländischen Philharmonischen Orchesters sind ein wahrer Genuss für musikalische Feinschmecker. Albrecht betont die kammermusikalischen Details der Partitur und hebt die vielen Violinsoli hervor, die von der Geigerin Camille Joubert mit großer Virtuosität gespielt werden. Dadurch kommt die orchestrale Musik von Humperdinck in ihrer vollen Pracht zum Ausdruck und entfaltet sich unabhängig von Richard Wagners Einfluss.

Insgesamt bietet diese Aufzeichnung von „Königskinder“ ein außergewöhnliches und bewegendes Erlebnis für Opernliebhaber. Die herausragende technische Umsetzung, die innovative Personenregie und die beeindruckende musikalische Darbietung machen diese Produktion zu einem wertvollen Fundstück, das sowohl für Liebhaber seltener Opern als auch für musikwissenschaftlich interessierte Zuschauer gleichermaßen fesselnd ist. Abgerundet wird dies alles durch eine vorzügliche Bild- und Tonqualität sowie einen adäquaten Bildschnitt.

Dirk Schauß, August 2023


Engelbert Humperdinck: Königskinder

Eine Aufführung der Holländischen Nationaloper Amsterdam

Naxos NBD0171V