CD: „Tosca“, RSB unter Carlo Montanaro

Der 100. Todestag von Giacomo Puccini wirft seinen Schatten voraus. So dürften in den nächsten Monaten häufiger dessen Werke auf den Spiel- und Aufnahmeplänen stehen als üblich. Pentatone setzt seine Aufnahmen mit Operneinspielungen des Meisters aus Lucca fort. Nun also eine weitere Einspielung in der umfassenden Diskografie seines Opernthrillers „Tosca“. Die Neu-Aufnahme durch Pentatone, basierend auf einer konzertanten Aufführung in Berlin, ist ein musikalisches Erlebnis, das die Leidenschaft und Dramatik des Werks dynamisch in den Vordergrund stellt. Die Aufnahme fand im Sendesaal des Hauses des Rundfunks in Charlottenburg statt und wurde vom Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin (RSB) unter der Leitung des Dirigenten Carlo Montanaro passioniert interpretiert.Eine besondere Dynamik ergibt sich, wenn ein Symphonieorchester sich der Oper widmet, und in diesem Fall eröffnen sich durch die konzertante Aufführung neue orchestrale Perspektiven. Carlo Montanaro gelingt es, das Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin zu einem leidenschaftlichen Vortrag zu animieren, der die emotionale Intensität von Puccinis „Tosca“ sehr gut einfängt. Da werden Akzente deutlich gesetzt und mit der Dynamik gekonnt umgegangen. Die Tempi sind durch weg flott und zugespitzt, was gut zur dramatischen Handlung passt. So ist diese Aufnahme allein schon wegen des gelungenen Dirigates hörenswert.

Die zentrale Rolle der Tosca wird von Melody Moore mit beeindruckender Präsenz und stimmlicher Ausdruckskraft verkörpert. Ihre Leistung zeichnet sich durch einen vollen, aber dennoch differenzierten Einsatz ihrer stimmlichen Mittel aus. Moores Vortrag verfügt über facettenreiche Schattierungen in der Phrasierung, die sie raffiniert einzusetzen weiß. Dies verleiht ihrer Darstellung eine authentische Tiefe. Auf der anderen Seite begegnet sie den dramatischen Anforderungen ihrer Partie mit kühlem Kopf, heißem Herz und stimmlicher Souveränität. Ihr gelingt ein individuelles Porträt dieser so spannenden Opernrolle. Der rumänische Tenor Stefan Pop als Maler Cavaradossi überzeugt ebenfalls mit differenzierter Phrasierung und beeindruckt mit Spitzentönen, die er mit Schmelz zu setzen weiß. Seine Interpretation der Arien, insbesondere die eindrücklich geschmetterten „Vittoria“-Rufe, zeugen von einer eindrucksvollen künstlerischen Leistung, die dann in einem berührenden „E lucevan le stelle“ gekrönt wird. Gemeinsam mit Moore gelingt Pop auch in den Duetten eine sensible Farbgebung. Lester Lynch in der Rolle des Scarpia stand vor der Herausforderung, neben solchen herausragenden Kollegen zu bestehen. Sein voller, dunkel timbrierter Bariton verleiht der Rolle eine angemessene Intensität, jedoch fehlen der Stimme, wie in seinen anderen Aufnahmen, vielfältige stimmliche Farben. Ein Problem, welches bisher in all seinen Einspielungen zu beklagen ist und in Summe zu wenig erscheint, um seine Mitwirkung bei einer solchen Einspielung zu rechtfertigen. Lynch meistert den Ton des Bösewichtes recht gut, obwohl seine Stimme spröde und oft zu eindimensional wirkt. Die Textbehandlung könnte zudem mehr Tiefe vertragen. Lynch verschenkt leider im zweiten Akt viele Gestaltungsmöglichkeiten, die diese faszinierende Rolle bietet. Die weiteren Sänger der Produktion überzeugen durch ihre soliden Beiträge, wobei der kraftvolle Kevin Short als Angelotti besonders gefällt. Der Einsatz des Rundfunkchors und des Kinderchors der Deutschen Oper Berlin sorgt für weitere vokale Höhepunkte.

Die CDs präsentieren eine kraftvolle Interpretation von Puccinis „Tosca“, in der das Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin unter Carlo Montanaros Leitung die symphonischen Qualitäten des Werks auf eindrucksvolle Weise zur Geltung bringt. Vor allem Melody Moore und Stefan Pop tragen mit ihren beeindruckenden Darbietungen zur leidenschaftlichen und elektrisierenden Atmosphäre bei, die dieses Meisterwerk auszeichnet. Ein zusätzliches Plus ist die hervorragende Aufnahmequalität, die weiträumig und kraftvoll die breite Dynamik sehr gut einfängt.

Dirk Schauß, 18. November 2023


Giacomo Puccini
Tosca
Pentatone, PTC 5187 055