Nun will sich auch (oder als erstes?) das Düsseldorfer Schauspielhaus verstärkt um Klimaneutralität bemühen. We start with „Peer Gynt!“. Jippieh ei jeh Leute, wir retten die Welt durch klimaneutrales Theaterspielen. Wow – das muss man erst sacken lassen. Bitte hinfahren!
Am Theater der Landeshauptstadt „Klein Paris“ wird eines von 25 Projekten realisiert, mit denen die Kulturstiftung des Bundes Nachhaltigkeit auch und besonders in Kultureinrichtungen fördern möchte. Zur Routine einer neuen Inszenierung wird jetzt beim ersten gemeinsamen Gespräch immer (?) das Klima werden, wie es scheint, denn ohne Klima ist Nichts nichts – und von Nichts kommt nichts. In letzter Konsequenz heißt das auch: wenn wir gar nicht mehr spielen und zwei Stunden auch nicht atmen, sparen wir am meisten CO2. Heizung und Licht aus – ist mein zweiter Gedanke. Der dritte Gedanke wäre, Kohlen mit zu bringen wie anno 46; aber das macht nur Sinn, wenn der Strom, weil zu viele Elektroautos gleichzeitg tankten, zusammenn gebrochen ist. Ein Taschenlampe hab ich übrigens immer dabei.
Nein liebe Leser, die haben keinen an der Waffel oder machen Theater beim Freigang – das sind ernst zu nehmende homo sapiens. Und da das alles auch noch von unseren Steuergeldern finanziert wird, müssen wir es auch ernst nehmen. Es passiert wirklich. Sie sind da… Das ist die Zukunft des Theaters.
Ich denke, dass weitere wichtige Kriterien auch sein sollten, daß alle Beteiligten grundsätzlich Fahrrad fahren – Schauspieler, die kein Elektroauto haben, sind schon einmal out. Gleiches gilt für die Zuschauer, versteht sich. Ähem, wieviel Ladestationen gibt es eigentlich am Düsseldorfer Schauspielhaus?
„Zwischendurch gab es schon den Moment, an dem ich dachte: Oh Gott, ich kann ja jetzt gar nichts mehr machen, weil alles CO2 verbrennt. Außer wir spielen nackt bei Kerzenschein. Das fand ich jetzt auch nicht so passend für den großen Stoff“, so Haus-Regisseurin Bernadette Sonnenbichler. „Und so habe es bei den Planungen durchaus Tiefpunkte gegeben. Lust und Suchbewegungen wechselten einander ab.“
Wow! Das ist der Hammer. Ein Prozent des Budgets für „Peer Gynt“ sollte zum Ausgleich von Treibhausgasemissionen durch Zertifikate verwendet werden. Fazit: Je teurer eine Produktion, desto höher die Emissionen; je erfolgreicher eine Inszenierung, desto schlechter ist sie fürs Welt-Klima. Für „Peer Gynt“ wurde von der Bundeskulturstiftung das Sparziel von 73 Tonnen CO2 errechnet. (Zitat Rheinische Post). Wir lassen das mal so stehen.
Angedacht sind Kernpunkte wie die Mobilität zum Ersten. Also An- und Abfahrt von Mitwirkenden, Zuschauern und Waren- bzw. Kulissenanlieferungen. Ich denke da pragmatisch an Lasträder, die ja ohnehin schon mit viel Steuergeld in der Landeshauptstadt bezuschusst werden. Weiter: z.B. Beim Eintritt muss eine gültige Quittung der Rheinbahn vorgezeigt werden vom Spieltag – sonst wird der Eintritt verweigert. Das hat weitere Vorteile: u.a. man hält man die elenden Schmarotzer aus den Nachbargemeinden fern, die sich kein Schauspiel leisten und von den Steuergeldern Düsseldorfer Bürger profitieren. So wird das DÜSSELDORFER Schauspielhaus endlich seinem Namen gerecht. Bravo!
Die Tickets berechtigen zwar zur freien Rheinbahnfahrt innerhalb der Stadt, doch viele Besucher wohnen ja halt außerhalb Düsseldorfs – raffinierte Regelung. Selbst schuld. 😉 Hut ab!
So wird in der „Peer Gynt“-Aufführung am 18. Februar eine „Mobilitätsaktion“ gestartet – kein übler Scherz von mir! – mit dem Aufruf: „Kommen Sie zu Fuß, mit dem Rad oder mit Bus und Bahn“. Ist jetzt Eisenbahn und Rhein-Schifffahrt (Köln-Düsseldorfer) auch dabei?
Andere Effekte könnten natürlich im Haus selbst erzielt werden. Please listen: Große Kulissenteile werden nicht mehr neu fabriziert, sondern sollen als gebrauchte Fertigteile klimaneutral aus Köln, Wuppertal, Hamburg oder Venedig kommen – wie verlautet. Sie werden dann wie Pfandflaschen wieder retourniert.
Kostüme finden sich im eigenen Fundus und dem der Oper höhlenweise in den gigantischen unterirdischen Gängen und Grotten zwischen SH und Oper. Deren Transport funktioniert sogar mit kleinen Seilbahnen. Aber es geht noch mehr:
Listen mit abgespielten Bühnenbildern werden für spätere Zweitverwertungen erstellt und „Materialien hinterfragt“. Das Programmheft zu „Peer Gynt“ ist ausschließlich über einen QR-Code online abrufbar; das wird besonders die älteren Besucher freuen… Weiter: klimaschonende Arbeitsabläufe sind festgelegt und müssen dokumentiert. Wegen des Unfallschutzes gibt es jetzt auch im Schauspielhaus einen „Leiterbeauftragten“. Jetzt fragen Sie zurecht: Was macht zum donni ein Leiterbeauftragter? (Der Leiterbeauftragte erfasst als befähigte Person systematisch die Leitern und Tritte und kennzeichnet diese eindeutig mit Inventaretiketten. Die Überprüfung erfolgt anhand einer Checkliste. Die Dokumentation erfolgt in einer Leiterprüfersoftware, die an die nächste Leiterprüfung erinnert – so dass Gesetz) Er ist einer von 50 Beauftragten, die z.B. jede grössere Firma nachweisen muss in Deutschland.
Weiter unsere Regisseurin: „All das führte unweigerlich zu einer Diskussion auch über die künstlerische Freiheit. Denn obwohl man sich um Klimaneutralität bemüht, war es allen wichtig, eine schöne Inszenierung zu machen, die diesem großen Stoff gerecht wird. Wir hatten Lust, große Bilder zu schaffen, in diese Welten von Peer Gynt einzutauchen und bei allen Überlegungen ein ästhetisches Vergnügen zu bereiten eigentlich möchten wir eine klimaneutrale Produktion schaffen mit dem Anspruch, dass man es der Inszenierung nicht auf den ersten Blick ansieht. Klimaneutralität soll nicht mit dem Makel der Einschränkung behaftet sein.“
„Der Kohlendioxid-Fußabdruck von Kultureinrichtungen ist gering – etwa im Vergleich zur Stadt oder zur Industrie.“ So Manfred Fischedick vom Wuppertaler Institut für Klima, Umwelt, Energie. „Es gehe im Theater vielmehr um den „Handabdruck“, also vor allem um die Sichtbarkeit eines machbaren Klimaschutzes.“
So wird das Düsseldorfer Schauspielhaus zu einem Meilenstein, einem Leuchtturm im Kampf ums Klima und der Weltrettung. Was sind das für tolle Frauen! Warum kommen immer nur Frauen auf solch begnadete Ideen? Vielleicht sind sie doch die besseren Menschen. Wir sprechen ja auch in einer normalen Ehe von „meiner besseren Hälfte“. Stimmt!
So ende ich diesmal mit Heinz Erhardt. Chor der Gutmenschen:
„Auf, auf und auf,
lasst uns von Theater zu Theater eilen,
um den Klimaschweinen eine Abfuhr zu erteilen…“
Oder so ähnlich. Da fällt mir ein, dass ich noch 4 Eimer Biofarbe im Keller habe, die spende ich jetzt.
Peter Bilsing 26, Januar 2024
Dank an Peter Klier für die Bilder
Hier geht es zur Kritik dieser Produktion bei unseren Freunden von den MUSENBLÄTTERN