Maribor: „Madama Butterfly“, Giacomo Puccini

Das „Puccini-Jahr“ wird auch in unserem südlichen Nachbarland entsprechend gewürdigt, und das Theater der zweitgrößten slowenischen Stadt, die malerisch unterhalb des „Pohorje“ (Pachergebirges – wie es zur Zeit, als das Gebiet noch die Südsteiermark war- geheißen hat ) an der Drau liegt, wird im Laufe des Jahres auch noch neue Produktionen von „Tosca“ und „Turandot“ herausbringen, eine wunderschöne „Rondine“ von Hugo de Ana ausgestattet gab es schon , sowie im Vorjahr eine ebenso gelungene „Manon Lescaut“!

© SNG Maribor

Bei der Manon war wie bei „Madama Butterfly“ Pier Francesco Maestrini der Regisseur – und er wird es auch bei der „Tosca“ sein.  Seit seinem grandiosen „Andrea Chenier“ in Bologna bin ich von ihm begeistert und er ist zweifellos einer der besten Regisseure der Jetztzeit!  Seine Genialität ist wohl gleichzeitig auch sein „Manko“ in der großteils heutigen, pervertierten Opernszene. Ein Mann der – offenbar geprägt bereits durch seinen Vater Carlo, der schon seit den 60er und 70er Jahren des vorigen Jahrhunderts für wunderbare Produktionen rund um den Erdball verantwortlich zeichnete – die Werke respektiert, die heutigen Mitteln der Technik wie Videoprojektionen werkdienlich und zur besseren Illustration der Inhalte im Sinne der Schöpfer einsetzt, der wird beispielsweise nicht an der Wiener Staatsoper oder anderen großen Häusern beschäftigt, wo es offenbar hauptsächlich primär um andere Aspekte geht, als die Vorgaben der Komponisten und Librettisten zu erfüllen!  Immer mehr wird ja sogar schon mit „musikalischen (Pop-) Einlagen“ und anderem Unsinn herumgepfuscht – widerlich!

© SNG Maribor

Nun, großes Lob dem SNG Maribor und seiner Leitung, daß hier dem unseligen internationalen Trend nicht gehuldigt wird, und man mit großer Freude und Dankbarkeit diesen Abend geniessen konnte. Und man war weit mehr berührt und zum Denken angeregt als bei irgendwelchen „Aktualisierungen“ und „Verzwergungen“ „Kammerspiel“, „kammermusikalisch“ – wenn ich solche Rezensionen lese, bin ich schon froh nicht dort gewesen zu sein! Maestrini gibt dem Geschehen die Größe, die der Musik entspricht. Eine einfache Front eines japanischen Häuschens, über zwei Stege erreichbar, das mit geöffneten Schiebetüren den Blick auf die Weite des Meeres freigibt. Beim großen Liebesduett versinkt dann quasi alles, vom Meer umspült, vom Vollmond und unzähligen Sternen mystisch beleuchtet entschwinden die Beiden in eine andere Welt. Praktikabel und illusionsfördernd hat Nicolas Boni dem wahrem Maestro Maestrini die Bühne gebaut, Bruno Ciulli (Licht) vollbringt grandioses, wenn im packenden Vorspiel des dritten Aktes die Morgendämmerung über dem Meer anbricht, erst dann das Haus wieder sichtbar wird. Luca Dall`Alpi hat kleidsame, optisch wirkungsvolle und die Atmosphäre unterstützende Kostüme entworfen – ohne Kitsch, und kleidsam noch dazu – heute ja schon die absolute Ausnahme. Maestrini hat eine einfache, dem Libretto folgende Personenführung geschaffen – es fügt sich ein Rädchen ins Andere, und es funktioniert, es reißt mit, es regt zum Denken an und es begeistert.

Und da kommt der Mann am Pult mit dem mir bis dato unbekannten, klingenden Namen dazu Pier Francesco Maestrini ! Der Mann aus Rom zaubert mit dem bestens disponierten Simfonicni Orkester SNG Maribor einen Klangteppich unter das Bühnengeschehen, den man nicht alle Tage hören kann. Dem Bühnengeschehen immer ein aufmerksamer Begleiter, viele Einsätze gebend, peitscht er die sehr aufmerksamen Musiker zu grandiosen Klangausbrüchen, wo man die erwartet, erhofft! Auch er „packt zu“, läßt die Puccinischen Klanggewalten hören, reduziert und dämpft sie nicht – mitreißend, bravo!

© SNG Maribor

Er kann das auch weil mit Rebeka Lokar eine stimmgewaltige Cio Cio San auf der Bühne ist, die ihre Leistung konstant nach oben schraubt. Die junge Slowenin, die ich hier einst noch im Chor gehört habe, hat in den letzten Jahren – vor allem auch in Italien große Karriere gemacht und auch in dramatischen Partien wie Abigaille reüssiert. Auch schon von Gestalt kein zierliches Mädchen von 15 Jahren ( aber ich kenne in den letzten 40 Jahren  keine Butterfly von Format, die dem entsprochen hat ) durchmisst sie die kräfteraubende Partie beachtlich, und verblüfft mit erstaunlichen Piano-Phrasen, einem wunderbaren Legato ihres belastbaren Soprans mit persönlichem Timbre und bester italienischer Diktion. Ihr Spiel ist von einer Herzenswärme – speziell mit dem Kind sah ich noch keine Butterfly so liebevoll umgehen – die nahegeht, berührt, und erschließt dem Zuhörer eine neue Dimension: kein „Hascherl, die plötzlich aus ihren naiven Träumen erwacht und in der bitteren Realität des Lebens ankommt und scheitert, sondern eine kluge Vollblutfrau – und Mutter, die auf den guten Ausgang zwar hofft, aber sich wohl längst nicht mehr darob so sicher ist. Eine großartige Leistung – Brava! Ganz ausgezeichnet auch der Linkerton von Klodjan Kacani, der den leichtlebigen Amerikaner zum ersten Mal im Rahmen dieser Aufführungen gab. Eine gesunde, frische Tenorstimme wird mit sehr viel Italianitá eingesetzt und erweckt sofort den Wunsch nach Wiederhören. Eine gut sitzende Höhe und eine virile Bühnenpräsenz tragen  das übrige dazu bei – man wird bald mehr von diesem jungen Mann hören, der den doch zweifelhaften Charakter des Leutnants nicht ganz so unsympathisch anlegte, wie das zuletzt so in Mode gekommen ist. Dieses Paar wurde auch zu Recht besonders gefeiert. Fast etwas zu sehr humpeln musste Jaki Jurgec als Konsul Sharpless, der insgesamt rollendeckend war, aber die paar hohen Töne seinem Bariton mühsam abringen musste.Irena Petkova war eine sehr „unauffällige“ Suzuki, positiv fiel hingegen Dusan Topolovec als prägnanter Goro mit gut geführtem Tenor auf ! Tomaz Planic als Yamadori und Alfonz Kodric als Onkel Bonze ergänzten zufriedenstellend. Der Zbor Opere SNG Maribor entledigte sich seiner nicht allzu großen Aufgabe ohne Tadel. Viel Applaus mit Konzentration auf Sopran, Tenor und Dirigent mit Orchester – und ein zufriedenes Publikum, wo man doch auch einige deutsche ( nicht nur steirische!) Worte hörte, verließ das Haus, wo man bequem sitzt und von allen Plätzen gut hört und sieht.

Michael Tanzler, 5. April 2024

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Madama Butterfly
Giacomo Puccini

Slowenisches Nationaltheater, Maribor

24. März 2024

Regie: Pier Francesco Maestrini
Dirigat: Pier Francesco Maestrini
Simfonicni Orkester SNG Maribor