Füssen: „Zeppelin – Das Musical“, Ralph Siegel

Im Jahr 2021 feierte das Musical Zeppelin seine Weltpremiere im Festspielhaus Neuschwanstein in Füssen. Aufgrund der Auswirkungen der Corona-Pandemie musste die Premiere damals zweimal verschoben werden, doch nach vielen Jahren der Vorbereitung fand das Musical endlich seinen Weg auf die große Musicalbühne. Mittlerweile zählt Zeppelin – Das Musical mit mehreren zehntausend Besucherinnen und Besuchern zu den erfolgreichsten Inszenierungen in Füssen und war zwischenzeitlich auch am Deutschen Theater in München zu sehen. Seit dem 25. Mai 2024 läuft nun bis Ende Juni die Wiederaufnahme des Stückes und in der Stadt wird recht offensiv damit geworben, dass es sich um ein wahrhaft „gigantisches“ Werk handelt. Verbunden mit dem Slogan „Mehr Musical geht nicht.“ ist man fast geneigt anzunehmen, dass die Werbeabteilung hier vielleicht zu viel verspricht. Doch weit gefehlt, der Abend überzeugt tatsächlich durch eine stimmige Geschichte, wunderbare Musik, eine gelungene Besetzung und ein wirklich beeindruckendes Bühnenbild.

© Michael Böhmländer

Doch worum geht es in dem Stück? In einer parallelen Handlung erlebt der Zuschauer die Geschichte des visionären Konstrukteurs Graf Zeppelin und die letzte Fahrt des Luftschiffs LZ 129, besser bekannt unter dem Namen „Die Hindenburg“. Durch diesen geschickten Kunstgriff spannt das Musical einen weiten Bogen von der Kindheit Ferdinand Graf von Zeppelins und seinem frühen Interesse an visionärer Flugtechnik bis zum dramatischen Absturz der Hindenburg am 6. Mai 1937 in Lakehurst (New Jersey, USA) rund 20 Jahre nach seinem Tod. Immer wieder wechseln sich die historischen Entwicklungen mit den kleinen Geschichten der Passagiere der Atlantiküberquerung ab. Verbunden werden die beiden Handlungsstränge durch Dr. Hugo Eckener, der nach Ferdinands Tod die Leitung der Zeppelin-Werke übernahm. Kennengelernt hatten sich die beiden durch Eckeners frühere Tätigkeit als Korrespondent der Frankfurter Zeitung, für die er unter anderem mit großem persönlichen Einsatz über die Entwicklung des ersten Zeppelins berichtete. Mit einer Spielzeit von ca. 3 1/2 Stunden inklusive Pause ist das Musical zwar recht lang, wird aber an keiner Stelle langweilig. Die historische Beleuchtung des Lebens von Ferdinand Graf von Zeppelin fesselt schnell, und auch die Personen auf der letzten Fahrt der Hindenburg sind geschickt ausgewählt. Da ist zum Beispiel das NSDAP-Mitglied Lutz Grivius, der als hochrangiger UFA-Mitarbeiter mit dem Filmstar Lilli van Hoeven verheiratet ist, deren Karriere nun auch in Hollywood Fahrt aufnehmen soll. Dagegen hat die jüdische Sängerin Emmy Berg zusammen mit dem Pianisten Paul Stiller gerade Deutschland verlassen, weil es für sie in Berlin keine Zukunft mehr gibt. Die Familie des Investors Jim Cagney ist ebenso auf dem Rückflug wie die Reporterin Kathy Wigman, die zuletzt für die New York Times aus Berlin berichtete. Und dann sind da noch der etwas exzentrische Ben Dova, der schwedische Staubsaugerfabrikant Sigge Caspar Eklund und die Pferdezüchterin Hanna Keller, die auf dem Weg zu ihrem schwer verunglückten Mann ist. Platz genug für die ganze Bandbreite der Gefühle, von Humor über Liebe und Leidenschaft bis hin zu tragischen und berührenden Momenten.

© Michael Böhmländer

Auch wenn die Musik leider vom Band kommt, kann man an dieser Stelle sagen, dass es Ralph Siegel gelungen ist, für Zeppelin – Das Musical ganz hervorragende und vor allem sehr passende Songs zu schreiben, die wunderbar zu den jeweiligen Situationen passen. Von der großen Shownummer bis zum intimen Duett ist alles an der richtigen Stelle vertreten. Zu Beginn des Abends dominieren vor allem die großen Ensemblenummern wie Die Zeit der Seidenfärber, Die Hindenburg oder Wir fahren nach Amerika, die alle schnell ins Ohr gehen. Aber auch die Duette oder Solonummern wissen zu gefallen. Besonders zu erwähnen ist hier das berührende Ich hab gelebt, das in der besuchten Aufführung von Marc Gremm als Ferdinand Graf von Zeppelin wunderbar umgesetzt wurde. Allgemein kann die gesamte Besetzung überzeugen, die weniger starbesetzt, dafür aber in Rollen überzeugend daher kommt. Seien es Finola Schulze als Zeppelins Ehefrau Isabella, Alexander Kerbst als sein Vater Friedrich, Jens Rainer Kalkmann als Dr. Hugo Eckener, Misha Kovar als Emmy Berg, Michael Thurner als Pianist Paul Stiller oder Madeleine Haipt als Lilli van Hoeven um nur einige Darsteller der großen Cast stellvertretend zu nennen. Besonders herauszuheben ist allerdings noch Florian Soyka in der Rolle des Lutz Grivius. Selten hat man eine so unsympathische Rolle so überzeugend böse gespielt gesehen.

© Michael Böhmländer

Im Gegensatz zu Ein bisschen Frieden – Summer of Love, Siegels zweitem Musical, das teilweise noch etwas unfertig wirkte, ist Zeppelin – Das Musical ein in sich geschlossenes Werk, was auch dem Buch von Hans Dieter Schreeb zu verdanken ist. Mit feinem Gespür für Theaterdramaturgie bringt er hier eine Geschichte auf die Bühne, der der Zuschauer jederzeit gut folgen kann. Inszeniert wurde das Musical von Benjamin Sahler, der den Rollen genügend Raum gibt, ansonsten aber auf das gesamte Leistungsspektrum des Festspielhauses Neuschwanstein zurückgreift. Auf der über 1.000 Quadratmeter großen Bühne wird nicht nur das integrierte Wasserbassin genutzt, auch die Drehbühne sorgt für schnelle Szenenwechsel. So wird ein riesiges Zeppelin-Gerüst immer wieder aus verschiedenen Perspektiven eingesetzt, trotzdem bleibt genügend Raum für andere Bilder. Insgesamt kann das Bühnenbild von Barbara Fumian wirklich begeistern. Hinzu kommt der Einsatz moderner Lasertechnik, offenes Feuer auf der Bühne sowie ein rund zehn Meter langer, funkferngesteuerter Zeppelin, der über das Publikum fliegt. Hier hat die Werbeabteilung, wie eingangs erwähnt, nicht übertrieben. Abgerundet wird das Ganze durch passende historische Kostüme von Raphaela Dürr und Lisa Rietzler.

© Michael Böhmländer

„So haben die Zuschauer Ralph Siegel noch nicht erlebt und sicher auch nicht erwartet“, sagt der Komponist selbst über sein Werk und dem kann man nur zustimmen, denn Zeppelin – Das Musical ist mehr als nur Musik von Ralph Siegel, es ist ein unterhaltsames und abwechslungsreiches Bühnenwerk, das derzeit im vielleicht schönsten Theater Deutschlands zu sehen ist. Allein die Pause direkt am Ufer des  Forggensees mit Blick auf Schloss Neuschwanstein verbringen zu können, ist Grund genug, nach Füssen zu kommen.

Markus Lamers, 14. Juni 2024


Zeppelin – Das Musical
Musical von Ralph Siegel und Hans Dieter Schreeb

Festspielhaus Neuschwanstein, Füssen

Besuchte Vorstellung: 13. Juni 2024

Inszenierung: Benjamin Sahler
Musikalische Leitung: Sandra Linder

Trailer

Weitere Aufführungen bis zum 30. Juni 2024