Erneut mit über 50 Musikfreunden nach Heldritt in die Sommeroperette. In diesem Jahr mit einem Musical, dem Broadway-Musical High Society von Cole Porter, jedoch in der deutschen Bühnenfassung. Wir sind in der letzten Vorstellung und das Wetter hat sich bis dahin zurückgehalten, um an diesem Sonntagnachmittag zu zeigen, dass es auch Regen kann. Dies stört die Vorfreude und die Euphorie jedoch in keinster Weise. Ich gebe gerne zu, dass ich mich mit dem Musical im Allgemeinen bisher nicht so sehr angefreundet habe und mich eigentlich schon auf die Johann Strauss Operette im nächsten Jahr zum 200. Geburtstag des großen Komponisten freue, der ja wegen seiner Heirat Coburger und damit Deutscher wurde und so auch verstorben ist. Und mich freut ganz besonders, dass diese letzte Vorstellung fast ausverkauft ist und damit auch der Mut der Verantwortlichen belohnt wird. Und dieses Publikum zeigt, dass es sehr viel Freude an dem Stück über Reichtum und Reiche, Snobs, Schöne und weniger Schöne, Intrigen und reichlich Alkohol hat. Noch etwas gebremst vor der Pause, aber danach mit immer leidenschaftlicherem Applaus, belohnt es eine eindrucksvolle Leistung des gesamten Ensembles.
Was aus Heldritt nicht wegzudenken ist, ist der einfach nur tolle Einsatz der ehrenamtlichen Helfer in allen Bereichen. Jeder packt zu, jeder hilft dem anderen und alles in der Freizeit für die Allgemeinheit. Ohne diese vollkommene Hingabe wäre ein solches Stück nicht zu stemmen, das Markenzeichen von Heldritt, wie ich schon so oft gesagt habe, ist der unnachahmliche Einsatz im ehrenamtlichen Bereich. Man freut sich am Erfolg der Operettentage, denn man weiß, dass man ein gutes Teil an diesem Erfolg selbst beigetragen hat. Die Mitglieder der Vereine aus Heldritt, wie z.B. der Heimatverein Heldritt, der Gesangsverein, die Feuerwehr, der Obst- und Gartenbauverein und viele andere mehr, sorgen vor der Vorstellung, während der Pause und nach der Vorstellung für reibungslosen Ablauf und natürlich mit den heimischen Schmankerln und Leckereien für das leibliche Wohl der Musikfreunde, die von überall her nach Heldritt pilgern. Es wird so viel angeboten, dass man gar nicht weiß, wo man zuerst anfangen soll und vor allem auch nicht, wann man aufhören muss, um die Pfunde nicht ins uferlose purzeln zu lassen. Coburger Bratwürste, belegte Brötchen aller Art, Pizza, Köstlichkeiten der Region und Getränke in jeder Richtung, laden zum Entspannen vor der Vorstellung und in der Pause ein. Das gehört einfach zu Heldritt dazu, hier wird ein familiäres Fest unter Musikfreunden gefeiert und alles macht mit. Ein ganz großes Lob und ein herzliches Dankeschön an all die Helfer, die ihre Freizeit opfern, damit ein gelungenes Fest herauskommt.
Das Musical beruht auf einem Broadwaystück, welches als Film mit Katherina Hepburn, Cary Grant und James Stewart erstmals mit großem Erfolg 1940 unter dem Titel Die Nacht vor der Hochzeit verfilmt wurde. Der bekanntere Filmnachfolger war der 1956 gedrehte und 1957 in die deutschen Kinos kommende Streifen Die oberen Zehntausend mit Grace Kelly, Bing Crosby und Frank Sinatra. Dieser Film wurde ein riesiger Erfolg, vielleicht auch deswegen, weil es für Gracy Kelly ihr letzter Auftritt beim Film war, denn sie heiratete, unter Verzicht auf eine weitere Filmkarriere, Fürst Rainier III von Monaco. Die Musik Cole Porters erobert die Leinwand und True Love, Wer wär schon gerne Millionär, Ganz Paris träumt von der Liebe und viele andere Melodien werden zum Kassenhit.
Der Inhalt in Kurzform ist schnell erzählt. Die reiche, versnobte und verwöhnte Millionenerbin, Tracy Samantha Lord, Tochter von Seth Lord, der dem weiblichen Geschlecht neben seiner Gattin nicht abgeneigt gegenübersteht, befindet sich kurz vor ihrer zweiten Ehe mit dem ehrgeizigen und ein bisschen langweiligen George Kittredge. Ihre Mutter, Margaret Lord, hat sich frustriert mit einem erlebnisarmen Leben abgefunden, die zweite Tochter Dinah ist etwas wild und lässt sich nichts mehr gefallen und das Familienoberhaupt, Onkel Willi, verachtet ein kleines oder auch größeres Gläschen nicht. Am Tag vor der Hochzeit taucht der erste Mann von Tracy, der Schwerenöter und Taugenichts C.K. Dexter Haven auf und stürzt Tracy in ein Wechselbad von Gefühlen. Dazu gesellen sich die beiden Klatschreporter Mike Connor und Liz Imbrie, die für weitere Unruhe sorgen und auch Mike löst bei Tracy Gefühle aus. Nach etlichen Wirren findet Tracy zu ihrem ersten Mann Dexter zurück und alles löst sich in Wohlgefallen auf.
Ich habe das Musical High Society auf der Bühne in Heldritt zum ersten Mal erlebt. Regie führt der in Bayreuth geborenen Claus J. Frankl und seine Regieassistentin ist die in Coburg zur Welt gekommene Dominique Dietel, die auf der Bühne auch die Rolle der Dinah Lord übernommen hat. Frankl ist, das kann man mit Fug und Recht sagen, einfach ein Allroundtalent. Er ist Regisseur, Autor, Sänger, Schauspieler und einfach überall mit größtem Erfolg einsetzbar. Er ist seit vielen Jahren mit der Pramtaler Sommeroperette eng verbunden, deren Geschäftsführer ja auch der Intendant der Coburger Sommeroperette ist. Ich kann mich nicht erinnern, dass er in einem Auftritt, egal in welcher Funktion, nur Mittelmaß gewesen ist, immer strebt er nach dem Vollkommenen und er erreicht es auch immer wieder. Er ist einfach ein unverzichtbarer Bestandteil der Sommeroperette Heldritt. Er hat das Stück mit leichter Hand inszeniert, er gibt dem herzhaften Lachen viel Raum und auch der feine Humor ist eines seiner Markenzeichen. Er hat einfach das Theaterblut im kleinen Finger, lässt den Charakteren ihren Lauf und gestaltet ein völlig überzeugendes Bild des Geschehens auf der Bühne. Eine Leistung, die nicht hoch genug einzuschätzen ist.
Die technische Leitung des Musicals hat in bewährter Weise Friedhelm Wölfert übernommen und er ist, zusammen mit Achim Wölfert auch verantwortlich für den Bühnenbildaufbau. Hier leisten er und sein Team einfach nur eine tolle und professionelle Arbeit, mit großem Einsatz und Ehrgeiz und er ist erst dann zufrieden, wenn alles wie am Schnürchen klappt. Das Bühnenbild selbst stammt von dem Coburger Tobias Engelhardt, der auch die Rolle des Mike Connor auf der Bühne übernommen hatund er macht seine Sache einfach toll. Mit sparsamen Mitteln wird Optimales auf die Bühne gezaubert. Hier hat Heldritt einige Sterne, die um die Wette strahlen.
Die Maske liegt in den Händen von Alexandra und Thea Siller und dafür, dass wir hier eine Privatbühne vor uns haben, die finanziell nicht aus dem Vollen schöpfen kann, wie so manche große Häuser, haben sie einfach nur erstaunliches geleistet, für das man sie bei den größeren Bühnen nur beneiden kann. Für das Kostümbild ist die Coburgerin Juliane Schmidt-Ulmann zuständig und sie hat hier ganze Arbeit geleistet, passen sich die Kostüme doch bunt, lebendig und der Zeit entsprechend an und sind einfach ein wunderschöner Hingucker. Die Choreographie ist hier bei dem in Wetzlar geborenen Jan Reimitz in den besten Händen. Im Stück hat er die Partie des Onkel Willi übernommen und er macht ein Paradestück aus der Rolle. Schon öfter war er auf der Heldritter Bühne zu erleben und immer hat er dabei beeindrucken können. Florian Hornung, auch er ein äußerst erfahrener Fels in der Brandung Heldritts, spielt mit dem Ton und dem Licht und sorgt dafür, dass jeder Ton an jedem Platz gleich zu hören ist. Der mehr als beeindruckende Chor dieser Spielzeit, der von vielen Einheimischen bravourös gestaltet wird, liegt in der bewährten Choreinstudierung von Stefan Meier. In High Society hat der Chor, ebenfalls wie das ausgezeichnete Ballett, sehr viel zu tun und alles wird einfach profihaft und leidenschaftlich dargeboten und zu Recht mit viel Applaus bedacht.
Am Pult des zehnköpfigen Orchesters steht ein Altmeister des Taktstockes, ihm kann niemand etwas vormachen, er hat sein Orchester fest im Griff und lässt es die Porterschen Melodien jauchzen und über dem Publikum als Klangteppich nur so ausbreiten. Der in Nürnberg geborene Reinhard Schmidt, ist der musikalische Leiter des Orchesters. Auch wenn das Orchester nicht allzu groß ist, gelingt es ihm, seine Musiker kraftvoll, leidenschaftlich und voller Herzblut klangvoll aufspielen zu lassen. Er lebt und atmet mit seinem Orchester und man merkt ihm das Feuer und die Leidenschaft richtig an, auch wenn er mit seinen Musikern hoch über der Bühne thront. Er ist, und das habe ich schon oft ausgeführt, einfach eine Heldritter Institution und ein weiterer Fels in der Brandung, der voller Leidenschaft dirigiert und sein Orchester zur Höchstform auflaufen lässt. Eine, einfach nur tolle, beeindruckende Leistung, die er und jeder seiner Musiker hier abliefert.
Der aus Münzkirchen in Oberösterreich stammende Harald Wurmsdobler ist der Intendant und der künstlerische Leiter der Sommeroperette Heldritt, daneben in der Rolle des Vaters Seth Lord zu erleben. Er ist auch der Vorsitzende der Coburger Operettenfreunde e.V., die sich über jeden Beitritt zum Verein sehr freuen würden. Und Harald Wurmsdobler versetzt sich in die Rolle des etwas leichtlebigen, alternden (ehemaligen) Frauenverstehers so richtig hinein und füllt sie hervorragend mit seinem warmen, vollmundigen, leichten und stimmschönen Tenor aus. Als seine Frau Margaret Lord ist die gebürtige Augsburger Sopranistin Elke Kottmair auf der Bühne, die darstellerisch ein Pfund für sich ist und ihren stimmschönen gepflegten Sopran, vor allem in den eingefügten Teilen aus Strauss-Weisen einzusetzen versteht. Gerne hätte man von ihr gesanglich etwas mehr gehört. Die zwei gehen in der Rolle des etwas dekadenten Ehepaares, das am Ende auch wieder mehr oder weniger zusammenfindet, richtiggehend auf. Die hochzeitswillige Millionärstochter Tracy Samantha Lord wird von der in Feldkirch geborenen Lisa Maria Sonderegger dargestellt. Sie spielt gekonnt mit dem Überschwang ihrer Gefühle, die vor allem durch im Übermaß genossenen perlenden Sekt in manche Probleme geführt wird. Die überwiegend als Musicalsängerin tätige junge lyrische Sopranistin hat ihr Diplom an der Musical Akademie in Graz mit Auszeichnung bestanden. Quirlig, frisch, lebhaft und immer am Ball verkörpert sie mit Bravour die Rolle der jungen Dame, die alles besitzt, aber immer noch nicht weiß, was sie wirklich will. Ihre erste Ehe mit C.K. Dexter Haven, der von dem Wiener Tenor Michael Zallinger hervorragend dargestellt wird, ist gescheitert, aber Gefühle kann man nicht einfach so abstellen. Er setzt seinen schönen, klaren und hellen Tenor stilvoll ein, um darstellerisch bravourös weiter charmant um Tracy zu werben, obwohl sie ja kurz vor der Hochzeit mit George Kittredge steht. Dieser Figur verleiht der Wiener Simon Schober sein Gesicht und seine Darstellung und dies macht er ausgezeichnet. Er bringt den etwas einfach gestrickten, zurückhaltenden und braven Ehemannanwärter glaubhaft auf die Bühne. Der ausgebildete Schauspieler verkörpert den etwas linkischen Hochzeiter mit einem leichten und weichen Bariton und kann sehr gefallen. Der dritte im Bunde rund um Tracy ist der Journalist und Buchautor Mike Connor, der von dem Coburger Tobias Engelhardt hervorragend verkörpert wird. Tobias Engelhardt, der bislang auf der Bühne in Heldritt überwiegend in komischen Rollen zu sehen war, zeigt, dass er auch anders kann und dies mit Bravour. Er setzt auch seinen klaren, gefühlvollen, schlanken und weichen Tenor mehr als rollendeckend ein und verkörpert den zwar wollenden, aber doch etwas schüchternen Liebhaber vorzüglich. Wieder einmal eine tolle Vorstellung von ihm. Seine Partnerin Liz Imbrie wird von der in Reichenbach im Vogtland geborenen Julia Domke verkörpert. Sie ist in Heldritt keine Unbekannte und beeindruckt mit ihrem weichen, zarten, ausdrucksstarken und stimmschönen Sopran das Publikum. Darstellerisch legt sie eine hervorragende Partie auf die Bühne und wie fast alle Darsteller ist sie auch tänzerisch im vordersten Glied. Hier wird sie nur übertroffen von dem Wetzlarer Jan Reimitz, der als Onkel Willi alle Register seines außergewöhnlichen Könnens zieht. Er, der auch die Choreographie des Stückes übernommen hat, kann neben seinem schauspielerischen Talent vor allem auch mit seinem Tanz beeindrucken, hier in erster Linie auch mit dem Stepptanz.
Bei diesem Musical ist immer auf der Bühne etwas in Bewegung und der tänzerische Moment steht sehr stark im Vordergrund und wird auch vom Publikum mit begeistertem Applaus belohnt. Schließlich ist noch mit der jungen Coburgerin Mezzosopranistin Dominique Dietel als Dinah Lord ein weiterer großer Pluspunkt auf der Bühne zu erleben. Sie, die in Heldritt schon vor Jahren in die Rolle der Regieassistentin schlüpfte, übernahm im letzten Jahr als Klärchen erstmals eine Solistenrolle. Damals schrieb ich unter anderem, dass sie, wenn noch etwas Stimmkraft zugelegt wird, sich zu einer ausgezeichneten Darstellerin entwickeln kann. Und siehe da, mit schönem, weichem, aber auch schon durchschlagskräftigem Mezzosopran kann sie das Publikum auf ihre Seite ziehen. Mit einer grenzenlosen Spielfreude, einer tänzerischen und gestalterischen Begabung, ist sie ein Dreh- und Angelpunkt auf der Bühne.
Langer, fast nicht endend wollender Applaus am Schluss der Vorstellung zeigt, dass es dem Publikum ausgesprochen gut gefallen hat. Im nächsten Jahr wird es in Heldritt einen Johann Strauss geben, welchen möchte ich noch nicht verraten, aber ich freue mich schon riesig darauf. Die Sommeroperette Heldritt ist immer eine Reise wert und längst schon mehr als ein Geheimtipp geworden. Ja, in Heldritt hat diesmal ganz Paris von der Liebe geträumt und sich bei True Love selig im Takt der Musik gewiegt, im nächsten Jahr ist wieder der Walzertakt angesagt.
Manfred Drescher, 21. August 2024
High Society
Musical von Cole Porter
Premiere: 8. August 2024
Besuchte Vorstellung: 18. August 2024
Regie: Claus J. Frankl
Musikalische Leitung: Reinhard Schmidt
Orchester, Chor und Ballett der Sommeroperette Heldritt