Flensburg: „Die Liebe zu den drei Orangen“, Sergei Prokofjew

Es gibt viel zu sehen in dieser Inszenierung von Operndirektor Hendrik Müller und das dankt ihm das Publikum auch. In der Pause hörte ich einen Zuschauer darüber reüssieren, dass ihm das Gesehene ohne die störende Musik wirklich gut gefiele und auch andere Gäste mussten erst einmal auf der Straße tief durchatmen, bevor sie sich dem zweiten Teil des Abends widmen konnten. Müllers Phantasie scheint schier grenzenlos zu sein und er lässt alle Künstler auf der Bühne wie selbstverständlich schauspielerisch das Optimum aus sich herausholen.

© Thore Nilsson

Zentrales Element der Bühne von Marc Weeger ist ein Kabinett mit drei Türen, welches auf einer Drehbühne platziert ist. Diese ist ständig im Einsatz und hilft somit dabei, die Aktion auf der Bühne stets in Schwung zu halten. Auch die fantasievollen Kostüme sind von Weeger und allein das Betrachten dieser würde schon für staunende Gesichter sorgen. Nicht wenige Gewänder erinnern an die schillernden Auftritte berühmter Pop-Stars. Dazu gewinnt man schnell den Eindruck, fast das gesamte Geschehen sei geschickt durchchoreographiert (Choreographie und Co-Regie: Andrea Danae Kingston), was wiederum zusätzlich zur Kurzweil dieser in deutscher Übersetzung von Werner Hintze gesungenen surrealen Märchenoper beiträgt.

Musikalisch ist an diesem Abend alles außergewöhnlich gut aufeinander abgestimmt. Sergi Roca Bru führt Solisten, Orchester und den groß besetzten Chor souverän durch den Abend. Den Sängern kommt es dabei sicher zugute, dass die reduzierte Orchesterfassung von Philipp Haag gegeben wird. Dabei gelingt es dem Schleswig-Holsteinischen Sinfonieorchester blendend, die Klangwelten des sowjetischen Komponisten in den Zuschauerraum zu transportieren. Auch gesanglich bleiben keine Wünsche offen. Der optisch ins Lächerliche gezogene Prinz wird von Dritan Angoni in all seinen Facetten verkörpert und changiert in dessen vokaler Gestaltung zwischen imposantem Charaktertenor und schönstimmigem Opernhelden mit feinster lyrischer Finesse. Mit Spielfreude und vokalem Glanz verzaubert Malgorzata Roclawska als Prinzessin Ninetta nicht nur den Prinzen, sondern auch die Zuschauer. Philipp Franke mit seinem bronzenen Timbre erleben wir in drei unterschiedlichen Rollen: als Pantalone, als Teufel Farfarello und als Herold. Timo Hannig überzeugt gleichermaßen als wohlklingender Leander und als polternde Köchin.

© Thore Nilsson

Kai-Moritz von Blanckenburg gibt klanglich einen würdevollen Kreuz König und vermag diesen dennoch mit einem Augenschmunzeln darzustellen. Der Spaßmacher Truffaldino ist bei Christian Alexander Müller in besten Händen und die Hexe Fata Morgana wird eindringlich von Itziar Lesaka gegeben. Mikołaj Bońkowski als Zauberer Tschelio, Anna Stepanets als Prinzessin Linetta, Anna Avdalyan als Prinzessin Nicoletta und Vera Semieniuk als Prinzessin Clarice tragen gemeinsam mit den von Avishay Shalom einstudierten, teils im Zuschauerraum agierenden, Chören zur tadellosen Ensembleleistung bei. Und natürlich ist auch die Musik von Sergei Prokofjew eine Wucht und hat nicht zuletzt mit dem Marsch im zweiten Akt John Williams zur Ewok Parade in seinem Soundtrack zu Die Rückkehr der Jedi-Ritter inspiriert.

In der fast ausverkauften Vorstellung belohnt das Flensburger Publikum seine Künstler mit langanhaltendem Applaus. Ein toller Erfolg für Operndirektor Hendrik Müller und seine musikalische Crew.

Marc Rohde, 11. November 2024


Die Liebe zu den drei Orangen
Oper in vier Akten und einem Prolog von Sergei Prokofjew

Schleswig-Holsteinisches Landestheater

Premiere am 5. Oktober 2024 in Flensburg
Besuchte Vorstellung: 9. November 2024 in Flensburg

Inszenierung: Hendrik Müller
Musikalische Leitung: Sergi Roca Bru
Schleswig-Holsteinisches Sinfonieorchester