Bei perfektem Wetter für sommerliche Freiluftaufführungen ging dieser Wagner-Abend des „Landestheater Niederbayern“ über die Bühne im Hof der imposanten Burganlage, hoch über dem Zusammenfluß von Ilz, Inn und Donau. Auffallend die vorbildliche Disziplin des interessierten Publikums: in Generalpausen hätte man die sprichwörtliche Stecknadel fallen hören können! Ein Labsal nach dem gräßlichen Wiener Heumarkt-Publikum bei „La Traviata“ in der Vorwoche etwa.
Nun hatte der Abend auch seine Qualitäten – das Gesamtpaket hatte sehr gut gepasst, war gefällig und überzeugend – wenn auch mit dem einen oder anderen Abstrich – insgesamt eine erfreuliche Steigerung gegenüber dem letztjährigen „Tannhäuser“. Das Einheitsbühnenbild charakterisierte sehr gut den mittelalterlichen Schauplatz, mit einer „oberen Etage“ gelangen gute Tableaus, und die historisierenden Kostüme waren eine Augenweide gegenüber den auf den heutigen Bühnen bereits mehrheitlich verwendeten Fetzen: ein Lob daher an Ursula Beutler, die für all dies verantwortlich zeichnete. Thomas Ecker wurde da der ideale Rahmen für die möglichst unverfälschte und nicht unnötig „aktualisierte“ Erzählung der Handlung geboten, die er im Prinzip auch gut geschafft hat. Warum im 3. Akt – der überhaupt der schwächste des Abends war – der Brautchor eher an die Maskerade im letzten Akt Falstaff erinnerte, sich alle möglichen Maskierte dort tummelten, und Telramund als Krampus/ Percht/Klaubauf verkleidet war, erschloß sich mir ebenso wenig, wie der Grund dafür, warum Elsa bei ihrem ersten Auftritt (Chor singt: Seht hin! Sie naht die hart Beklagte!) gefesselt auf die Bühne geschubst wurde, wo es heißt, daß sie zuerst „im Hintergrunde verweilt“ und dann sehr langsam „schreitet“…Entbehrlich auch, daß Ortrud den schon recht „erwachsenen“ Knaben Gottfried (Sophie Wimmer) im zweiten Akt gefesselt „vorführt“ – daß er am Ende auftritt ist ja in Ordnung. Schwan gab es keinen. Aber trotz dieser „Beckmesserei“ überwog das Positive der szenischen Komponente bei Weitem – und das ist schon sehr viel in der heutigen Zeit.

Basil E. Coleman wirkt nun bereits fast drei Jahrzehnte am Haus bzw. richtigerweise an den Häusern, da ja jede Produktion auch in Landshut und Straubing gespielt wird) und hatte mit dem Orchester offenbar sehr gut gearbeitet, denn die Musiker boten eine differenzierte und spannungsgeladene Wiedergabe der Wagnerschen Partitur – so weit über die durchaus passable Verstärkung beurteilbar. Ein wenig rasch ging er dann den dritten Akt an – zwar bereits zu später Stunde, aber ein wenig mehr Muße im Brautgemach hätte da sicher nicht geschadet. Nach etwas dünnem Beginn im ersten Akt fing sich der von Guiran Jeong einstudierte Chor sehr gut und bot, speziell in Akt Zwei und Drei eine tadellose Leistung, wobei ich die vier klangschönen und harmonischen Edelknaben, hier eher Brautjungfern Julia Renz-Köck, Barbara Strasser, Miriam Biber und Andrea Karl-Brandl explizit herausstreichen möchte!
Ob die Verstärkung in diese Stile notwendig ist, wage ich nach wie vor zu bezweifeln! Das Orchester braucht sie wohl schon – oder man müsste es gehörig aufstocken, für die Solisten wäre der Zuhörerbereich sicher auszusingen. Klarerweise wäre dann der gesamte Lautstärkepegel geringer – was aber durchaus seine Wirkung nicht verfehlen würde, ein noch verfeinertes Klangbild wäre der Lohn…So kommen Dynamik und die Schattierungen zwischen den einzelnen Stimmen doch ein wenig ins Hintertreffen. Das liegt in der Natur der Sache, da können selbst gute Leute an den Reglern (die man hier zweifellos hatte) nicht viel daran ändern oder verbessern.
Bei „Nun sei bedankt“ allerdings hatte man den Lohengrin so laut aufgedreht, daß man direkt zusammenzuckte. Bedanken musste man sich bei Edward Leach, der die Partie für den erkrankten Kristian Benedikt relativ kurzfristig übernehmen und ebenso einstudieren mußte. Dafür machte der junge Engländer, der Ensemblemitglied am Haus ist, aber zum ersten Mal eine derartig lange und schwierige Rolle zu bewältigen hatte, anfangs gar keine schlechte Figur: phrasierte musikalisch und war darstellerisch ein Held der „fragilen Art“. Relativ sicher und ökonomisch gestaltete er den ersten Akt, im zweiten sah man ihm vereinzelt nur „angetippte“ Höhen noch nach. Leider versuchte er dann den gesamten dritten Akt die höheren Passagen teils falsettierend, teils drüber schwindelnd zu überstehen. Das wurde dann einem gestandenen Schwanenritter nicht gerecht – kein einziger der ohnedies nicht übermäßig dramatischen Höhen kam im erforderlichen Ausmaß – wobei ich da weniger den Sänger, der sich sichtbar abquälte, in die Pflicht nehmen möchte, als die Verantwortlichen im Theater, die das hätten wissen müssen.

Immerhin war er wortdeutlich, was von der optisch und als Figur sehr präsenten Iryna Zhytynska leider nicht behauptet werden konnte, man verstand kein Wort! Ihr Mezzo klingt apart und hat eine angenehme Mittellage, sie begann auch achtbar, aber die „Entweihten Götter“ zeigten schonungslos auf, daß diese Partie stimmlich nicht die ihre ist, und über ihren Auftritt im Finale sei der Mantel des Schweigens gebreitet. Erfreulich hingegen, daß Kyung Chun Kim wieder Anschluß an seine ausgezeichnete Form vor seiner Erkrankung gefunden hat. Schonungslos setzte er seinen kernigen gewordenen Bariton für den Telramund ein und war auch als Darsteller glaubwürdig. Auch der Heerrufer des Schweden Albin Ahl konnte sehr gut gefallen: sehr engagiert und mit totalem Einsatz wertete er die oft unterschätzte Partie auf. Eine exzellente Leistung bot der junge Oberösterreicher Philipp Mayer als König Heinrich! Diese Partie erfordert nicht nur Tiefe, sondern auch heldenbaitonale Höhen – über beides gebietet der baumlange Sänger, der noch dazu über eine blendende Diktion und Technik verfügt und eine erfreuliche Überraschung für mich war, den man gerne wiederhört und beobachten sollte. Erneut keine Überraschung war die Leistung von Ytian Luan: welch Glück solch eine Künstlerin am Haus zu haben. Ihre natürliche Musikalität, ihre Phrasierung und Differenzierung dank der exzellenten Technik bieten die Grundlage, ihren warmen Sopran richtig aufblühen zu lassen, zu schwelgen ( „Es gibt ein Glück…“), aber auch die Ensembles anzuführen, zu überstrahlen. Dabei verinnerlicht sie jede Rolle und macht auf der Bühne instinktiv „das Richtige“: solche Persönlichkeiten sind absolut nicht alltäglich.
Zum Schluß gab es trotz der Länge des Abends viel Applaus und Zustimmung – niemand lief sofort weg: auch eine Bestätigung für die positive Beurteilung durch das Publikum, der ich mich im Großen und Ganzen anschloß. Man muß dieses kleine Theater bewundern, was es in diesen für alle Opernhäuser schwierigen Zeit alles zu Wege bringt! Die sympathische Dreiflüssestadt ist sowieso immer eine Reise wert!
Michael Tanzler, 15. Juli 2025
Dank an unsere Freunde vom MERKER-online (Wien)
Lohengrin
Richaed Wagner
Passau
Burgfestspiele/Veste Oberhaus
13. Juli 2025
Regie: Ursula Beutler
Dirigat: Basil E. Coleman
Orchester der Burgfestspiele