Wieder mit weit über 50 Musikfreunden nach Heldritt in die Sommeroperette. Und im Jahr des 200ten Geburtstages von Johann Strauss, steht natürlich auch ein Werk von ihm auf dem Spielplan, es ist sein letztes Werk, sein Wiener Blut. Die Operette war ein Auftragswerk von Franz Jauner, dem damaligen Direktor des Wiener Carl Theaters, an den damals bereits 73jährigen Johann Strauss. Der Arrangeur Adolf Müller jr. entschloss sich, für diese Operette verschiedene Musikstücke des Meisters zu einem neuen Werk zusammenzufügen und mit dem Libretto von Victor Léon und Leo Stein zu verschmelzen. Johann Strauss starb am 3. Juni 1899 und konnte die Uraufführung seines letzten Werkes, welche am 25. Oktober 1899 stattfand, nicht mehr miterleben. Neben der unverwüstlichen Fledermaus, die auch die Königin der Operette genannt wird, zählt Wiener Blut zu den Meisteroperetten des großen Komponisten und gehört zu seinen beliebtesten Stücken.
Der Inhalt ist schnell erzählt und äußerst verworren. Gabriele, eine temperamentvolle und lebenslustige Frau, heiratet Balduin Graf Zedlau. Sie zieht sich jedoch nach der Hochzeit auf das Schloss ihrer Eltern zurück, weil sie, die lebenslustige Wienerin, ihn, den Prinzgemahl für zu langweilig, spießig und leidenschaftslos hält, halt für einen ausgesprochen trockenen, bürokratischen Gesandten von Reuß-Schleiz-Greiz, der aus ihrer Sicht mit ihrer Lebensart und Lebenseinstellung nicht mithalten kann. Doch aus dem Langeweiler ist ein richtiger charmanter Lebemann geworden, der seine Geliebte, die Tänzerin (in Heldritt die Sängerin) Franziska Cagliari, deren Vater Kagler (in Heldritt ein Würstelfabrikant) schon von höheren Weihen für seine Tochter träumt, in der Villa seiner Gemahlin untergebracht hat. Leidenschaftlich stellt er auch Pepi, der Freundin seines Kammerdieners Josef, was er aber nicht weiß, nach. Seine Frau Gabriele, die von allem gerüchteweise hört, wird daraufhin eifersüchtig und besucht einfach ihren Schlawiner. Dabei kommt es zu den tollsten Verwechslungen, an denen Fürst Ypsheim, der Botschafter von Reuß-Schleiz-Greiz in Wien, großen Anteil hat, da er in seiner Tollpatschigkeit alles durcheinanderbringt, völlig falsch versteht und damit große Probleme schafft. Natürlich löst sich dies alles am Schluss auf, wie es in einer richtigen Operette zu sein hat, alles kommt zusammen, was zusammengehört und Schuld daran hat natürlich das Wiener Blut.
Mit der Auswahl und Darbietung des Stückes hat der erfolgreiche Intendant der Sommeroperette Heldritt, Harald Wurmsdobler, wieder einmal ein mehr als glückliches Händchen bewiesen und eine Aufführung auf die Bretter, die die Welt bedeuten, gestellt, die hervorragend besetzt, klassisch inszeniert, humorvoll aufbereitet und bravourös den Geburtstag von Johann Strauss mehr als eindrucksvoll gefeiert hat. Harald Wurmsdobler ist für Heldritt einfach nur ein Glücksfall.
Und noch eine Besonderheit in diesem Jubiläumsjahr für Johann Strauss, der Urgroßneffe von Johann Strauss, Prof. Dr. Eduard Strauss, hat für die gesamte Spielzeit in Heldritt die Schirmherrschaft übernommen, hat sich auch den Zauber der Musik in Wiener Blut nicht entgehen lassen und außerdem am letzten Tag der Aufführungsserien ein Kammermusik-Konzert im Jagdschloss Bad Rodach hervorragend moderiert, die musikalische Leitung lag in den Händen von Florian Luderschmid. Vor dem Beginn der zehn Aufführungen von Wiener Blut fanden am 25. Juli auf dem Schlossplatz in Bad Rodach ein Gala Konzert mit Werken von Strauss statt, die dieser für Coburg komponiert hatte. Zwei Kammerkonzerte im Stadtcafé von Bad Rodach luden am 17. Juli und am 31. Juli als Fünf Uhr Konzert die Musikliebhaber ein und am 20. Juli sowie am 3. August wurden sonntags vormittägliche Kurkonzerte direkt am idyllischen Kurparkteich aufgeführt.
Was viele vielleicht gar nicht so wissen ist, dass Johann Strauss eine besondere Beziehung in Bayern hatte und zwar zu Coburg. Hier wurde er im Jahr 1887 vom damaligen Oberbürgermeister von Coburg Herrn Muther zum Coburger Bürger gemacht und bekam dadurch die Staatsangehörigkeit des Herzogtums Sachsen-Coburg und Gotha. Damit war er offiziell Deutscher und blieb dies bis zu seinem Tod. Die Ehe, die ihm in Wien verwehrt wurde, schloss er in Coburg. Die Coburger sind stolz auf ihren musikalischen Mitbürger und die Österreicher versuchen dies nicht zur Kenntnis zu nehmen.

Bevor ich auf die wunderschöne, erfrischende, humorvolle und gesanglich hochrangige Aufführung eingehe, vielleicht noch ein paar Worte zu einem nicht so schönen Ereignis. Am 22. Februar dieses Jahres, verstarb völlig überraschend einer der Väter der Operettenaufführungen in Bad Rodach auf der Waldbühne Heldritt, der Dirigent Reinhard Schmid. Er war der leidenschaftliche Mentor, der ständige Mahner und Verbesserer, die treibende Kraft der Veranstaltungen auf der Waldbühne. Reinhard war nicht nur Aushängeschild der Operette in Heldritt, sondern ein wahrer Freund, der alles in den Dienst der Musik und der Naturbühne in Heldritt steckte. Lieber Reinhard, wir vermissen Dich sehr.
Typisch für Heldritt auch der außergewöhnlich hohe Einsatz der ehrenamtlichen Helfer, ohne deren Leistung eine solche Aufführungsserie nicht auf die Beine zu stellen wäre. Jeder packt an und jeder freut sich und ist stolz darauf, als kleines Rädchen dazu beigetragen zu haben, dass die Sommeroperette Heldritt weiterhin eine ganz besondere Adresse ist. Alles ist dabei, der Heimatverein Heldritt, die Feuerwehr, der Obst- und Gartenbauverein, der Gesangsverein und viele weitere, alle kümmern sich und sorgen für einen reibungslosen Verlauf. Alle sind vor der Vorstellung, in der Pause und nach der Vorstellung darauf bedacht, alles ohne Probleme ablaufen zu lassen. Und sie sorgen auch neben dem musikalischen Vergnügen für das leibliche Vergnügen. Regionale Leckereien werden angeboten, Coburger Bratwürste natürlich, belegte Brötchen jeder Geschmacksrichtung, Kaiserschmarrn und vieles mehr, so dass man bald nicht mehr weiß, was man noch zu sich nehmen darf, ohne sich Sorgen um die Pfunde zu machen. Ich vergesse während der Zeit in Heldritt einfach meine Figur und schlemme, denn alles schmeckt einfach vorzüglich. Dies tut der Vereinskasse gut und auch meinem Magen. Die Sommeroperette Heldritt ist, wie auch die sonstigen Aufführungen der Waldbühne, wie eine große, sich gut verstehende Familie, hier feiert man unter Freunden, unter Musikbegeisterten und ich kann nur jedes Jahr erneut ein riesengroßes Lob der Organisation zollen und den vielen Helfern, die ihre Freizeit opfern, manche haben sogar Urlaub genommen, um hier dabei zu sein und die Veranstaltungen einfach zu unterstützen. So etwas findet man sonst fast nicht mehr.

Ich habe die Operette Wiener Blut schon viele Male erleben dürfen, aber hier in Heldritt, ist es gelungen, eine äußerst spritzige, amüsante, werkverbundene, musikalisch und gesanglich hochklassige Aufführung auf die Waldbühne zu bringen.
Regie führt Frau Dr. Heike Quissek und sie ist in Heldritt keine Unbekannte. Bereits zwischen 1998 und 2003, war sie als Abendspielleiterin und Regieassistentin bei der damaligen Sommeroperette Coburg engagiert. Erfrischend werkgetreu und mit leichter zarter Hand, inszeniert sie das verflixte Verwirrspiel. Sie verlegt das alles vom beginnenden 19. Jahrhundert in die 60er Jahre, was dem Werk recht guttut. Mit sorgfältiger Hingabe entstaubt sie alles, aber nur ein bisschen, so dass der Charakter erhalten bleibt. Auch steht der Humor, sehr fein und manchmal auch ein bisschen gröber und viel befreiendes Lachen bei ihr im Vordergrund. Fröhlichkeit, Humor, Werktreue, das sind Garanten für eine gelungene Aufführung. Hierbei helfen ihr sehr stark ihr kongenialer Bühnenbildner Partner Friedhelm Wölfert, ein alter, erfahrener Hase in Heldritt, der auch die technische Leitung innehat und die Kostümbildnerin Kathrin Younes. Alles bunt, farbig, hübsch anzusehen, einfach ein optisches Highlight. Die Figuren werden als Menschen mit Vor- und Nachteilen authentisch gezeichnet. Ein frisches Lüftchen weht über die Waldbühne und das tut ihr sehr gut. Alles auf der Bühne hat immensen Schwung, alles erfreut Auge und Ohr und auch die hinreißenden Tänze, deren Choreographie Michael Zallinger übernommen hat, tuen ein weiteres dazu. Ja, am liebsten möchte man mitsingen und mittanzen, wird von der Musik eingefangen und verlebt einen wunderbaren Nachmittag bei schönstem Wetter. So macht Operette einfach nur Spaß, vor allem auch, wenn die herrlichen Melodien von Johann Strauss das Publikum mitreißen.
Die Maske liegt in den bewährten Händen von Alexandra und Thea Siller und man muss sich hier immer vor Augen halten, dass wir eine kleine private Bühne vor uns haben, die nicht riesige Subventionen einstreicht und dafür hat man mehr als erstaunliches geleistet. Man braucht sich mit Sicherheit nicht vor größeren und finanziell weitaus besser ausgestatteten Bühnen zu verstecken.
Licht und Ton liegen in den Händen von Florian Hornung, von dem ich einmal zu Recht gesagt habe, dass er ein äußerst erfahrener Fels in der Brandung Heldritts ist. Alles muss überall auf der Waldbühne zu hören sein und dafür sorgt er aufs Vorzüglichste. Der eindrucks- und ausdrucksvolle Chor, der von einheimischen Laiensängern bravourös gestaltet wird, ist mehr als beeindruckend, seine Leitung liegt in der ausgezeichneten Choreinstudierung von Stefan Meier. Und man merkt jedem einzelnen Chormitglied die Leidenschaft, die Hingabe und die bedingungslose Freude an, mit der sie sich dieser Aufgabe widmen und damit das Publikum mehrfach zu wahren Applausstürmen hinreißen.
Das zwanzigköpfige Orchester, eigens für die Sommeroperette zusammengestellt, wird von dem Dirigenten, Orchestermusiker, Musikpädagogen und Komponisten, dem in St. Ingbert im Saarland geborenen Manuel Grund geleitet. Und er macht seine Sache mehr als gut. Er breitet mit seinen Musikern einen wunderschönen Klangteppich Strauss´scher Melodien aus und hat sein Orchester immer fest in der Hand. Kraftvoll, leidenschaftlich, aber wo es sein muss, auch zurückhaltend und zart, lässt er die wundervollen Melodien erklingen. Alles, was er und seine Musiker abliefern, hat Hand und Fuß und wird mit stürmischem Beifall bedacht. Ein weiterer Pluspunkt einer an Höhepunkten wahrlich nicht armen Aufführung.

Die Partie des sich zum Lebemann entwickelnden Balduin Graf Zedlau, ist dem in Bamberg geborenen Martin Fösel wie auf den Leib geschrieben. Sein gefühlvoller Tenor besitzt viel Schmelz, ist weich und biegsam, voller Glanz, kann sich aber auch zu kräftigeren Tönen problemlos aufschwingen und bietet hier durchschlagskräftige Töne. Dass er dabei auch noch ein exzellenter Darsteller ist, sei ebenfalls besonders erwähnt. Er verleiht dem wandelbaren, den verschiedenen Damen nicht abhold seienden Schwerenöter die richtigen Facetten und kann auch das verschmitzte der Rolle vorzüglich zu seinem Publikum transportieren. In den Duetten mit seinen drei Schönen kann er sich so richtig ausleben, darstellerisch und stimmlich. Eine Partie, die ihm zu Recht, viel Applaus des begeistert mitgehenden Publikums einbringt.
Als seine Gattin Gabriele, Gräfin Zedlau, erleben wir die in Augsburg geborene Elke Kottmair. Über sie, die schon oft hier auf dieser Bühne stand, noch viel zu sagen, hieße Eulen nach Athen zu tragen. Mit stimmschönem, kräftigem, leidenschaftlichem Sopran, den sie klang- und gefühlvoll einsetzt, kann sie natürlich problemlos das Publikum und am Ende auch ihren ungetreuen Gemahl überzeugen und für sich gewinnen.
Als Sängerin Franziska Cagliari, ist die geborene Hamburgerin Clarissa Maria Undritz zu erleben und ein Erlebnis ist ihr Auftritt allemal. Ihr Sopran ist leidenschaftlich, flirrend, durchschlagend und strahlend. Mit leidenschaftlichem Spiel betört sie ihren Grafen und man beginnt zu verstehen, warum er sie zu seiner Gespielin erwählt hat. In einer Einlage singt sie aus Die Fledermaus die wunderbare Arie „Spiel ich die Unschuld vom Lande“ mit allen Facetten und erntet, völlig zurecht, begeisterten Applaus des hingerissenen Publikums. Ebenfalls eine mehr als überzeugende Leistung.
Als dritte im Bunde die junge oberösterreichische Sopranistin Martha Matscheko als Modistin Pepi Pleininger. Und sie erobert die Herzen des Publikums im Sturm (auch die des Rezensenten). Sie verkörpert ein wahres Temperamentbündel auf der Bühne, leidenschaftlich, quirlig, mit akrobatischen Tanzeinlagen fegt sie förmlich über die Bretter, dass sie dabei auch noch bezaubernd singt, ist ein weiteres. Mit zartem, aber auch leidenschaftlichem, glockenklarem Sopran wickelt sie den Herrn Grafen nur so um die Finger, genau wie ihren Freund, den Botschaftsassistenten Josef, dem Diener des Grafen. Er wird von dem Wiener Baritontenor Michael Zallinger verkörpert. Er mit reiner, schöner, fester und auch durchdringender Stimme ist mit dem zentralen Punkt in der Aufführung. In den Duetten mit seiner Pepi können beide ihr musikalisches, komödiantisches und gesangliches Talent auf das Beste ausspielen und werden mit Riesenapplaus dafür belohnt. Es macht nur Spaß ihnen zuzuschauen und zuzuhören.

Der in Münzkirchen in Oberösterreich geborene Harald Wurmsdobler, verkörpert den Vater der Sängerin Cagliari. Und er macht aus dieser Rolle ein Bravourstück. Darstellerisch eine Klasse für sich, bringt er den, dem Wein nicht abholden und seine Tochter verkuppeln wollenden Vater bravourös auf die Bühne. Als Würstelkönig genießt er richtig – zu Recht – seinen fulminanten Auftritt. Gesanglich ist er wie immer ohne Fehl und Tadel, mit gefälligem weichem und ausdrucksstarkem Tenor.
Eine besondere Rolle hat der aus Coburg stammende Tenor Christian Engelhardt. Seit 30 Jahren ist das Urgestein ein Aushängeschild der Operette und Volksstücken auf der Waldbühne Heldritt. Immer wieder kommt er hierher zurück, sehr zum Vergnügen seines Publikums. Er hat die Partie als Botschafter von Reuß-Schleiz-Greiz zu verkörpern und er tut dies ausgezeichnet. Mit ungeheurerem Spielspaß verkörpert er den sächsisch-thüringisch im breitesten Slang sprechenden, alles verwechselnden Chefs des Grafen. Und er macht dies recht gut. Ein Freund aus Sachsen sagte mir nach der Vorstellung, dass er bis auf einige Kleinigkeiten beinahe als Sachse durchgehen könnte. Na, wenn das mal kein Kompliment ist. Gesanglich mit kräftigem durchschlagendem Tenor ein weiterer Höhepunkt. Komödiantisch alle Register ziehend, wird er zu einem der Publikumslieblinge des Nachmittags. Der geborene Coburger Rainer Möbius, vervollständigt die Solistenschar als Botschafter aus Pontenegra und der Hobbyschauspieler (wie er sich selbst nennt) macht dies mehr als ausgezeichnet, mit viel Herzblut und mit viel Charme.
Ebenso überzeugt der aus Schleusingen stammende Mario Förster in der Rolle eines Taxifahrers und eines Kellners voll und ganz.
Insgesamt kann ich nur sagen, dass diese drei Stunden wie im Flug vergangen sind, das Publikum restlos begeistert ist und damit eindeutig zeigt, dass die vielgeschmähte Operette noch lange nicht tot ist.
Manfred Drescher 19. August 2025
Wiener Blut
Operette von Johann Strauss
Sommeroperette Heldritt
Premiere: 7. August 2025
Besuchte Vorstellung: 16. August 2025
Regie: Dr. Heike Quissek
Musikalische Leitung: Manuel Grund
Orchester, Chor und Ballett der Sommeroperette Heldritt