Eine „normale“ Produktion von Puccinis Madama Butterfly hat es in Bremen lange nicht gegeben. Die letzte Inszenierung 2011 von Lydia Steier spielte in einem Nachtclub mit Cio-Cio-San als Showstar und tödlichen Schüssen auf Pinkerton. Und jetzt präsentierte Ulrike Schwab, die in Bremen bereits mit „I Pagliacci“ und „Salome“ für ungewöhnliche Theaterabende sorgte, ihre spezielle Sicht auf Madama Butterfly.
Das durchgehend unveränderte Bühnenbild von Rebekka Dornhege Reyes zeigt nebeneinander drei Zimmer: Links ein rosafarbenes, mit roten Herzchen versehenes und an ein Bordell erinnerndes Etablissement, dann eine Art Wohn- und Schlafzimmer und rechts eine ärmliche Küche aus den 50er Jahren. In jedem dieser Räume agiert eine Cio-Cio-San – eine ganz junge, eine im mittleren Alter und eine alte Frau.

Schwab will diese drei nicht als eine Person in verschiedenen Lebensphasen sehen, sondern als drei verschiedene Frauen, die eigentlich nichts miteinander zu tun haben. „Für mich ist ‘Butterfly‘ ein Stück über Frauen und nicht nur über eine Frau“, sagt Ulrike Schwab. Dabei sind es vor allem drei Themen, die sie beleuchten will: Flucht aus der Realität, die Suche nach der eigenen Identität und die Einsamkeit im Alter. Und in sehr freier Interpretation ordnet sie jeder ein bestimmtes Schicksal zu. Die junge Cio-Cio-San I befindet sich in einem Ablösungsprozess von ihrer Familie, Cio-Cio-San II hat ein Kind verloren und zerbricht daran und Cio-Cio-San III hängt in völliger Einsamkeit ihren Erinnerungen und Fantasien nach. Und sie teilen sich die Partie auch stimmlich. Ständig singt eine andere Cio-Cio-San, auch innerhalb einzelner Szenen. Die Logik, wer wann und warum singt, bleibt eine offene Frage. Beim Liebesduett sind sogar alle drei wechselseitig beteiligt. Das bringt keinerlei Erkenntnisgewinn und erschwert dem Zuschauer, sich emotional auf das Schicksal Cio-Cio-Sans einzulassen.

Cio-Cio-San III legt sich am Ende sogar den Schal wie Kate Pinkerton (hier eine stumme Rolle) um und singt auch deren kurze Partie. Bedingt durch das Bühnenbild ist der Chor kaum zu sehen und auch manche der Solisten verschwinden im Hintergrund. Die Personenführung ist überwiegend statisch, auch wenn Pinkerton ein paar alberne Tanzschritte vollführen muss und die drei Damen ständig mit irgendwas beschäftigt sind. Der Konsul steht bei seinem Auftritt im Glitzeranzug und mit seiner Teetasse steif wie eine Kunstfigur da. Suzuki und Cio-Cio-San II gönnen sich einen lesbischen Kuss (Identitätsfindung!) – das durfte ja nicht fehlen. Am Ende stürzt sich Cio-Cio-San I vom Dach, nachdem sie sich Engelsflügel umgeschnallt hat, und Cio-Cio-San III vergiftet sich mit einem Putzmittel. Cio-Cio-San II bleibt regungslos stehen.

Auf der Habenseite dieser Premiere ist eindeutig die musikalische Wiedergabe durch Sasha Yankevych und die Bremer Philharmoniker, die Puccinis melodische Kraft in voller Blüte entfalten und in Fragen der Tempi und der Dynamik rundum begeistern. Die Titelpartie ist sehr ungleich verteilt. Angela Jiyoung Shin hat als Cio-Cio-San I den kleinsten Anteil, gefolgt von Brigitte Hahn als Cio-Co-San III. Beide erfüllen ihre Aufgaben sehr ansprechend. Im Zentrum steht aber Sarah-Jane Brandon als Cio-Cio-San II, die mit ihrem üppigen Sopran für emotionale Momente sorgt. Auch die Arie „Un bel di vedremo“ ist bei ihr gut aufgehoben. Als Pinkerton kann Oliver Sewell alle Vorzüge seines strahlenden Tenors ins Feld führen. Nathalie Mittelbach ist im Bremer Ensemble eine verlässliche Kontante. Sie singt auch die Suzuki mit Präsenz und Wohllaut. Michał Partyka ist mit seinem schlanken Bariton ein nobler und empathischer Konsul. In weiteren Partien bewähren sich besonders Fabian Düberg als Goro und Arvid Fagerfjäll als Yamadori.
Wolfgang Denker, 16. September 2025
Madama Butterfly
Oper von Giacomo Puccini
Theater Bremen
Premiere am 14. September 2025
Inszenierung: Ulrike Schwab
Musikalische Leitung: Sasha Yankevych
Bremer Philharmoniker
Weitere Vorstellungen: 21. September, 5., 11., 16., 31. Oktober, 15. November, 20. Dezember 2025, 28. Januar 2026