Zürich: „Liederabend Elīna Garanča“

Das war ein wunderbarer, faszinierender Lieder- und Arienabend der gefeierten Mezzosopranistin Elīna Garanča gestern Abend zur vokalen Saisoneröffnung im Opernhaus Zürich. Und Zufälle gibt es, das ist kaum zu glauben. Denn als dritte und letzte Zugabe sang Elīna Garanča „Nana“ aus den SIETE CANCIONES ESPAÑOLAS von Manuel de Falla – und dies war auch die Zugabe gewesen, mit der am Abend zuvor in der Tonhalle Zürich Sol Gabetta mit ihrem so warmstimmig singenden Cello das Publikum beglückt hatte. Elīna Garanča sang dieses schlichte Wiegen- und Schlaflied mit berückender Schönheit und schickte damit das Publikum zur Nachtruhe. Die hätte man an diesem Abend ausnahmsweise gar auf der Opernbühne finden können, denn ab 23 Uhr war das Opernhaus offen für alle, mit vielen Events und Betten aus dem Fundus auf der Bühne, in die man sich hätte legen können. Ich habe es dann doch vorgezogen, mit der großartigen Stimme von Elīna Garanča noch im inneren Ohr nach Hause in mein eigenes Bett zu schlüpfen.

Foto vom Rezensenten

Lassen wir also das sehr vielseitige, die stimmlichen Facetten der Künstlerin im besten Licht erstrahlen lassende, Programm vom Ende her nochmals aufleben: Die dritte Zugabe war wie erwähnt de Falla, die zweite machte große Lust auf eine Wiederbegegnung von Saint-Saëns‘ Oper SAMSON ET DALILA, denn Elīna Garanča sang daraus die Arie Mon cœur s’ouvre à ta voix, mit herrlich aufblühender, weit und mit erotischer Färbung ausschwingender Stimme und vom Konzertpianisten und Intendanten Matthias Schulz mit atmosphärisch passend flirrendem Klavierspiel begleitet.

Die erste Zugabe knüpfte an drei lettische Lieder (eines von Jāzeps Mediņš und zwei von Jāzeps Vītols) an, die bereits einen Programmteil nach der Pause gebildet hatten. Diese Lieder liegen ihr ganz speziell am Herzen – und das spürte man auch in ihrer die Emotionen zwischen Sanftheit, Freude und Leidenschaft auslotenden Interpretationen. Am Ende des offiziellen Programms setzte die Mezzosopranistin zwei Arien ihrer „Signature“-Partien aufs Programm: Voi lo sapete, o mamma aus Mascagnis CAVALLERIA RUSTICANA (ganz große Oper, ganz große Stimme und nie brustig forciert) und – natürlich ganz besonders vom Publikum gefeiert – L’amour est un oiseau rebelle aus Bizets CARMEN mit effektheischender, überlanger Fermate auf das finale prends gaaaaarde à toi!

Einen Höhepunkt des zweiten Programmteils bildeten für mich aber die drei Lieder von Henri Duparc Au pays où se fait la guerre, L’invitation au voyage und Phidylé. Hier zeigte sich Elīna Garanča als intensive Interpretin nicht nur der fantastischen Kompositionen Duparcs, sondern auch der drei Texte von Téophile Gautier, Charles Baudelaire und Charles-Marie-René Leconte de Lisle. Elīna Garanča legte hier eine ganz besondere Vehemenz, Strahlkraft und Expressivität an den Tag, die tief beeindruckte. Auch hier trug Matthias Schulz am Flügel Entscheidendes dazu bei, die Gesamtwirkung dieser drei Lieder zu verstärken.

Begonnen hatte der zweite Konzertteil mit Berlioz‘ D’amour l’ardente flamme aus LA DAMNATION DE FAUST. (Man wird Frau Garanča in der Rolle der Marguerite im Mai 2026 hier im Opernhaus Zürich wieder begegnen.) Als verzweifelt Liebende begeisterte Elīna Garanča hier ganz besonders mit enormen stimmlichen, aber dynamisch subtil abgestuften Ressourcen. Vor der Pause präsentierte sich Elīna Garanča im romantischen, deutschen Liedrepertoire, mit Schumanns op. 42 FRAUENLIEBE UND -LEBEN, dieser wunderbar stimmigen Vertonung der acht Gedichte von Adelbert von Chamisso. Auch wenn man nur wenig vom Text verstand, wurde durch die Interpretation von Elīna Garanča jedes der Lieder zu einem kleinen Melodram, auch durch die Natürlichkeit der auf die Texte abgestimmten Mimik, welche ihre durch die Stimme evozierte, erzählerische Kraft noch verstärkte. Die Thematik der meisten romantischen Lieder des deutschen Repertoires drehen sich um Träume, Wehmut, die erste oder die einzige Liebe, den Verlust, die Trauer, den Abschied. Am häufigsten tauchte wohl das Wort „Träume“ auf, bei den beiden lettischen Komponisten und auch bei den fünf Liedern aus dem reichhaltigen Liedschaffen von Johannes Brahms, die den Anfang des Programms bildeten: Liebestreu, O wüsst’ich doch den Weg zurück, Alte Liebe, Die Mainacht und Geheimnis. 

Wunderschön führten Elīna Garanča und Matthias Schulz die Metaphern der Naturschilderungen mit den Gefühlen der singenden Person zusammen. Matthias Schulz spielte im ersten Teil zusätzlich noch eines von Mendelssohn-Bartholdys Liedern ohne Worte, nämlich das op. 19, Nr.1 und im zweiten Teil die Rondo artige Arabeske von Robert Schumann mit dem verspielten Vorschlags-Motiv. In beiden Stücken sorgten sein zarter Anschlag und seine Leichtigkeit für kurze Momente der Entspannung. Die beiden durften sich über einen riesigen Applaus freuen, der am Ende vom stehenden Publikum im ausverkauften Haus gespendet wurde.

Kaspar Sannemann, 26. September 2025


Elīna Garanča
Lieder- und Arienabend

Opernhaus Zürich

19. September 2025

Am Flügel begleitete der neue Intendant des Opernhauses Zürich, Matthias Schulz.