Mönchengladbach: „Titanic – Das Musical“, Maury Yeston

Mit Titanic – Das Musical schuf Maury Yeston eine wunderbar harmonische Partitur, die wie kaum eine andere tief berühren kann. Dieses Werk ist nun erstmals am Gemeinschaftstheater Krefeld-Mönchengladbach zu sehen, wo in Rheydt am 19. September die Premiere stattfand. Die Tatsache, dass bereits wenige Wochen später fast alle Vorstellungen bis März 2026 sehr gut gebucht sind und teilweise nur noch Restkarten an den Rändern erhältlich sind, beweist, dass die Theaterleitung einmal mehr den Nerv des Publikums getroffen hat. Auch bei der besuchten Vorstellung am 12. Oktober hielt es am Ende keinen mehr auf den Plätzen und der Applaus wollte kein Ende nehmen. Dabei war der Erfolg dieses Musicals nach der Uraufführung im April 1997 am New Yorker Broadway nicht gleich abzusehen. Auch die deutsche Erstaufführung in der Neuen Flora in Hamburg hatte von Dezember 2002 bis Anfang Oktober 2003 eine vergleichsweise kurze Laufzeit von weniger als einem Jahr, was für eine große En-Suite-Musicalproduktion der Stage Holding für damalige Verhältnisse sehr kurz war. Offenbar war es das falsche Stück am falschen Ort, denn in den letzten Jahren schwimmt Titanic – Das Musical von einem Erfolg zum nächsten an den verschiedenen Theatern im gesamten Land.

© Matthias Stutte

Eine Besonderheit des Stücks ist die große Anzahl der Rollen: Der Besetzungszettel für die Aufführung in Mönchengladbach zählt allein 41 verschiedene Personen auf. So ist es auch der Blick auf die Personen an Bord, die allesamt reale Passagiere der Jungfernfahrt der RMS Titanic waren, der die Geschichte zu einem bewegenden Gesamtkunstwerk werden lässt. Im Gegensatz zum kurz darauf erschienenen Film von James Cameron, der bis heute zu den erfolgreichsten Filmen aller Zeiten zählt, wurden im Musical keine Figuren hinzugefügt. Das ist auch nicht notwendig und trotz der großen Menge an Rollen kann man dem Stück sehr gut folgen. In Mönchengladbach greift man in Kooperation mit dem Theater Osnabrück nun auf eine Inszenierung zurück, die vor einigen Jahren bereits erfolgreich in Niedersachsen zu sehen war. Regisseur Ansgar Weigner überzeugt hierbei mit einer sehr guten Personenregie und versteht es, die verschiedenen Charaktere mit all ihren Hoffnungen, Träumen und Ängsten glaubhaft auf die Bühne zu bringen. Darko Petrovic hat hierzu ein Bühnenbild entworfen, das mit wenigen Requisiten auskommt. Die Brücke wird bei Bedarf vom Schnürboden herabgelassen. Mobile Wände und ein paar Absperrungen sorgen für die notwendigen räumlichen Anpassungen. Ergänzt wird das Bühnenbild durch diverse Videoprojektionen. Insbesondere zu Beginn ist es sehr eindrucksvoll, wie bewegte Aufnahmen vom Schiffswrack der Titanic die Ouvertüre bebildern. Dennoch gibt es zwei kleine Kritikpunkte an der Inszenierung, die nicht unerwähnt bleiben sollen. Zum einen wartet man vergeblich auf das wunderbare Liebesduett Drei Tage, welches für die deutschsprachige Erstaufführung im Jahr 2002 dem Musical hinzugefügt wurde. Dies ist besonders schade, da mit Jeanne Jansen als Kate McGowan und Pascal Schürken als Jim Farrell zwei Darsteller auf der Bühne sind, die diese Nummer sicherlich großartig interpretiert hätten. Etwas unglücklich wirkt auch das Ende des Stücks, bei dem sich nach dem Überlebenskampf der verbliebenen Passagiere etwas abrupt die Gerichtsverhandlung mit dem Verhör dreier Überlebender anschließt, was für einen emotionalen Bruch im Stück sorgt. Dennoch ist Titanic – Das Musical auch in dieser Inszenierung eine absolute Besuchsempfehlung.

© Matthias Stutte

Dies liegt auch am spielfreudigen Ensemble. Vor allem Oliver Arno sticht in der Rolle des Schiffsingenieurs Thomas Andrews gesanglich noch einmal besonders hervor. Aber auch Michael Ernst als Funker Harold Bride und Arthur Meunier als Heizer Frederick Barrett wissen in dieser Hinsicht zu überzeugen. Spielfreudig wie gewohnt zeigt sich Markus Heinrich einmal mehr von seiner besten Seite, indem er den arroganten und selbstsüchtigen Schiffseigentümer J. Bruce Ismay ganz wunderbar verkörpert. Lediglich Thomas Schirano fällt als Kapitän E. J. Smith bei den großen Hauptrollen etwas ab. Für die heiteren Momente des Stücks sorgt Gabriela Kuhn als Alice Beane aus der zweiten Klasse, die immer wieder die Nähe zu den Mächtigen und Reichen der ersten Klasse sucht. Fast schon leid tut einem hier Rafael Bruck als ihr Ehemann Edgar Beane, zudem diese Rolle auch musikalisch wenig Potenzial bietet. Sehr schön ist es auch, diverse Darsteller noch einmal am Niederrhein zu sehen, die hier schon früher für viele schöne Theaterabende gesorgt haben. Hierzu zählen insbesondere Michael Ophelders als Chefsteward Henry Etches sowie Thomas Peter und Debra Hays als das liebevolle ältere Ehepaar Isidor und Ida Strauss. Die Niederrheinischen Sinfoniker entfalten unter der musikalischen Leitung von Sebastian Engel die ganze Bandbreite der Partitur – vom großen Chorwerk bis zum leisen, emotionalen Solo – und lassen den Sängern dabei genug Raum. Titanic – Das Musical ist wie gemacht für ein großes Orchester und dies ist auch hier wieder in jeder Sekunde des Abends zu spüren.

© Matthias Stutte

Der positive Gesamteindruck wird durch eine sehenswerte Ausstellung auf 27 Bildtafeln abgerundet, die die historischen Ereignisse eindrucksvoll zusammenfassen. Daher sollte man pünktlich im Theater sein, denn man kann gut und gerne 15 bis 20 Minuten in dieser kleinen Ausstellung verbringen. Für ein immersives Erlebnis sorgen die kostümierten Mitarbeiter im Vorderhaus, die den Zuschauern unter anderem Bordkarten aushändigen. Mithilfe dieser kann man das persönliche Schicksal der zugeteilten Person per QR-Code auf dem Handy genauer betrachten. Ob man am Ende des Rundgangs in der vorhandenen Fotoecke ein Erinnerungsfoto mit Rettungsweste machen muss, bleibt dagegen Geschmackssache. Meist wurde die Fotoecke vor der besuchten Vorstellung aber ohnehin ohne dieses Accessoires genutzt. Eine nette Idee sind zudem die Taschentücher, die vor der Vorstellung im Foyer verteilt werden. Beim Ablegen des Schiffes sorgen sie nach der wunderbaren, rund 15-minütigen Eröffnungsnummer für ein eindrucksvolles Bild, wenn der gesamte Zuschauerraum zum Abschied damit winkt.

© Matthias Stutte

Insgesamt erleben die Zuschauer in Mönchengladbach einen gelungenen Musicalabend, der statt auf technisches Spektakel auf eine kluge Darstellung der einzelnen Schicksale setzt. Auch musikalisch bleiben kaum Wünsche offen, sodass man bereits beim Verlassen des Theatersaals gerne einen Wiederbesuch plant.

Markus Lamers, 13. Oktober 2025



Titanic – Das Musical
Musical von Maury Yeston (Musik) und Peter Stone (Libretto)
Deutsche Übersetzung von Wolfgang Adenberg

Theater Mönchengladbach

Premiere: 19. September 2025
besuchte Vorstellung: 12. Oktober 2025

Inszenierung: Ansgar Weigner
Musikalische Leitung: Sebastian Engel
Niederrheinische Sinfoniker

Trailer

Weitere Aufführungen: 14. Oktober, 22. Oktober, 22. November, 21. Dezember, 27. Dezember, 31. Dezember, 13. Februar, 22. März