Zweimal Auftrittsapplaus für ein Bühnenbild, für den ersten und zweiten Akt von „Arabella“ an der Metropolitan Opera in New York. Günther Schneider-Siemssen hat mit aller Akribie das Wien der Gründerzeit auf die Bühne gebracht – natürlich, denn Otto Schenk hätte sich nie eingebildet, klüger zu sein als ein Librettist und ein Komponist und folglich ihre Werke in andere Zeiten versetzt oder sonst irgendwie verschandelt. Sein Vertrauen, dass sie ihre Geschichte gültig auch für uns erzählen, wenn man sie ohne betriebsamen Zeitgeist-Subtext (oder „Überschreibungen“) darbietet, war unerschütterlich.
In den in der Met üblichen Pausengesprächen (den „Host“, Ryan Speedo Green, kennen wir aus seinen Staatsopern-Zeiten, wo er weit weniger reüssiert, hat als nun in Amerika) konnte man etwas von der Wertschätzung erfahren, die man Otto Schenk auch posthum noch für seine 16 Inszenierungen an der Met entgegenbringt. Zwar bezeichnete Dylan Evans, der die Produktion von 1983 nun revitalisierte, diese Inszenierung als „Old School“ („So macht man es heute nicht mehr“), aber er tat es gewissermaßen mit liebevoller Bewunderung.
Wiener „Arabella“-Aficionados werden mit der Met-Besetzung nicht schrankenlos glücklich gewesen sein, da trösten auch die Dekorationen – das überladene Hotel, der luxuriöse Ballsaal, das Treppenhaus – nicht wirklich, auch wenn Schenks Fähigkeit, die Massen zu bewegen, bewahrt wurde und einzelne Figuren (etwa die drei Verehrer Arabellas, die in Wien meist versinken) dort sehr schön herausgearbeitet wurden.
Aber es geht ja um die Hauptrollen. Die Amerikanerin Rachel Willis-Sørensen, die in Wien mit einem breiten Repertoire zwischen Mozart und Verdi vertreten ist, sang an der Met ihre erste Arabella. Das Gouvernantenhafte ihres Auftretens kann sie nicht wirklich wegspielen, aber man kann ihre Stimme durchaus auch als Strauss-Sopran bezeichnen, so schön und kraftvoll blüht sie in den charakteristischen Höhenpartien auf. Sie sang und spielte sich wacker durch die Rolle, freilich ohne jene stimmlichen und darstellerischen Nuancen, die man an den großen Interpretinnen kennt und liebt. Es war ja nun auch kein „Otti“ mehr da, der ihr jede Regung der Figur vermittelt (und am Ende noch vorgespielt…) hätte.
Die Britin Louise Alder, bei uns zuletzt als Fiordiligi zu hören, gab ihr Met-Debut als Zdenka (und verriet im Pausengespräch, dass sie schwanger ist, was man allerdings nicht bemerkte). Die Verwirrung der Gefühle des Mädchens als Bub machte sie liebenswert glaubhaft, eine große Interpretin der Rolle ist sie noch nicht.
Man kennt aus Wien den Ehrgeiz des Polen Tomasz Konieczny, der sich bei Holender den Weg vom Alberich zum Wotan ertrotzte und heutzutage wohl bei Wagner am besten aufgehoben ist. Seine schroffe Stimme passt natürlich auch für den Jochanaan, für den Mandryka weniger. Im Gegensatz zu Kollegen, die (von Fischer-Dieskau bis Volle) eher die Seelenstimmungen des Mannes aus der Provinz ausbalancieren, zeigt er vor allem polternd im ersten Akt, dass er eigentlich ein grober Bauer ist (fast ein Verwandter des Ochs), was so nicht stimmen kann, denn einen solchen hätte Arabella nicht genommen. Immerhin kultiviert er seine Manieren im Lauf des Geschehens, seine Gesangskultur weniger.
Der Matteo, der in dem Spiel im Grunde so wenig zu vermelden hat, wurde durch Pavol Breslik wenigstens einschneidend hörbar, die drei Verehrer Arabellas (Elemer – Evan LeRoy Johnson, Dominik – Ricardo José Rivera, Lamoral – Ben Brady) machten durchwegs gute Figur.
Als wahre Betriebsnudel erwies sich die überaktive Mama (Karen Cargill) und Vater Waldner (Brindley Sherratt) versuchte sogar, ein bißchen Wienerisch einfließen zu lassen. Die Fiakermilli (Julie Roset) bleibt immer ziemlich unbedankt, weil Strauss sich mit ihren Koloraturen keine besondere Mühe gegeben hat.
Der Australier Nicholas Carter (mit starkem Österreich-Bezug, vor allem Kärnten) ist im Rahmen seiner internationalen Karriere nun an der Met gelandet und sagte in der Pause viel überzeugend Bewunderndes über die Arabella-Partitur. Man weiß, dass die Met ein vorzügliches Orchester hat, und wahrscheinlich ist es einfach Wiener Lokalpatriotismus, wenn man meint, bei den Philharmonikern klänge es doch leichter, eleganter. schöner…
Die New Yorker im Met-Zuschauerraum waren begeistert, und auch das Wiener Kino war voll.
Renate Wagner 1. Dezember 2012
Arabella
Richard Strauss
New York – Wien (Cineplexx)
Die MET im Kino
23. November 2025
Premiere: 1983
Regie: Otto Schenk
Dirigat: Nicholas Carter
Orchester der MET NY