Braunschweig: „Die Fledermaus“, Johann Strauß

Die unumstrittene Königin der Operette mit ihren unsterblichen Melodien („Glücklich ist, wer vergisst“, „Trinke, Liebchen, trinke schnell“ oder „Brüderlein und Schwesterlein“) ist wieder ins Braunschweiger Staatstheater eingezogen. Und was hat das Regieteam unter der Leitung von Regisseurin Katharina Schmidt und Roman Konieczny daraus gemacht – eine total überdrehte Klamotte mit viel zu vielen, teilweise unverständlichen Einzelaktionen.

Es fing damit an, dass zur ausgesprochen spritzig servierten Ouvertüre ein volltrunkener Mann mit merkwürdigem, knallgelbem Maskenumhang an die Rampe wankte und dort liegen blieb; das war, wie sich später herausstellte, der als Fledermaus verkleidete Dr. Falke, der vom Chor in einheitlicher Alltagskleidung (Kostüme: Agathe MacQueen) gnadenlos ausgelacht wurde. Etwa gleichzeitig sah man geschmacklose Video-Clips in TikTok-Manier (Video: Franziska Junge), in denen u.a. sich erbrechende Figuren zu sehen waren.

© Thomas M. Jauk

Die bekannte Geschichte lief nun im 1. Akt in nur angedeuteten Räumen im kalten Stil der 80er-Jahre ab (Bühne: Gregor Wickert), wobei überflüssige Slapstick-Einlagen wie das mehrfache Abrutschen auf einer steilen Treppe nur mäßig erheiterten. Mittels der Drehbühne kam im 2. Akt das wirbelige Fest bei dem reichen Prinzen Orlofsky ins Bild – jetzt wurde der gesellschaftskritische Aspekt der Inszenierung deutlicher. Hier amüsierte sich die „feine“ Gesellschaft in abenteuerlicher Kostümierung sehr selbstbezogen, wenn es letztlich nur ums Geld geht, was an mehreren Geldspielautomaten zu erkennen war. Deutlich wurde auch, dass diese Welt nichts für diejenige Gesellschaftsschicht ist, die wie das Stubenmädchen Adele z.B. fürs Saubermachen und auch für das Aufräumen nach Partys zuständig ist. So wurde Adele im Laufe des Abends immer wieder verfünffacht, wenn mehrere gleich Kostümierte die Staubwedel schwangen. Zur eingelegten „Champagner-Polka“ von Johann Strauß balgten sich die „Adeles“ um die Geldscheine, mit denen Orlofsky um sich warf. Dazu tanzte ein Tanzturnierpaar elegant um sie herum. Insgesamt wurde das Klamauk hafte Geschehen durch viel Unverständliches belastet: Was sollte z. B. die große Skulptur der kopulierenden Pferde, die später auch im Gefängnis hereingefahren wurde? Warum ging zweimal ein als Froschmann verkleideter Kameramann über die Bühne, um Live-Videos zu filmen? Warum muss der Rechtsanwalt Dr. Blind als Radrennfahrer auftreten? Dass zeitweise der gesamte Chor mit den von Dr. Falke bereits bekannten gelben Masken-Umhängen bekleidet war, war ebenfalls eine überflüssige Übertreibung.

© Thomas M. Jauk

Positiv sei angemerkt, dass die Personenführung für teilweise rasante Szenenwechsel gesorgt hatte, wenn man davon absieht, dass Rosalinde ihren Csárdás wie eine Bravour-Arie an der Rampe vortragen musste. Auch die choreografische Führung aller Beteiligten bei den großen Chören war recht ansprechend (Choreografie: Alice Baccile).

Wie so oft bei problematischen Inszenierungen musste man sich an der musikalischen Verwirklichung schadlos halten: Diese war insgesamt gelungen, was in erster Linie am bestens aufgelegten Staatsorchester lag. Braunschweigs 1. Kapellmeister Alexander Sinan Binder sorgte mit souveränem Dirigat von Anfang an neben dem auch nötigen Sentiment für flotte, vorwärts drängende Tempi. Das bewährte Braunschweiger Opern-Ensemble erbrachte durchweg niveauvolle Leistungen: Da ist als erste Veronika Schäfer als teilweise urkomische Adele zu nennen, die durch sichere Höhen und lockere Koloraturen überzeugte. Temperamentvoll gab Marius Pallesen den Lebemann Eisenstein mit kräftigem Tenor, dem er allerdings zeitweise zu viel Druck verlieh. Als Rosalinde gefiel Victoria Leshkevich mit in allen Lagen volltimbriertem, ausdrucksstarkem Sopran, der schönes piano hören ließ und sich vor allem in dem schmissigen Csárdàs bewährte.

© Thomas M. Jauk

Als den im Hintergrund wirkenden Strippenzieher Dr. Falke trat Maximilian Krummen auf, der seinen ansprechenden Bariton wirkungsvoll einzusetzen wusste. Mit flexiblem Bass und munterem Spiel war Rainer Mesecke Gefängnisdirektor Frank. Isabel Stüber Malagamba hattePrinz Orlowsky als eine Mischung von Conchita Wurst und Rasputin (ein Lob für die Maske!) zu gestalten, was sie auffallend tänzerisch tat; ihr charaktervoller Mezzo fühlte sich in der dankbaren Partie hörbar wohl. Stimmschön war Philipp Kapeller RosalindesLiebhaber Alfred. Rollengerecht ergänzten Steffen Doberauer als Dr. Blind und Julia Hinger als Adeles Schwester Ida. Götz van Ooyen begeisterte mit seinem Solo als Gefängniswärter Frosch und der tollen Frank-Sinatra-Karikatur. Mächtige, ausgewogene Klänge entwickelte in der Einstudierung von Johanna Motter der spielfreudige Chor.

Nach der Pause blieben manche Plätze im sonst gut besetzten Haus leer; der Schlussapplaus des Premierenpublikums für alle Mitwirkenden und das Regieteam war freundlich.

Gerhard Eckels, 8. Dezember 2025


Die Fledermaus
Operette von Johann Strauß
Staatstheater Braunschweig

Premiere am 7. Dezember 2025

Musikalische Leitung: Alexander Sinan Binder
Inszenierung: Katharina Schmidt
Staatsorchester Braunschweig

Weitere Vorstellungen: 14., 18., 27., 31. Dezember 2025 und öfter im Jahr 2026