Bergamo: „Festival Donizetti 2025“

Ein reichhaltiges Programm bot in diesem Jahr wieder das Festival Donizetti in Brergamo. Hier finden Sie Berichte zu

Caterina Cornaro
Il Campanello / Deux hommes et une femme
Canzonen
Il Furioso nell’Isola di S. Domingo


Caterina Cornaro“, Gaetano Donizetti

Die Titelfigur dieses Werks hat es historisch tatsächlich gegeben: Caterina Corner (1454-1510, ihr Name wurde aus dem Venezianischen italienisiert) wurde in Venedig in einer aristokratischen Familie geboren und später auf Geheiß des „Consiglio dei Dieci“ mit dem König von Zypern, dem französischstämmigen Jacques II de Lusignan, vermählt. Dies war ein Schachzug Venedigs, das Zypern unter seine Herrschaft bringen wollte. Der König verstarb aber nach wenig mehr als einem Jahr, ebenso das inzwischen geborene gemeinsame Kind. Noch keine 20 Jahre alt, sah sich Caterina nun als Königin der Insel, die sie rund fünfzehn Jahre lang regierte, bis sie – als sie sich neuerlich vermählen wollte – von Venedig mehr oder minder entmachtet und in eine vergoldete Verbannung nach Asolo (hier ist übrigens Eleonora Duse auf eigenen Wunsch begraben) geschickt wurde, wo sie einen vielfrequentierten Kuenstlersalon aufbaute.

Soweit die historischen Tatsachen. Donizetti, der 1842 einen Vertrag fuer ein neues Werk fuer die Wiener Hofoper unterzeichnet hatte, dachte als Sujet an Caterinas Leben, auch weil Halévys La reine de Chypre 1841 in Paris erfolgreich uraufgeführt worden war. Als Librettisten hatte er Salvadore Cammarano gewählt, der aber wegen Überarbeitung seinen Vertrag löste, weshalb der junge Sizilianer Giacomo Sacchero verpflichtet wurde, der bald ein gutes Vertrauensverhältnis zu dem Komponisten aufbaute. Allerdings sollte sich herausstellen, dass die Königin von Zypern auch Franz Lachner zu einer Oper inspiriert hatte, die – auch 1841 – in München uraufgeführt worden war. Lachners Erfolg bewog die Hofoper dazu, dessen Werk 1842 auf den Spielplan zu setzen. Donizetti erlebte somit eine herbe Enttäuschung, als er seine Komposition bereits zur Hälfte geschaffen hatte, doch gelang es ihm, das Werk nach seiner Vollendung an das Teatro San Carlo in Neapel zu vermitteln (was bedeutete, dass er auf 500 Dukaten des fuer ein neues Werk vereinbarten Honorars verzichten musste…). Inzwischen war 1843 ins Land gezogen, Donizettis Gesundheitszustand hatte sich verschlechtert, was ihm eine Reise von Wien nach Neapel unmöglich machte. Dass er seine Oper nicht selbst einstudieren konnte, hatte gravierende Folgen, denn nicht nur musste er sich der Zensur der Bourbonen fügen, die wieder einmal haarsträubende Änderungen bzw. Striche des Textes verlangt hatte, sondern auch die engagierten Sänger entsprachen nicht dem verlangten Niveau, sodass es nur zu fünf Vorstellungen kam. Nach einiger Zeit in Parma mit einer besseren Besetzung zwar unzensuriert und vom Meister überarbeitet gegeben, erhoben sich von Kritikerseite aber Vorwürfe „deutscher“ Einflüsse.

© Studio U.V. – Courtesy Donizetti Opera – Fondazione Teatro Donizetti

Damit kommen wir zum fortschrittlichen Stil dieser Komposition, der zum Teil von der klassischen Form der Romantischen Oper abweicht und relativ viel declamato enthält, welches aber hohe Spannung in sich trägt. Wir sehen uns ganz deutlich dem Weg gegenüber, den Verdi später einschlagen sollte (was dieser auch immer entsprechend gewürdigt hat). Trotz der weiterhin reichlichen melodischen Einfälle Donizettis ist der musikalische Fluss kantiger, einer sich nicht in der Koloratur erschöpfenden Dramatik ergeben. Und der Bergamasker Meister verzichtet auf das abschließende Rondo der Primadonna, denn die letzte Szene gehört dem sterbenden Lusitano, ein konzises Finale, wie wir es bei Verdi (man denke an den „Trovatore“) immer wieder erleben werden.

Doch nun kurz zum Inhalt des Librettos: Caterina (Sopran) und Gerardo (Tenor, eine erfundene Figur) lieben einander, welche Verbindung von Caterinas Vater Andrea (Bass) gutgeheißen wird. An der Schwelle zur Kirche wird das Paar von Mocenigo (Bass), Venedigs Botschafter in Zypern, aufgehalten und damit konfrontiert, dass Caterina den dortigen König Lusignano (Bariton) heiraten soll. Mocenigos Drohungen lassen Andrea nachgeben, auch die geplante Entführung Caterinas durch Gerardo wird von dem Düsterling verhindert, der Caterina klarmacht, dass Gerardo getötet wird, sollte er sich nicht Venedigs Entschluss beugen. Caterina verleugnet also ihre Liebe zu dem Geliebten, der gebrochen zurückbleibt. Diese Dinge geschehen im Prolog, die anderen beiden Akte spielen auf Zypern. Gerardo, der, um zu vergessen, dem Orden der Ritter von Rhodos beigetreten ist, soll von Strozzi (Tenor), Mocenigos Schergen, getötet werden, doch rettet ihn Lusignano, der sich nach und nach zu erkennen gibt. Als Gerardo sieht, wie sehr dieser Caterina liebt und respektiert, wird er vom Feind zum Freund und schwört, Zyperns Herrschaft zu unterstützen. Ein Gespräch mit Caterina gibt ihm die Sicherheit, dass sie ihn immer geliebt hat und nur von Mocenigo zum Verzicht auf diese Liebe gezwungen wurde. Letzterer laesst aber Lusitano langsam vergiften. Geschwächt stirbt dieser im Kampf und muss auf seinem Sterbelager Caterina berichten, dass auch Gerardo gefallen ist. Wir stehen also auch vor der Ausnahmesituation, dass Tenor und Bariton sich in ihrer Liebe zum Sopran einig sind, ohne aufeinander eifersüchtig zu sein…

Was erwartet man sich von der Inszenierung eines solchen Sujets? Nun, sicherlich nicht das, was Francesco Micheli unter Mithilfe von „Dramaturg“ Alberto Mattioli erfunden hat (das Wort wird in Programmheften übrigens immer deutsch geschrieben, weil „drammaturgo“ im Italienischen „Bühnenautor“ heißt, – betont wird lächerlicherweise auf dem ersten „a“). Micheli und Mattioli hatten den verwirrenden Einfall, die Handlung auf zwei Ebenen ablaufen zu lassen: Eine junge, schwangere Frau namens Caterina wartet im Spital darauf, ihren kranken Mann zu besuchen. In ihrer Sorge um ihn phantasiert sie sich in die Figur der zypriotischen Königin hinein. Das wäre nichts Neues, wenn die Erzählung nicht zwischen dem 15. Jahrhundert und der Jetztzeit hin- und herspringen und sich die Personen der Handlung nicht ständig verwandeln würden. Gerardo wird zum behandelnden Arzt, Lusignano zum kranken Ehemann, Caterinas Gefährtin Matilde (Sopran) zur Krankenschwester. Fuer die Interpreten der Hauptpersonen ist das eine Zumutung, denn immerfort müssen sie von den (prachtvoll realisierten) historischen Kostümen des Alessio Rosati in Ärztekittel oder gar, bei Lusignano, in ein hinten offenes Spitalsnachthemd wechseln. Was es fuer den Bariton bedeutet, mit Richtung Publikum gereckten nackten Beinen auf dem Operationstisch zu liegen und dabei singen zu müssen, überlasse ich der Phantasie der geneigten Leserschaft. Und wenn Gerardo als Arzt anstatt eines Schwerts ein Skalpell schwingt, ist die Grenze zur unfreiwilligen Parodie überschritten. Die weit hergeholten Parallelen liegen nach Angaben der Macher im langsamen Sterben des Ehemanns und der Vergiftung Lusignanos (um das Verstreichen der Zeit zu verdeutlichen, muss Caterinas Bauch wachsen…).

© Studio U.V. – Courtesy Donizetti Opera – Fondazione Teatro Donizetti

Doch genug des grausamen Spiels. Wenden wir uns lieber der musikalischen Seite zu: An der Spitze des Orchestra Donizetti Opera schenkte Riccardo Frizza, der Musikdirektor des Festivals, dem Publikum ein klangreiches Erlebnis, das sich besonders schön von der Nichtigkeit einer unsinnigen Inszenierung abhob. Die Titelrolle verkörperte die unermüdlich neue Rollen erobernde Carmela Remigio, die das Defizit eines nicht im Ohr bleibenden Timbres durch intensiven vokalen wie szenischen Einsatz wettmachte. Vito Priante mit seinem angenehm tönenden Kavaliersbariton war um das ihm aufgezwungene Rollenprofil wahrlich nicht zu beneiden. Als schön timbriert, klangvoll und hoehensicher erwies sich der Gerardo von Enea Scala, einem aus dem Rossinifach kommenden Tenor, der sich offenbar in Spintorichtung weiterentwickelt hat. Riccardo Fassi war ein geboten bösartiger Mocenigo, unterstützt von seinem Spitzel Strozzi, der in der Gestalt von Francesco Lucii (der auch einen Ritter des Koenigs gab) eindrucksvoll schleimig herüberkam. Als Matilde ergänzte Vittoria Vimercati.

Am Ende der das Festival eröffnenden Aufführung kam es zu einem aus allen Ecken des Hauses ertönenden gewaltigen Buhorkan. Das Ergebnis dieser Produktion macht zweimal traurig: Einmal, weil Micheli als abtretender Leiter des Festivals nach zehn Jahren erfolgreicher Arbeit einen (gerechten) Misserfolg verbuchen musste, und zweitens vor allem, weil Donizettis Werk, das in seiner Heimatstadt erst 1995 überhaupt zum ersten Mal zu hören gewesen war, nach so viel Pech seiner Entstehungsgeschichte nicht die Realisierung erfahren hat, die es sich verdient hätte.


Caterina Cornaro
Gaetano Donizetti

Teatro Donizetti, Unterstadt Bergamo

14. November 2025

Regie: Francesco Micheli
Dirigent: Riccardo Frizza
Orchestra Donizetti Opera


„Il Campanello“ / „Deux hommes et une femme“, Gaetano Donizetti

Donizettis zwei Einakter ergaben in dem Haus in Bergamos Oberstadt ein gar köstliches Gespann. „Il Campanello“ war von dem bekannt gutherzigen Komponisten 1836 gratis fuer ein kleines Theater geschrieben worden, um diesem aus einer finanziellen Klemme zu helfen. Um noch mehr zu sparen, schrieb Donizetti den Text gleich selbst, wobei er sich auch in dieser Aufgabe als überaus begabt erwies. Fuer Neapel bestimmt, waren die Dialoge der Farce zwischen den Musikstücken im Dialekt der Stadt geschrieben, aber nach einem großem Erfolg überarbeitete Donizetti das Werk, indem er den gesprochenen Text durch Rezitative in „Toskanisch“ (wie man gepflegtes Italienisch nannte, bevor es von Alessandro Manzoni in den Stand einer verbindlichen Sprache erhoben wurde), ersetzte und auch musikalisch einige Erweiterungen hinzufügte. Damit war der Weg für das Operchen in ganz Italien frei.

© Studio U.V. – Courtesy Donizetti Opera – Fondazione Teatro Donizetti

Die Handlung bezieht ihren Witz daraus, dass der ältliche Apotheker Annibale Pistacchio (=Hannibal Pistazie) die Hochzeitsnacht mit der jungen Serafina nicht vollziehen kann, weil es ununterbrochen Bitten um Rezepte gibt, weshalb die Klingel (il campanello) ständig läutet. Betätigt wird sie von Enrico, dem Vetter Serafinas. Die beiden waren ineinander verliebt, aber Serafina hatte dem jungen Mann wegen seiner vielen Seitensprünge den Laufpass gegeben. Nun will sich Enrico rächen, was ihm in verschiedener Verkleidung auch gelingt, ob als Ausländer, als indisponierter Sänger oder als Greis/in (je nach Inszenierung), der/die eine nicht enden wollende Liste von Medikamenten verlangt. Enricos Plan geht auf, Don Annibale muss am Morgen wegen einer Erbschaftssache nach Rom reisen, und fuer den unternehmungslustigen jungen Mann ist der Weg zu Serafina frei… in der hier besprochenen Inszenierung von Stefania Bonfadelli hat auch die Braut nichts dagegen, die Hochzeitsnacht mit ihrem Vetter nachzuholen…

Die Produktion gab den jungen Leuten, die sich in der Bottega Donizetti vervollkommnen, die Gelegenheit zu ersten Erfahrungen auf der Bühne. Alle zeigten ihre gute Ausbildung, ohne stimmlich besonders aufzufallen (das sollte sich am Vormittag danach mit einer Auswahl kammermusikalischer Preziosen Donizettis ändern – dazu später), szenisch agierten sie mit Hingabe und charakterisierten ihre Rollen wunderbar. Stefania Bonfadellileitete sie in ihrer Aufgabe als Regisseurin perfekt – auch dazu später. Die dankbare Aufgabe des Verkleidungskünstlers Enrico (Bariton) hatte Francesco Bossi inne, der unterhaltsam aufdrehte, ohne je ins Chargieren zu verfallen. Don Annibale (Bass) war Pierpaolo Martella anvertraut; die Rolle steht ein wenig im Schatten Enricos, aber Martella machte viel daraus. Madama Rosa (Mezzo), Serafinas nervtötende Mutter, fand in Eleonora de Prez spaßige Verkoerperung, und die mehr ihrem Vetter als ihrem Ehemann zugeneigte Serafina selbst war Lucrezia Tacchi. Hoechst unterhaltsam war Giovanni Dragano in der fast stummen Rolle des Ladendieners Spiridione.

© Studio U.V. – Courtesy Donizetti Opera – Fondazione Teatro Donizetti

Schwieriger ist die Geschichte des anderen Einakters. „Deux hommes et une femme“ war 1840 unter dem Titel „Rita“ fuer die Pariser Opéra-Comique gedacht, sozusagen als Einführung fuer die „Fille du régiment“. Somit handelt es sich um eine Komposition mit gesprochenen Dialogen. Wegen Terminproblemen des Hauses und anderen Streitereien zog Donizetti sein Werk aber zurück; allerdings war es wegen der französischen Sprache nicht leicht in anderen Haeusern unterzubringen. So blieb es in einer Schublade und wurde von Donizettis Neffen Andrea zusammen mit anderen Erbstücken 1846 nach Bergamo verbracht. (Erbstücke ist vielleicht nicht das richtige Wort, denn Donizetti starb erst 1848, aber seine geistige Umnachtung ließ ihm keine Willensäußerung mehr zu). Andrea setzte sich tatkräftig für das Werk seines Onkels ein und erreichte endlich im Mai 1860 eine posthume Uraufführung unter dem Titel „Rita ou le mari battu“ an der Opéra-Comique, allerdings in einer sprachlich modifizierten, weniger realen, will heißen, zynischen Form des Textes. Die italienische Uebersetzung debütierte erst 1955 an der Oper Rom. Die hier vorgestellte kritische Ausgabe greift hingegen auf den ursprünglichen Text von Gustavo Vaëz und den von Donizetti gewünschten Titel zurück.

Und nun muss endlich der großartigen Regie von Stefania Bonfadelli Genüge getan werden: Die unvergessene Sopranistin und seit Jahren hochinteressante Regisseurin verschränkte bildlich die beiden Einakter in einer mehr als überzeugenden szenischen Gestaltung durch Serena Rocca miteinander (zur Vervollständigung müssen natürlich die gelungenen Kostueme von Valeria Donata Bettella fuer beide Stücke genannt werden, ebenso die perfekte Lichtregie von Fiammetta Baldiserri. Die Hochzeit im „Campanello“ fand in Ritas Hotel statt, neben dem sich die betreffende Apotheke befand. Rita ist nämlich Besitzerin einer gutgehenden Herberge, die sie sich aufgebaut hat, nachdem sie von ihrem Mann Gasparo verlassen worden war. Dieser war Seemann und galt als bei einem Schiffbruch als ertrunken. Nach den Erfahrungen mit dem handgreiflichen Gasparo hat Rita Pepé geheiratet, einen naiven jungen Mann, der gern dem dolce far niente huldigen würde. Aber nicht mit Rita, die die Manieren ihres Ex übernommen hat und bei jeder Ungeschicklichkeit von Pepé nicht mit Ohrfeigen spart. Nun taucht Gasparo auf; er ist auf der Suche nach seiner Eheurkunde, denn seine Ehemalige sei in einer Feuersbrunst gestorben, und er möchte wieder heiraten. Da beide Gatten annehmen, der andere sei verstorben, ergibt sich ein köstliches Hin und Her, denn beide Ehemänner möchten die Gattin loswerden. Der eine, weil sie ihn unterdrückt, der andere, weil er wieder heiraten möchte. Es kommt zu jeder Form von Glücksspiel, wobei die beiden Teilnehmer hoffen, zu verlieren, um sich der Frau zu entledigen. Rita, die inzwischen tat, als kennte sie ihren Ex nicht, wendet sich ihm wieder zu, als er seine angeblich verletzte Hand zeigt, mit der er nicht mehr zuschlagen kann. Damit hat Gasparo erreicht, was er wollte: Rita hat den Ehevertrag herausgerückt und ihm überlassen. Mit diesem zieht er triumphierend davon. Dieser Inhalt wäre natürlich zu jeglicher Form feministischer Interpretationen geeignet gewesen, aber Bonfadelli hat dieser Versuchung tapfer widerstanden und einfach das inszeniert, was ein vaude-ville verlangt. Als Rita brillierte Cristina De Carolis mit der nötigen Hantigkeit und bestens erarbeitetem Französisch (die Dialoge verlangen viel Esprit und gute Aussprache). Als Besitzer eines interessanten Tenors erwies sich der Südamerikaner Cristóbal Campos Marín, der seinen nicht unbeträchtlichen Körperumfang mit gekonnter Ironie einsetzte. Star des Abends war aber der unverwüstliche Alessandro Corbelli, der einmal mehr zeigte, was Charisma ist und den als Cowboy ausstaffierten Gasparo mit einer Suada ausstattete, als wäre er in Paris geboren.

© Studio U.V. – Courtesy Donizetti Opera – Fondazione Teatro Donizetti

Enrico Pagano stand dem Orchester Gli Originali vor und leitete die Aufführung mit der gebotenen Brillanz. Auch der Chor der Accademia Teatro alla Scala, einstudiert von Salvo Sgrò, spielte und sang mit großer Freude im „Campanello“, und am Fortepiano leistete Ugo Mahieux einen gewichtigen Beitrag.

Ein besonders unterhaltsamer Abend, tolle Stimmung und viel Dank durch ein jubelndes Publikum.


Il Campanello/Deux hommes et une femme
Gaetano Donizetti

Teatro Sociale, Oberstadt Bergamo

15. November 2025

Regie: Stefania Bonfadelli
Dirigent: Enrico Pagano
Orchester: Gli Originali


Canzonen, Gaetano Donizetti

Am Vormittag des 16. November fand im Pausenraum des Teatro Donizetti ein Konzert mit den jungen Solisten des Vorabends statt. Unter dem Titel The Donizetti Brunch wurden in Zusammenarbeit mit der Plattenfirma Opera Rara Donizetti Songs vorgestellt. Giulio Zappa, Leiter der Bottega Donizetti, erläuterte, dass unser Komponist neben seinen zahlreichen Opern und anderen Werken auch gut 200 Lieder hinterlassen hat, die nun nach und nach in Archiven aufgespürt und erarbeitet werden. Das umfangreiche Programm brachte einige echte Perlen zu Gehör, ob sie nun dem dramatischeren oder dem lyrischeren Bereich zufielen. Die jungen Leute hatten Gelegenheit, ihre stilistische Sicherheit und mehr von ihren vokalen Meriten zu zeigen. Cristóbal Campos Marín löste sein stimmliches Versprechen vom Vorabend glänzend ein, und bei den Damen machte vor allem der Mezzo Eleonora de Prez temperamentvoll und gesanglich souverän Eindruck. Giulio Zappa war den SängerInnen ein hingebungsvoller, aber auch brillanter Begleiter. Dies war nur der erste Teil einer der Aufwertung von Donizettis kleinen Kostbarkeiten gewidmeten Aktion, auf deren weitere Ergebnisse man gespannt sein darf.


Canzonen
Gaetano Donizetti

Teatro Donizetti, Bergamo Unterstadt

16. November 2025

Klavier: Giulio Zappa


„Il Furioso nell’Isola di S. Domingo“, Gaetano Donizetti

Den Abschluss des Eröffnungsreigens des diesjährigen Festivals bildete diese 1833 in Rom uraufgeführte Oper, die auf einige Kapitel des „Don Quijote“ von Miguel de Cervantes zurückgeht. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts hatte ein Unbekannter daraus eine „Azione teatrale“ gebastelt, also ein Sprechstück, das sich beim italienischen Theaterpublikum großer Popularität erfreute. Das brachte den Librettisten Jacopo Ferretti auf die Idee, das Thema fuer eine opera semiseria zu verwenden. Diese Opernform war zu jener Zeit sehr beliebt, denn offenbar wurde die Abwechslung zwischen dramatischen und komischen Szenen als entspannend empfunden. Ein heutiges Publikum fühlt sich eher gestört durch dieses die Handlung nicht unbedingt bereichernde Auf und Ab (das im vorliegenden Fall auch Bedenken hinsichtlich rassistischer Töne mit sich bringt, doch davon später). Der titelgebende Protagonist Cardenio (Bariton) hat den Verstand verloren, als sich herausstellte, dass ihn seine Ehefrau Eleonora (Sopran) betrogen hat, während er auf einer Geschäftsreise war. Seinen Vorwürfen begegnete sie mit zynischen Antworten, was die Krise des Mannes noch verstärkt, sodass er nach San Domingo, den Hauptort der Insel Hispaniola (später Haiti), flüchtet. Dort lebt er in unzivilisierter Einsamkeit, nur manchmal von Marcella (Sopran) mit Essen unterstützt, was deren Vater Bartolomeo (Bass) nicht sehr recht ist. Während seiner Anfälle von Wut und Halluzinationen wird Cardenio aggressiv und greift vor allem den Sklaven Kaidamà (Bassbariton) immer wieder tätlich an. (Und hier treffen wir auf den Rassismus, denn der Farbige wird von seinem Herrn wegen kleiner Ungeschicklichkeiten wiederholt geprügelt, welche Szenen in der damaligen Zeit große Lacherfolge waren). Auf der Insel treffen schließlich auch Fernando (Tenor), Cardenios Bruder, und die reuige Eleonora ein. Die Handlung könnte eigentlich schon nach dem 1. Akt zu Ende sein, denn Cardenios Zustände zwischen Hoffnung, neuen Eifersuchtsanfällen, Streitigkeiten und versuchtem Selbstmord ziehen sich ein bisschen – kaum glaubt man das angepeilte Happyend in Sicht, kommt es zur Wiederholung der Zwischenfälle bzw. Angriffe. Erst als Eleonora die Waffe gegen sich selbst richtet, ist der „Furioso“ von ihrer wahren Reue überzeugt und gesundet endgültig.

© Studio U.V. – Courtesy Donizetti Opera – Fondazione Teatro Donizetti

Die Oper fand rasche Verbreitung und wurde so beliebt, dass es sogar zu auf Raubkopien beruhenden Aufführungen (etwa in Turin) kam. Es handelt sich um eines der sehr wenigen Beispiele männlicher Wahnsinnsszenen, obwohl der Ursprung dieser Verstörtheit mehr auf Wut und Rachegedanken zurückzuführen ist als etwa die Umnachtungen einer Lucia oder Linda. (Im Grunde eine psychisch korrekte Wiedergabe der sich unterscheidenden Nervensysteme der beiden Geschlechter…). Die Schwierigkeiten auf vokaler Ebene sind aber durchaus vergleichbar, sagte doch auch der große Renato Bruson, die Partie des Cardenio sei eine der gesanglich komplexesten Donizettirollen überhaupt.

Manuel Renga hatte die schwierige Aufgabe, die dramaturgisch eher konfuse Handlung auf die Bühne zu bringen, und es ist ihm gelungen, dieser Verpflichtung erfolgreich nachzukommen. Bühnenbild und Kostueme von Aurelio Colombo waren ihm darin eine gelungene Unterstützung, vor allem hinsichtlich der variablen Ausstattung mit starkem Flair, verstärkt noch durch das Lichtdesign von Emanuele Agliati. Und diesmal war die Einführung eines alten, im Pflegheim lebenden Mannes, der Cardenio mit seinen schmerzlichen Erinnerungen verkörpert, nicht störend, weil unaufdringlich in das Geschehen eingebettet.

Ausgezeichnet war die musikalische Realisierung, denn der junge Alessandro Palumbo (nicht zu verwechseln mit seinem älteren Namensvetter Renato) am Pult des Orchestra Donizetti Opera wusste die komischen (eigentlich skurrilen) Momente bestens mit den ausladenden Kantilenen der Protagonisten zu verbinden. Nach 28 Jahren als weltweit begehrter Buffo wagte sich Paolo Bordogna erstmals an eine (noch dazu so schwierige) Baritonrolle heran und siegte auf der ganzen Linie. Er hatte den verlangten langen Atem, phrasierte vorzüglich und mit deutlichster Artikulation. Als geborenes Bühnentier vermochte der Kuenstler alle Varianten der facettenreichen Figur auch szenisch und mimisch perfekt wiederzugeben.

© Studio U.V. – Courtesy Donizetti Opera – Fondazione Teatro Donizetti

Die treulose Eleonora wurde von Nino Machaidze gestaltet, von der man in letzter Zeit nicht sehr viel gehört hatte. Sie scheint eine beginnende Stimmkrise gut überwunden zu haben und gefiel mit schönen Lyrismen und sauberen Koloraturen. Als Fernando hatte der argentinische Tenor (schon wieder ein Südamerikaner!) zwei höchst schwierige Arien zu singen, die er mehr als achtbar bewältigte. Giulia Mazzola war eine mitfühlende, schönstimmige Marcella, Valerio Morelli mit angenehmem Bass ihr bärbeißiger Vater Bartolomeo. Die vom Regisseur eher als trauriger Clown ohne schwarze Hautfarbe denn als Buffoelement angelegte Rolle des Kaidamà fand in Bruno Taddia einen Interpreten, der den diese Figur begleitenden bitteren Beigeschmack mit Diskretion, aber auch Treffsicherheit umzusetzen verstand. Auch hier war der von Salvo Sgrò einstudierte Chor der Accademia della Scala in verdientem Einsatz.


Il Furioso nell’Isola di S. Domingo
Gaetano Donizetti
Teatro Donizetti, Bergamo Unterstadt

16. November 2025

Regie: Manuel Renga
Dirigent: Alessandro Palumbo
Orchestra Donizetti Opera


Fazit: Mit Ausnahme des regielichen Missgriffs bei „Caterina Cornaro“ wieder ein hochinteressantes Festival Donizetti mit vielen schönen Momenten. Danken möchte ich auch fuer die vorzüglich gemachten Programmhefte, aus denen so viel Wissenswertes zu entnehmen war. Auf das nächste Jahr!

Eva Pleus, 14. Dezember 2025