Gut drei Wochen hatte Georg Friedrich Händel 1741(1685 – 1759) benötigt, um dass vielleicht berühmteste Chorwerk des 18. Jahrhunderts fertig zu stellen. Da hatte er seinen Schlaganfall schon vier Jahre überstanden. Messiah gehört zu den am häufigsten aufgeführten Chorwerken, wurde 1742 in Dublin als großes Wohltätigkeitskonzert uraufgeführt u.a. zur Entlastung der Gefangenen verschiedener Schuldgefängnisse. Wenig später wurde er in London präsentiert, wobei sich die Londoner mit dem Oratorium im Konzertsaal ( nicht in der Kirche) schwer taten. Die erste deutsche Aufführung erfolgte 1772 in Hamburg, die erste indische in Kalkutta 1786 – noch bevor Mozart 1789 seine Bearbeitung für Wien geschrieben hatte. In Wuppertal wurde er zum ersten Mal im Jahre 1900 vom Chor der Konzertgesellschaft aufgeführt, seitdem 17mal. Jetzt war das Werk im ausverkauften Großen Saal der Historischen Stadthalle am 1. Weihnachtstag zu hören, gesungen in englischer Originalsprache.

Mit energischen punktierten Orchesterakkorden begann die einleitende Sinfonie in ernstem e- Moll. Bei der anschließenden Fuge zeigte sich der jugendliche Dirigent Clemens Flick bereits in voller Fahrt, agil, temperamentvoll, mit tanzgymnastischem Schwung weit ausholender Arme und Hände, jede Phrase, nahezu jeden Bogenstrich der Streicher exakt und subtil selbst gestaltend. Der international bekannte Barockspezialist ist in Wuppertal unvergessen, hat er doch hier schon 2018 von Francesca Caccinis Barockoper La libérations di Ruggiero dirigiert. Der chinesische Tenor Anle Gou fiel schon im 1. Accompagnato und in der ersten Arie durch seine elegante Stimmführung auf, wobei nur anfänglich leichte Schwierigkeiten bestanden, sich gegen das gelegentlich noch übermächtige, an sich jedoch barock differenziert spielende Orchester zu behaupten. In dem dramatischen Chor „Denn die Herrlichkeit des Herrn wird offenbart“ stieg der strahlende Chorsopran zum ersten Mal in höchste Höhen. Die Himmel und Erde erschütternde, innere Dramatik der eher kommentierenden als erzählenden Glaubensgeschichte wurde von Chor und Orchester in aufregender Intensität und Rhythmik umgesetzt. Frappierend war dabei die Farbigkeit des barocken Orchesterklangs, zu der die Wechsel zwischen Cembalo, Theorbe und Orgel bei der Begleitung beigetragen haben mögen. Die Theorbe, ein Lauteninstrument der Renaissance, ist durch einen zweiten Wirbelkasten am langen Hals charakterisiert. Souverän und bravourös gestaltete der erfahrene Henryk Böhm seine Baritonpartie. Herrlich wie bei ihm das Volk unisono mit dem Orchester im Finstern wandelt oder später die Völker wütend rasen. „Ich weiß, dass mein Erlöser lebt“: Yna Yoshikawa brachte durch klaren seelenvollen Sopran Emotionen in den ansonsten eher athletischen Charakter der Aufführung Gegen die Eile des Orchesters gestaltete emotional auch Benjamin Lyko als heller Countertenor seine erschütternde Passionssarie. Die von Solovioline (Nicolai Mintchev) und Solocello (Joël Wöpke) musikalisch eindrucksvoll begleiteten Arien z.B „Wie lieblich sind die Füße derer…“ oder „Doch du ließest seine Seele nicht in die Hölle“. kamen nahezu ohne jedes Dirigat aus.

Die Dramatik der Chöre mit Pauken und hellen Trompeten macht klar, dass Händels eigentliches Metier die barocke Oper war. Die eingestreuten und sehr exakt ausgeführten Generalpausen ließen das Publikum den Atem anhalten. Zum Ende hin aber forderten die sehr schnellen, nahezu irrwitzigen Tempi der in Höhe der Frauenstimmen perlenden Koloraturen den Chor zunehmend – der sich dennoch prächtig geschlagen hat. Riesenapplaus, Blumen und Bravi für diese festliche wie grandiose Aufführung am 1. Weihnachtsfeiertag.
Johannes Vesper 28. Dezember 2025
Messiah
Georg Friedrich Händel
Historische Stadthalle Wuppertal
25. Dezember 2025
Clemens Flick, Dirigent
Orchester Chor der Konzertgesellschaft Wuppertal
Sinfonieorchester Wuppertal