Wenn eine Regisseurin wie Ewelina Marciniak mit geringen Deutschkenntnissen als ihre erste Arbeit im Musiktheater das Hauptwerk Wagners den Ring des Nibelungen in Angriff nimmt, ist dies Anlass genau hinzuschauen und hinzuhören.
Schon beim „Rheingold“ zweifelte ich am Einsatz von Tänzerinnen als Alter Ego für die Haupt – und Nebenrollen.
Bei der Premiere der „Walküre“ wurde dieser Ansatz für mich zu einem Dauerärger, da die Tänzer praktisch bei jeder Szene zugange waren und den musikalischen und optischen Eindruck massiv störten. Ballett hat, und das ist meine persönliche Meinung, im Werk Wagners nur dort etwas zu suchen, wo Richard Wagner es vorgesehen hat. So komponierte der Meister für die Pariser Fassung von Tannhäuser, contre Coeur, Ballettmusik für den ersten Akt, um den Pariser Jockey Club nicht zu verärgern. Ich möchte aber hinzufügen, dass der Einsatz von Tänzerinnen durch Marciniak als Versuch der Neuerung angesehen werden kann.
Lautstärke, Diktion und Intonation waren bei allen Sängerinnen und Sänger hervorragend, die Lautstärke aller Solisten angepasst, keiner war zu laut oder zu leise, das Orchester übertönte nie die Solisten, also alles optimal abgeglichen. Die Sänger waren so ausgeglichen, dass ich erst den Verdacht hegte, es seien Mikrophone verwendet worden, was aber nicht der Fall war. Dieses Ensemble gehört so in die oberste Liga von Wagner-Interpreten.
Die Arbeit des Dirigenten und des Orchesters war der Inszenierung angepasst, der Abgleich der Lautstärke mit den Sängern und Sängerinnen gut gelungen. Das Dirigat von Nicholas Carter war ok, das Orchester spielte mit gewohnter Präzision und angepasster Emotion. Die v erkleinerte Orchesterfassung war eine Überarbeitung aus dem 20. Jahrhundert des Dirigenten Gotthold Ephraim Lessing (1903-1975).
Die Personenführung der Regie ist als eher hektisch zu bezeichnen. Dies ist wahrscheinlich eine Gewohnheit aus dem Sprechtheater, wo keine Musik die Schauspielerinnen und Schauspieler unterstützt, um deren Emotionen zu zeigen. Hie und da wäre etwas weniger Aktivität auf der Bühne hilfreich, um sich besser auf die Musik konzentrieren zu können.
Als etwas hektischen, eher unsicheren Siegmund hörte und sah ich Marco Jentsch, Julie Adams als Sieglinde strahlte die für diese Szenen nötige Ruhe aus. Dies ist von der Regisseurin für beide so gewollt und auch gut herausgearbeitet. Als kraftvoller Hunding stand mit perfekter Intonation und Diktion Matheus França auf der Bühne. Seth Carico als Wotan überzeugte bei jedem Auftritt, sei es stumm oder mit seiner Stimme. Yanhua Liu als Brünnhilde überzeugte mit guter Diktion. Ihren lauten Höhen fehlte ein bisschen die Wärme, was allerdings beim Hojotoho nicht störte. Claude Eichenberger als Fricka machte Wotan im zweiten Akt gekonnt die Hölle Heiß. Ihre Intonation und Diktion waren, wie immer, makellos.
Als Walküren auf der Bühne: Elisabeth Dopheide, Franziska Giesemann, Veronika Dünser, Toos van der Wal, Amelie Baier, Katharina Willi, Kate McNamara und Lucija Ercegovac.
Ballett: Marta Alloco, Keness Aubert, Alessandra Bareggi, Larissa De Villa, Lorina Käppeli, Hanna Kim, Chantal Kramer, Petr Nedbal, Silvia Probst und Leonie Rothenbühler.
Die Kostüme, entworfen von Julia Kornacka, sind sehr farbig und hellen die zum Teil düstere Geschichte wohltuend auf. Dasselbe gilt für das Lichtdesign von Bernhard Bieri.
Das zahlreich erschienene Premierenpublikum schien zufrieden und belohnte alle mit rauschendem Applaus.
Peter Heuberger, 17. Januar 2023
„Die Walküre“ Richard Wagner
Bühnen Bern
Besuchte Premiere: 15. Januar 2023
Regie: Ewelina Marciniak
Choreografie: Dominika Knapik
Bühne: Mirek Kaczmarek
Kostüme: Julia Kornacka
Licht: Bernhard Bieri
Musikalische Leitung: Nicholas Carter
Berner Symphonieorchester