Bayreuth: „Tristan und Isolde“

Besuchte Vorstellung: 20. August 2019

Katharina Wagner stellt in ihrer Regie von „TRISTAN UND ISOLDE“ Isolde als bewusste, moderne Frau auf die Bühne. Weg mit dem Todestrank, fort mit dem Liebestrank, den braucht es nicht. Ich, Isolde, bin eine bewusste Frau und wähle mir meinen Partner selber, bestimme eigenständig meinen Lebensentwurf!

Frau Wagner inszeniert nicht falsche Emotionen, sondern menschliche Reaktionen. Und so wird die Protagonistin Isolde zur mittelalterlichen, frühen Vorkämpferin des Feminismus im 20. Und 21. Jahrhunderts. Regie-Ideen, welcher bei in der Wolle gefärbten Wagnerianern sicherlich nicht gut ankommen.

Meiner Meinung nach wesentlich für diese Auffassung ist, dass man sich auch mit der Vorgeschichte des Werkes beschäftigt. Man soll und kann diesen Tristan nicht nur mit dem Bauch geniessen, sondern muss auch den Intellekt, den Kopf beschäftigen. Sonst gehen die Feinheiten, die wichtigen Aspekte der Sichtweise der Regisseurin verloren!

Das Bühnenbild, gestaltet von Frank Philip Schlössmann und Matthias Lippert, unterstreicht und verstärkt diesen Ansatz von Frau Wagner. Das Treppengebilde im ersten Akt erinnert an das Labyrinth im Film „DER NAME DER ROSE“. Hier wie dort ist ein Ausweg fast unmöglich. In Bayreuth möchte Tristan zu Isolde, er kann aber nicht.

Hervorragend gelöst der zweite Akt, kein „locus amoenus“, kein „lieblicher Ort“, sondern ein Gefängnis, ein Kerker der Emotionen, in welchem Isolde und Tristan durch die gesellschaftlichen Zwänge gefangen sind. Hoffnungslos,verlassen, ohne Ausweg!

Subtil, zwingend auch die Darstellung der Fieberträume von Tristan im dritten Aufzug. Ein graues Nirgendwo, ein Traum-Raum! Immer wieder erscheint Isolde im Bild in kurz aufblitzenden gleichschenkligen Dreiecken. Interessant ist dabei, dass das gleichschenklige Dreieck als Symbol für Dämonen bezeichnet wird. (Manfred Lurker, Wörterbuch der Symbolik) Und Dämonen sind es, welche Tristan erscheinen, bis Isolde und der Tod selber ihn von seinen Fieberträumen befreit.

Die Lichtführung von Reinhard Traub überzeugt, auch wenn die Bühne oft düster, dunkel daherkommt. Interessant ist auch der Licht-Dramaturgische Ansatz im zweiten Akt mit den Verfolgern. Dieser unterstreicht die Hoffnungslosigkeit der beiden Protagonisten und verstärkt die fast unsichtbare Präsenz der Antagonisten, ihre gesellschaftliche Arroganz!

Das Festspielorchester unter der Stabführung von Christian Thielemann spielte gewohnt präzise und subtil. Im zweiten Akt istr für mich das Orchester ein bisschen zu zurückhaltend, vielleicht die Solisten auf der Bühne, bedingt durch die Bühnenkonstruktion ein wenig zu vordergründig. Dies gilt aber nicht für „O sink hernieder, Nacht der Liebe“, hier ist die Mischung Orchester-Solisten hervorragend, ja einzigartig.

Petra Lang als Isolde überzeugt durch klare Diktion, saubere Intonation und sparsam eingesetztes Vibrato.
Stefan Vinke als Tristan ist ein superb singender Heldentenor. Seine Textverständlichkeit lässt keine Wünsche übrig, seine Bühnenpräsenz ist überwältigend, dies ohne seine MitspielerInnen an die Wand zu drücken.

Christa Mayer ist als Brangäne eine speziell sauber agierende und singende Antagonistin zu Isolde. Ihre Mimik, Ihre Gestik und Ihre Körpersprache wirken glaubhaft, dies auch in ihrer stummen Präsenz im dritten Akt. Ihre Diktion ist klar, ihre Stimme ohne unnötiges Vibrato auch in der Höhe verständlich und sauber intoniert.

Als Marke erscheint Georg Zeppenfeld, Kurwenal wird interpretiert von Greer Grimsley und Raimund Nolte gibt einen hervorragenden Melot. Alle drei überzeugen in der Bayreuther Produktion sowohl gesanglich als auch schauspielerisch.

Ich habe oben angemerkt, dass für eingefleischte Wagnerianer Katharina Wagners Blickwinkel auf die Werke Richard Wagners nicht immer gut ankommen. In der von mir besuchten Vorstellung (20. August 2019) waren anscheinend keine dieser Wagnerianer vorhanden.
Der mächtig aufbrausende Applaus war ohne jegliche Buhs und ähnliche Missfallensäusserungen. Eine wirklich anhaltende „standing ovation“, zuerst sitzend, dann stehend, hoch verdient vom ganzen künstlerischen Team in Bayreuth!

Peter Heuberger, 23.8.2019

© Enrico Nawrath