Besuchte Derniere am 22.01.20
(Premiere am 27.10.19)
Kleines Haus – immer spannend
Für die Neugierigen unter den Opernfreunden sind die kleinen, aber feinen Abende im Kleinen Haus des Staatstheaters Braunschweig eigentlich immer spannend; kann man doch Formate des Musiktheaters erleben, die auf einer großen Bühne untergehen würden oder durch ihren kammermusikalischen Duktus einfach besser auf eine Kammerbühne passen. So auch die beiden englischsprachigen Werke, die auf den ersten Blick nicht so viel miteinander zu tun haben: Gian Carlo Menottis "Das Telefon oder Liebe zu Dritt" für zwei Sänger und die Dramatische Szene "Zweimal durchs Herz" von Mark-Anthony Turnage. Beide jeweils halbstündigen Werke werden direkt hintereinander gespielt. Menottis Opera Buffa um die Schwierigkeit eines jungen Mannes, einen Heiratsantrag zu machen, weil immer das Telefon klingelt, so daß der Antrag schließlich über das Telefon erfolgt, ist in unserem heutigen Kommunikationsdschungel aktueller denn je. Die Regisseurin Eva-Maria Weiss rückt ihn durch Einbeziehung von von Alexa und Videostreaming, die Oper ist von 1946, direkt in die Heimmedien und verpasst dem kurzweiligen Werk die Optik eines Videoclips, schön bunt und etwas schräg.Lisa Fütterer hat die effektvolle Ausstattung des Abends entworfen.
Der zweite Teil ist deutlich ernster: eine Art Liederzyklus um eine Gattenmörderin, die nach Jahrzehnten psychischer und physischer Gewalt keinen Ausweg sah, sich aus ihrer Ehehölle zu befreien, als ihrem Mann zweimal durchs Herz zu stechen. Die interessanten Hintergründe um Rechtssprechung haben zwar mit dem Stück nicht direkt zu tun, sind aber lesenswert. Auch hier das Thema Kommunikationsschwierigkeiten. Weiss lässt die Opfer/Täter-Protagonistin ihr Martyrium einer Videokamera erzählen, eine sehr schöne Klammer mit dem ersten Teil. Turnages Musik ist modern, doch direkt emotional berührend, denn sie hat musikalisch durchaus Rückgriffe auf die Spätromantik. Zwischen den einzelnen Liedern oder Szenen sind wunderbar orchestrierte Zwischenspiele, die selbst in der Kleinteiligkeit des Stückes auch an bißchen an die "Interludes" von Brittens "Peter Grimes" erinnern, die die Szenen der großen Oper miteinander verbinden.
Jelena Bankovic und Zachariah N.Kariithi als Lucy und Ben singen mit lockerem Sopran und Bariton den heiteren Ton der komischen Oper und gefallen mit engagiertem Spiel, während Dorothea Spilgers apart goldfarbener Mezzosopran mit manchmal fast zuviel Tongebung die Soloszene erfüllt, hier eine starke Verinnerlichung des Charakters. Alexis Agrafiotis findet für beide sehr unterschiedlichen Musiksprachen den jeweils richtigen Ton und das Kammerensemble aus dem Staatsorchester Braunschweig klingt einfach prächtig. Optisch versuchte die Regisseurin eine enorme Abwechslung in die Stunde zu fassen, weniger wäre vielleicht mehr,gerade für den zweiten Teil, obwohl es wirklich gut gemacht war. Denn weniger für die Augen, heißt manchmal mehr für die Ohren. Trotzdem ein toller Musiktheaterabend in all seiner Kürze.
Martin Freitag, 28.1.2020
Bilder siehe premierenbesprechung weiter unten