Louis-Spohr-Saal im Staatstheater am 19. Februar 2018
Ungewöhnliches Programm
In der kleinen Reihe von kurzen Liederabenden, in denen sich neue Ensemble-Mitglieder vorstellen, war jetzt der Bariton Maximilian Krummen mit einem ungewöhnlichen, aber sehr interessanten Programm zu erleben. Er hatte dem Abend den Titel „Sweet were the hours“ gegeben – das ist eins von 179 (!) weithin unbekannten schottischen, irischen und walisischen Volksliedern, die Beethoven für Singstimme und Klaviertrio bearbeitet hat. Zehn dieser Lieder ganz unterschiedlicher Stimmung mit teilweise hoher Virtuosität in den Instrumentalparts präsentierte der Sänger gemeinsam mit dem Pianisten Samuel Emanuel sowie Spitzenkräften aus dem Staatsorchester Braunschweig, dem ersten Konzertmeister Johannes Denhoff und dem ersten Solocellisten Karls Huros. Wie bereits bei den reinen Klavierliedern zu Beginn des Liederabends beeindruckte der junge Sänger auch hier durch eine schon sehr ausgereifte Stimmführung, gute Textverständlichkeit und das Auskosten der vielen lyrischen Melodiebögen, wobei sich die Instrumentalisten als kluge Mitgestalter der wirkungsvollen Lieder erwiesen.
Der erste Teil des Abends war mit Vertonungen deutscher Romantiker von einem amerikanischen und russischen Komponisten sozusagen der Gegenentwurf zu den Beethovenschen Volksliedbearbeitungen von den britischen Inseln. Charles Ives (1874-1954), in seinen späteren Jahren ein bedeutender Vertreter moderner amerikanischer Musik, hatte an der Yale-Universität New Haven das europäische Kunstlied studiert und daraufhin ganz im Stil Schumanns und Brahms‘ deutsche Gedichte, besonders gern von Heinrich Heine, vertont. Es erklangen sechs dieser Lieder vom Ende des 19.Jahrhunderts, dabei aus berühmten Vertonungen so bekannte Lieder wie „Du bist wie eine Blume“, „Feldeinsamkeit“ oder „Ich grolle nicht“. Wieder gefielen der warme Klang des lyrischen Baritons sowie die intensive Ausdeutung der Liedinhalte – und das bei durchgehender Intonationsreinheit. In der Mitte zwischen den Ives-Liedern erklangen – inhaltlich passend – Goethes „Elfenliedchen“ und Eichendorffs „Im Walde“, vertont von dem Deutsch-Russen Nikolai Medtner (1880-1951).
Wie stets bei den Liederabenden dieser Saison gab es ein Gespräch mit einer Dramaturgin, diesmal Sarah Grahneis, über den Werdegang des Sängers, der ihn nach dem Studium in Köln über das Opernstudio der Linden-Oper in Berlin nun nach Braunschweig geführt hat.
Den kurzen Teil des Abends mit russischen Texten leitete Goethes „Flohlied“ des Mephisto von Modest Mussorgsky ein, das Krummen als wahres Kabinettstückchen ablieferte, indem er den satanischen Witz des Liedes ausgesprochen effektvoll rüberbrachte. Schließlich gab es noch drei Vertonungen deutscher Gedichte von Alexander Borodin für Singstimme, Klavier und Violoncello, die der Komponist zuvor ins Russische übertragen hatte. Hier entwickelte der Cellist wunderbar geschmeidigen Ton, der bestens zum vorbildlichen Legato des Sängers in Heines „Fischermädchen“ passte. In der kleinen Tragödie „Die Liebe ist vergangen“ blieb die erforderliche dramatische Zuspitzung mit mächtiger Klangentfaltung nicht aus.
Beim zu Recht begeistert applaudierenden Publikum bedankten sich die Künstler mit einem weiteren irischen Volkslied und mit dem „Wiegenlied“ von Charles Ives.
Foto: © Staatstheater Braunschweig
Gerhard Eckels 20. Februar 2017