Besuchte Aufführung: 9. 2. 2014 (Premiere: 8. 1. 2014)
Heitere Millionenjagd
Endlich kann das Landestheater Coburg nach dem beseitigten Wasserschaden wieder bespielt werden. Und nun fand auch die Neuproduktion von Lehars Erfolgsoperette „Die lustige Witwe“, die umständehalber verschoben werden musste, den Weg auf die wieder instand gesetzte Bühne. Es wurde ein recht vergnüglicher Nachmittag. Francois de Carpentries, dessen Würzburger „Don Giovanni“-Inszenierung man noch in bester Erinnerung hat, setzte das Stück heiter beschwingt und kurzweilig in Szene. Seine Personenregie war unaufgesetzt und flüssig. Darüber hinaus wartete er auch dieses Mal wieder gekonnt mit Tschechow’schen Elementen auf. So ließ er das in zwei Teile aufgespaltete zweite Duett zwischen Valencienne und Rossilon von einem Dialog Hannas und Danilos, die auf der Bühne geblieben waren, unterbrechen. Der Zauber, dem sich das erste Paar hingibt, springt an dieser Stelle auch auf die beiden Protagonisten über. Besonders im zweiten Akt nicht ganz glücklich muteten die im Sprechtext vorgenommenen Kürzungen an.
Sofia Kallio (Hanna)
Den äußeren Rahmen des Geschehens bildet eine von Andreas Becker entworfene Säulenhalle, in dem die pontevedrinische Botschaft ihr Domizil aufgeschlagen hat. Man ist augenscheinlich noch nicht gänzlich in der neuen Residenz angekommen, die Möbel sind teilweise noch verhängt. Der Hintergrund wird von einem Bild des Landesvaters von Pontevedrino eingenommen, rechts neben diesem erhebt sich die Statue eines alten römischen Kaisers. Man merkt, Baron Zeta ist ein Anhänger antiker Werte. Zu Beginn des zweiten Aufzuges ist es dann eine Solotänzerin, die gekonnt die Aufmerksamkeit der Anwesenden auf sich zieht.
Sofia Kallio (Hanna), Falko Hönisch (Danilo)
In diesem Akt beherrscht eine Art Guckkastenbühne mit einer projizierten, sehr naturalistischen Sträucher- und Gebirgslandschaft die Bühne, die – einmal um die eigene Achse gedreht – auch den Pavillon bildet. In ihm residiert das von Karine van Hercke prächtig eingekleidete Naturkind Hanna wie eine Bergkönigin. Während des Duetts vom „dummen Reitersmann“ nimmt sie verspielt auf einem im linken Bühnenbereich platzierten Schaukelpferd Platz. Im ersten Akt erscheint sie gänzlich unkonventionell als mit den Pariser Salonregeln anscheinend noch nicht sonderlich vertraute Winterreisende mit Pelzmütze und modischem Blazer. Die Art, wie sie immer wieder lässig und salopp die Hände in die Taschen ihrer schicken weißen Hose steckt, macht auf vergnügliche Art und Weise deutlich, dass sie die Benimmregeln der in feine schwarze Abendanzüge gekleideten High Society, auf die sie etwas herunterblickt, noch nicht gänzlich verinnerlich hat. Zunehmend lernt sie, sich dieser feinen Gesellschaftsschicht anzupassen. Am Ende mischt sie sich dann gutgelaunt unter die Grisetten.
Dirigent Roland Fister und das gut gelaunt aufspielende Philharmonische Orchester Landestheater Coburg waren in guter Verfassung und präsentierten einen locker dahinfliessenden, spritzigen und farbenreichen Klangteppich, der aber auch einfühlsame emotionale und bedächtige Momente aufwies. Lustvolle Ausgelassenheit korrespondierte mit schöner Walzerseligkeit, und auch in dynamischer Hinsicht war die Leistung der Musiker abwechslungsreich und ausgeglichen. Insbesondere beim Lied der Grisetten, dessen Schluss mehrmals wiederholt wurde, sprang der sprichwörtliche Funke über.
Sofia Kallio (Hanna), Falko Hönisch (Danilo)
Insgesamt zufrieden sein konnte man auch mit den sängerischen Leistungen. Allen voran vermochte Sofia Kallio in der Titelpartie nachhaltig für sich einzunehmen. Sie hatte das Regiekonzept vollständig verinnerlicht und mit einer guten schauspielerischen Ader temporeich und gewitzt umgesetzt. Auch gesanglich bewies sie erneut, dass sie zu den ersten Kräften des Coburger Theaters gehört. Mit wunderbar italienisch focussiertem, mezzohaft anmutendem Sopran gestaltete sie die Hanna sehr tiefgründig und glänzte insbesondere in dem mit herrlicher Linienführung, warm, gefühlvoll und bestens sitzenden Pianissimi dargebotenen Vilja-Lied. Leider hatte sie die Rechnung ohne den verstaubten, aber von der Handlung her unentbehrlichen Fächer gemacht, der sie manchmal etwas husten ließ und einmal leider auch eine kleine vokale Indifferenz erzeugte. Das ist aber nicht Frau Kallio, sondern der Requisite anzulasten. Neben ihr bewährte sich als Danilo Danilowitsch Falko Hönisch. Schon äußerlich war der gut aussehende, fesche Sänger für den Grafen trefflich gewählt. Auch stimmlich bewältigte er mit insgesamt gut verankertem Bariton, der indes in der Höhe noch etwas profunder hätte klingen können, seinen Part solide. In puncto Stimmkraft und Volumen seines klangvollen Baritons war ihm indes Benjamin Werth überlegen. Es war etwas verwunderlich, dass dieser prachtvolle Sänger, der mit der kleinen Rolle des Vicomte Cascada eindeutig unterbesetzt war, nicht den Danilo singen durfte, den er sicher ganz brillant gegeben hätte. Als Camille de Rossilon machte mit sonorem, frischem Tenor italienischer Schulung David Zimmer nachhaltig auf sich aufmerksam. Neben ihm fiel die mit zu hoher Stütze und maskig singende Julia Klein in der Partie der Valencienne ab. Eine Fehlbesetzung stellte Michael Lion für den Baron Zeta dar. Dieser sonst vorzügliche Bassist kam mit den bis zum hohen g reichenden Höhen des pontevedrinischen Gesandten nicht zurecht und transponierte hoch liegende Stellen ständig nach unten. Diese Rolle sollte mit einem Bariton oder einem Tenor besetzt werden. Ein eher mäßiger Vertreter des letzteren Stimmfaches ist Freimut Hamman, der als Raoul de St. Broche ausgesprochen dünn klang. Köstlich war der Njegus des Schauspielers Stephan Ignaz, der besonders mit einem zwischen dem zweiten und dem dritten Akt angesiedelten heiteren Extemporé die Lacher auf seiner Seite hatte. Sascha Mai (Bogdanowitsch), Gabriele Bauer-Rosenthal (Sylviane), Martin Trepl (Kromow), Joanna Stark (Olga), Jan Korab (Pritschitsch) und Patricia Lerner (Praskowia) rundeten das homogene Ensemble ab.
Ludwig Steinbach, 10. 2. 2014 Die Bilder stammen von Andrea Kremper.