Premiere Krefeld: 01.10.2021, besuchte Vorstellung 03.11.2021
Herr Pitzelberger lädt zum Opernkonzert
Nach vielen Monaten des Lockdown startete das Theater Krefeld-Mönchengladbach im Mai diesen Jahres mit mehreren sehenswerten Premieren in die Restspielzeit 2020/21. Hierbei war auch die Operette „Salon Pitzelberger & Co.“ erstmals in Mönchengladbach zu sehen, die nun auch in Krefeld auf dem Spielplan des Gemeinschaftstheater steht. Als die Operette „M. Choufleuri restera chez lui le…“ (auf Deutsch im Original „Herr Blumenkohl bleibt zu Hause am …“) von Jacques Offenbach im Jahr 1861 uraufgeführt wurde, wusste nahezu jeder, dass durch diese aus heutiger Sicht etwas umständliche Formulierung eine Einladung zur abendlichen Gesellschaft ausgesprochen wurde. Da dies in der heutigen Zeit nicht mehr zeitgemäß ist, wurde die Operette im deutschen Sprachraum in den letzten Jahrzehnten auch oft unter dem Titel „Salon Pitzelberger“ aufgeführt. Da das Werk mit einer Spielzeit von rund 40 Minuten aber selbst für eine einaktige Corona-Produktion recht kurz ist, hat Ulrich Proschka in seiner Konzeption und Textfassung Einlagen aus weiteren Operetten eingefügt, hierunter u. a. „Pomme d’Api“, „Le 66“, „Orpheus in der Unterwelt“ und „La Perichole“. Im Titel wurde entsprechend der der Zusatz „& Co.“ ergänzt, um dies auch dort zu verdeutlichen. Dies gelingt zwar nicht immer ohne kleinere Längen im Stück zu erzeugen, darüber kann man aber hinwegsehen, denn Herrn Proschka ist hier eine sehr unterhaltsame Aktualisierung und Erweiterung der Handlung gelungen. Angesiedelt wurde diese in den Gründerjahren nach dem Deutsch-Französischen Krieg zum Ende des 19. Jahrhunderts. Herr Pitzelberger ist hierbei vom märkischen Rübenbauer erst zum Zuckerfabrikanten und dann zum Hersteller von Industriealkohol aufgestiegen. Seine Firma nennt er voller Stolz „BER – Berliner Ethanol-Rüben“, was für allgemeine Erheiterung im Publikum sorgt. Mit einer Einladung zur Opernaufführung in seinem Salon, möchte er nun auch in der oberen Gesellschaft entsprechend Eindruck schinden. Neben der Ergänzung der ursprünglichen Operette um weitere Offenbach-Werke finden auch weitere Personen den Weg in die Geschichte. Hierzu sei an dieser Stelle auf den sehr informativen Text im Programmheft des Abends verwiesen.
Geboten wird in Krefeld eine sehr gelungene und unterhaltsame Operetten-Inszenierung, die gleichzeitig mit ihrer kammermusikalischen Bearbeitung durch Michael Preiser überzeugen kann. Mit nur zehn Musikern (vier Bläser, vier Streicher, ein Pianist und ein Musiker für diverse Schlaginstrumente) entsteht eine Klangfarbe, wie sie perfekt auch zu einem Salon-Konzert passen würde, welches hier im Mittelpunkt der Handlung steht. In der besuchten Vorstellung lag die musikalische Leitung bei Sebastian Engel, der das Orchester souverän durch den Abend leitete. Wie gewohnt kann man sich in Krefeld auch auf ein spielfreudiges Ensemble verlassen. Als Unternehmer Waldemar Pitzelberger steht Matthias Wippich auf der Bühne, der mit schönem Bass und unterhaltsamen Schauspiel glänzt. Komische Rollen wie der der Gärtner Petermann, der nun den englischen Butler des Abends geben soll sind bei Markus Heinrich wie immer in den besten Händen. Ihm zur Seite steht im Verlauf des Abends die neue Hausdame Melusine von Lotz, die charmant von Gabriela Kuhn dargeboten wird. Mit schönem Sopran ist auch Sophie Witte eine sichere Bank auf jedem Besetzungszettel. Auch die übrigen Rollen sind mit David Esteban, Raphael Bruck, Woongyi Lee und Maya Blaustein musikalisch stark besetzt. Hinzu kommen noch acht Darsteller und Darstellerinnen, die als Gäste des Abends zu sehen und zu hören sind, sich aber handlungsbedingt vor allem auf das Buffett des Abends freuen.
Für das Bühnenbild hat Christine Knoll hat einen schönen Salon geschaffen, der gut zu einer großen Operettenproduktion passt und gleichzeitig Pitzelbergers vermeintliches Kunstverständnis durch das Bild des röhrenden Hirsches über dem Klavier geschickt enttarnt. Alles in allem darf sich der Zuschauer bei dieser Produktion auf unterhaltsame 110 Minuten freuen, bei der die Handlung zwar nicht über den ganzen Abend reicht, bei der aber Inszenierung, Musik und Darstellung zu einer gelungenen Einheit verschmelzen.
Markus Lamers, 06.11.2021
Fotos: © Matthias Stutte