Frankfurt, Konzert: „City of Birmingham Symphony Orchestra“, Kazuki Yamada feat. María Dueñas

Am 9. März 2024 erlebte die Alte Oper in Frankfurt einen Konzertabend von außerordentlicher musikalischer Pracht, der von herausragenden Interpreten und einem anspruchsvollen Programm bestimmt war. Unter der höchst motivierenden Leitung des gefeierten Dirigenten Kazuki Yamada eröffnete das City of Birmingham Symphony Orchestra (CBSO) mit der jungen Geigerin María Dueñas einen Abend, der das Publikum auf eine fesselnde Reise durch die Werke von Ludwig van Beethoven und Hector Berlioz mitnahm.

Maria Dueñas – © Xenia Zasetskaya

Das Konzert eröffnete mit Ludwig van Beethovens Violinkonzert in D-Dur, Op. 61, einem Werk, das als eines der bedeutendsten Konzerte des Violinrepertoires gilt. Komponiert im Jahr 1806, zeichnet sich das Werk durch seine expansive Form und die virtuose Behandlung des Soloinstruments aus. María Dueñas, die Solistin des Abends, bedachte das Publikum mit einer Interpretation, die gleichermaßen durch technische Brillanz wie auch emotionale Tiefe beeindruckte. Im ersten Satz geleitete María Dueñas das Publikum durch die verschiedenen thematischen Entwicklungen, mit einer Mischung aus lyrischer Schönheit und spielerischem Charme. Zu Beginn noch merklich nervös, spielte sie mit intensivem Vibrato und vielen Rubati. In der Phrasierung agierte sie dabei spontan und eigenwillig. Es war schon faszinierend, wie reaktionsschnell das Orchester sie mit warmen und einfühlsamen Klängen begleitete, wobei die Interaktion zwischen Solovioline und Orchester einen hellwachen Dialog erzeugte. Das Larghetto bot einen ruhigen Kontrast zum ersten Satz. María Dueñas war hier ganz in ihrem Element. Ihre lyrische Gestaltungskraft erzeugte intime Klanglandschaften, die von einer tiefen emotionalen Aufrichtigkeit geprägt waren. Die begleitenden Streicher und Holzbläser trugen zur zauberhaften Atmosphäre bei und schufen eine wundervolle Harmonie zwischen Solistin und Orchester. Im abschließenden Rondo Finale entfaltete sich die virtuose Seite von María Dueñas‘ Spiel. Sie meisterte die brillanten Passagen mit atemberaubender Geschwindigkeit und Präzision. Doch muss auch gesagt sein, dass Dueñas ihren Weg zu Beethoven noch vor sich hat. Stilistisch klang das alles oft eher nach Bruch oder Mendelssohn, ein kraftvolles Forte oder auch ruppigere Farben in der Artikulation präsentierte sie an diesem Abend nicht. Die Musik hinter den Noten bedarf noch der Reife, die die begabte Künstlerin noch entwickeln kann. Somit rückte ihr Vortrag zuweilen recht deutlich in den Hintergrund. Und der Grund lag bei dem superben Orchesterspiel. Das City of Birmingham Symphony Orchestra begleitete sie mit einer äußerst warmen und einfühlsamen Klangkulisse unter der souveränen Leitung von Kazuki Yamada, wodurch eine harmonische Einheit zwischen Solistin und Orchester entstand. Yamada wählte eine große Streicherbesetzung und interpretierte den großen Bonner Meister vorbildlich. Symphonisch nobel und ebenso auftrumpfend, das Schroffe nicht meidend.

:© Sasha Gusov

Dieser Beethoven hatte einen unwiderstehlichen Charakter. Und das CBSO verblüffte mit einer orchestralen Meisterschaft, die die prominenteren englischen Orchester auf hintere Plätze verwies. Keine Frage, das noch frische Bündnis zwischen Chefdirigent Kazuki Yamada und dem CBSO berechtigt zu größten Hoffnungen. So gab es denn auch viel Begeisterung, die mit einer ganz besonderen Zugabe belohnt wurde. Ein seltener Gast in den Konzerten ist Gabriel Fauré. Seine bezaubernde Komposition für Violine und Orchester „Après un rève“ war eine vorgetragene Preziose. Funkelnd, lyrisch empfindsam zeigte Maria Dueñas ihre Domäne: kantable Lyrik. Großartig! Das Publikum jubelte. Nach der Pause präsentierte das CBSO Hector Berlioz‘ „Symphonie fantastique“, Op. 14, ein bahnbrechendes Werk der Programmmusik, das 1830 uraufgeführt wurde. Berlioz beschrieb die Sinfonie als „musikalisches Drama“, das die fantastischen und oft grotesken Visionen eines Künstlers darstellt. Das Werk besteht aus fünf Sätzen, die ein zyklisches Programm erzählen und sich durch ihre innovative Instrumentation und expressive Leitmotivik auszeichnen. Der erste Satz, „Rêveries – Passions“, präsentierte eine Reihe von melodischen Motiven, die sich zu einem stürmischen Höhepunkt entwickelten, wobei das CBSO die Spannung mit beeindruckender Präzision aufbaute. Der zweite Satz, „Un bal“, zeigte eine sehr elegante Darstellung eines Balls, bei welchem das Orchester mit ansteckendem Schwung und großer Energie lustvoll aufspielte. Gleichzeitig entstand hier eine faszinierende Illusion für das Publikum. Dirigent Yamada leitete sein Orchester mit tänzerischen Bewegungen, drehte sich nach rechts und links, die Arme dabei ausbreitend.

CBSO – © Hannah Fathers

Ein Tanz mit dem Klangkörper als Tanzpartner. Was für ein besonderer Augenblick! Der dritte Satz, „Scène aux champs“, entführte die Zuhörer in eine idyllische Landschaft, wobei die sanften Streicherklänge und die warmen Holzbläserfarben eine Atmosphäre der Ruhe und Kontemplation schufen. Der vierte Satz, „Marche au supplice“, faszinierte durch seine düstere Atmosphäre und seine dramatische Entwicklung, wobei das CBSO mit äußerst kraftvollen Klängen und packendem Rhythmus eine beklemmende Stimmung erzeugte. Schließlich führte der fünfte Satz, „Songe d’une nuit de sabbat“, zu einem furiosen Finale, das mit seinen schaurigen Klangeffekten und wilden Rhythmen die Zuhörer in den Sitz drückte. Kazuki Yamada und das CBSO präsentierten Berlioz‘ visionäres Meisterwerk mit größter Leidenschaft, spielerischer Offensive und interpretatorischer Raffinesse, die das Publikum in Euphorie versetzte. Unter Yamadas vorbildlich motivierender Leitung entfaltete das CBSO die volle Palette der orchestralen Farben und Emotionen, von den zarten und träumerischen Passagen bis zu den kraftvollen und dramatischen Momenten. Die höchst präzise Ausführung der komplexen Partitur und die einfühlsame Interpretation der musikalischen Motive zeugten von der hohen künstlerischen Qualität des Orchesters und seiner tiefen Verbindung zur Musik. Besonders bemerkenswert waren die Solobeiträge der einzelnen Instrumentengruppen, angefangen bei den expressiven Holzbläsern bis hin zu den majestätischen Blechbläsern und den einfühlsamen Streichern. Bombastisch und ohne jede Hemmung fetzte das Schlagzeug seine Akzente in den Saal. Jeder Satz der Sinfonie wurde intensiv und immens ausdrucksstark vorgetragen, wodurch das Publikum bis zum letzten Klang gebannt lauschte. Ein ganz formidabler und vollendeter Vortrag, der in dieser Qualität nur selten zu erleben ist. Das CBSO hat mit seinem neuen Chef das große Los gezogen! Die Chemie stimmt und Yamada ist ein ausgesprochen charismatischer Motivator, der hellwach in allen Farben das Meisterwerk beleuchtete und das CBSO für besonders gelungene Beiträge mit hochgestrecktem Daumen belohnte. Eine feine Geste. Sein Orchester musizierte für ihn hingebungsvoll, mit bestem Einsatz. England ist zu Recht stolz auf seine hohe Qualität der heimatlichen Orchester. Das Frankfurter Gastspiel zeigte, dass in dieser bestechenden Form das CBSO die aktuelle Nummer Eins im Vereinigten Königreich sein dürfte. Selten war in der Alten Oper Frankfurt ein derart euphorischer Jubel über das Erlebte zu vernehmen. Mit einer umwerfenden Farandole aus Bizets „L`àrlesiènne“ kochte die Begeisterung über. Laute, endlos anmutende Jubelzurufe. Was für ein Abend im ehrwürdigen Konzerthaus! Die findige Pro Arte Agentur sollte sich bald das Orchester und seinen fabelhaften Dirigenten für weitere Gastspiele sichern.

Dirk Schauß, 10. März 2024


Besuchtes Konzert in der Alten Oper Frankfurt
am 9. März 2024

María Dueñas, Violine

City of Birmingham Symphony Orchestra
Kazuki Yamada, Leitung

Tipp: Nächstes Konzert dieser Besetzung am 11. März in der Kölner Philharmonie