Das Gastspiel des National Symphony Orchestra (Washington, D.C.) in der Alten Oper Frankfurt am 23. Februar 2024 war ein musikalischer Leckerbissen von höchster Qualität. Unter der inspirierten Leitung von Gianandrea Noseda präsentierte das Orchester ein facettenreiches Programm, das die Zuhörer auf eine eindrucksvolle klangliche Reise mitnahm.Das Konzert eröffnete mit einer Darbietung von drei ausgewählten Stücken aus Alban Bergs „Lyrischer Suite“ in einer Fassung für Streichorchester. Als typischer Vertreter der zweiten Wiener Schule gilt diese Komposition. Bergs Verwendung musikalischer Geheimschrift, indem er die Initialen seiner heimlichen Geliebten Hanna Fuchs in die Noten einfließen ließ, betont die persönliche und intime Natur dieses Werkes.
Den Zuhörern wurde jedoch kein sanfter Einstieg geboten, da Bergs Stücke eine Herausforderung für diejenigen darstellen, die musikalische Genüsse erwarten. Die fortwährende Wiederholung destruktiver Dissonanzen, ohne erkennbare musikalische Motive, könnte als akustische Strapaze empfunden werden. Der spärliche Applaus am Ende des Vortrags mit wenigen Sekunden sprach Bände. Es war bedauerlich, dass die herausragenden Streicher des National Symphony Orchestra ihre meisterhafte Klanggestaltung und Phrasierung nicht in einer angemesseneren Komposition zur Geltung bringen konnten. Die Rückkehr der renommierten Geigerin Hilary Hahn nach Frankfurt wurde von den Zuhörern mit großer Freude begrüßt. Mit ihrer Aufführung von Erich Wolfgang Korngolds Violinkonzert in D-Dur Op. 35 präsentierte die Geigerin ein wahres Juwel des Repertoires, das gleichermaßen technische Brillanz und emotionale Tiefe erfordert. Korngold, berühmt für seine einzigartige Verschmelzung von klassischer Musik und Hollywood-Klang, schöpfte Themen aus seinen eigenen Filmmusiken wie „Another Dawn“ und „The Prince and the Pauper“, um dieses Konzert zu formen. Die herausragende Interpretation der Geigerin zeugte von ihrem tiefen Verständnis für Korngolds musikalische Sprache und ihrer beeindruckenden Virtuosität. Die Darbietung war geprägt von fesselnder Ausdruckskraft und technischer Brillanz. Die Geigerin verstand es ausgezeichnet, die nostalgischen Melodien und kraftvollen Rhythmen dieses Stückes zum Leben zu erwecken und das Publikum zu begeistern. Besonders bemerkenswert war ihre feine Artikulation des langsamen mittleren Satzes, der eine bemerkenswerte Sensibilität und eine deutliche emotionale Tiefe offenbarte. Die Interpretation des Finalsatzes unterstrich Hahns Hinweis auf den „Quasi Rock ’n‘ Roll“-Charakter und betonte so die vielseitigen Einflüsse und die innovative Natur von Korngolds Musik. Es war eine fesselnde und mitreißende Aufführung. Gianandrea Noseda und das Orchester schufen einen orchestralen Edelklang, der Hahns Spiel auf herausragende Weise unterstützte, was zu einem riesigen Jubel aus dem Auditorium führte. Hilary Hahn bedankte sich mit zwei Zugaben, zunächst eine sehr eingängige, lichtvolle Komposition „Shards of the light“ (2021) von Carlos Simon, dem aktuellen Composer in Residence und in Frankfurt anwesend, der sich ebenfalls über viel Zuspruch freuen konnte. Vollendet dann der Vortrag des Largos aus der Sonate C-Dur BWV 1005 von J.S.Bach. Den krönenden Abschluss bildete Ludwig van Beethovens monumentale Sinfonie Nr. 3 Es-Dur Op. 55 „Eroica“. Beethoven revolutionierte die sinfonische Form mit diesem Werk und setzte neue Maßstäbe für die Musik seiner Zeit.
Die „Eroica“ ist nicht nur ein musikalisches Meisterwerk, sondern auch ein Ausdruck von Beethovens persönlicher und künstlerischer Entwicklung. Die Uraufführung fand in einem privaten Rahmen statt, bevor das Werk der Öffentlichkeit präsentiert wurde, was die außergewöhnliche Bedeutung und den revolutionären Charakter dieser Sinfonie unterstreicht. Gianandrea Noseda ist ein fabelhafter Beethoven-Dirigent. Mit seinem Orchester hat er alle Sinfonien des Meisters eingespielt. Unter seiner sehr energischen Leitung erwachte die „Eroica“ zu neuem Leben. Er verlieh der Sinfonie mit rhythmischer Präzision und stürmischem Vorwärtsdrang eine unvergleichliche Vitalität. Die Vielschichtigkeit und Dramatik des Werkes kamen in seiner Interpretation eindrucksvoll zum Ausdruck, wobei die verschiedenen Sätze jeweils mit einer starken Intensität und Dynamik präsentiert wurden. Das National Symphony Orchestra lieferte eine mitreißende Interpretation. Bereits im ersten Satz zeigte das Orchester seine beeindruckende Fähigkeit, die kraftvolle Energie und die subtilen Nuancen dieser Sinfonie zu vermitteln. Die vielen Dissonanzen im ersten Satz wurden beeindruckend geschärft vorgetragen. Das präzise Zusammenspiel der einzelnen Instrumentengruppen trug zu einer dynamischen und mitreißenden Aufführung bei, welches das Publikum von Anfang an faszinierte. Im zweiten Satz entfaltete das National Symphony Orchestra eine erhabene Größe und Intensität. Die trauernden Melodien wurden von den Streichern mit tiefer emotionaler Wärme dargeboten, während die Bläser mit ihrer klanglichen Präsenz und Ausdrucksstärke eine zusätzliche Dimension der Trauer und Erhabenheit hinzufügten. Das Orchester verlieh diesem Satz eine bewegende Tiefe und Eindringlichkeit. Im lebhaften Scherzo demonstrierte das National Symphony Orchestra seine herausragende Technik und sein Spiel mit Lebendigkeit und Eleganz. Die spritzigen Rhythmen und die kontrastierenden Themen wurden von den Musikern mit Leichtigkeit und Präzision präsentiert, wodurch ein pulsierendes und mitreißendes musikalisches Erlebnis entstand. Die Hörner brillierten in ihren exponierten Passagen und trugen zum energiegeladenen Charakter dieses Satzes bei. Das finale Allegro molto, war ein triumphaler Höhepunkt des Konzerts. Unter der Leitung von Gianandrea Noseda entfesselte das National Symphony Orchestra eine ungezügelte Energie und Begeisterung, die die revolutionäre Kraft und das heroische Ausmaß von Beethovens Musik voll zum Ausdruck brachten. Das Publikum feierte begeistert diese exquisite Darbietung. Noseda wirkte berührt von dem großen, berechtigten Jubel und gewährte zwei Zugaben. Noch einmal Carlos Simons mit seiner „Meditation in Grace“. Eine neoromantische Komposition mit Zitaten aus „Amazing Grace“ und Farben, die an Aaron Copland erinnerten. Selten, dass ein Publikum einen anwesenden Komponisten der Neuzeit derart intensiv feiert. Und dann kündigte Noseda ein finales „Bonbon“ an. Eine ungemein spritzige und keck dargebotene Ouvertüre zu Mozarts „Le Nozze di Figaro“. Die glücklichen Zuhörer verließen die Veranstaltung erfüllt von den musikalischen Darbietungen des Abends. Die Kunst des Orchesters und seiner Solistin wird sicherlich in positiver Erinnerung bleiben
Dirk Schauß, 24. Februar 2024
Besuchtes Konzert in der Alten Oper Frankfurt
am 23. Februar 2024
Hilary Hahn, Violine
National Symphony Orchestra (Washington, D.C.)
Gianandrea Noseda, Leitung