Am 1. März 2024 bot die Alte Oper Frankfurt den Rahmen für ein bemerkenswertes Konzerterlebnis, das die Werke zweier bedeutender Komponisten des 20. Jahrhunderts, Sergej Rachmaninow und Dmitri Schostakowitsch, in den Fokus rückte. Unter der Leitung von Chefdirigent Alain Altinoglu entfaltete das hr-Sinfonieorchester eine Interpretation, die nicht nur das klangliche Spektrum der Kompositionen erweiterte, sondern auch einen Einblick in die vielschichtigen künstlerischen Visionen der beiden Komponisten ermöglichte. Besonders herausragend war die Präsenz des jungen Pianisten Alexander Malofeev, dessen virtuoses Spiel und künstlerische Sensibilität das Publikum völlig begeisterte. Die Paganini-Rhapsodie von Sergej Rachmaninow ist ein Meisterwerk der musikalischen Virtuosität und Ausdruckskraft. Diese Komposition wurde im Jahr 1934 fertiggestellt und am 7. September desselben Jahres unter der Leitung von Leopold Stokowski uraufgeführt.
Das Stück basiert auf dem berühmten Thema von Niccolò Paganini, der 24 Capricci für Solovioline geschrieben hat. Rachmaninows Rhapsodie a-Moll über ein Thema von Paganini Op. 43 besteht aus 24 Variationen, die das Paganini-Thema auf unterschiedliche Weise behandeln. Dieses Werk ist herausfordernd sowohl für den Solisten als auch für das Orchester. Es erfordert eine außergewöhnliche technische Fertigkeit und emotionale Interpretation. Ein charakteristisches Merkmal dieser Komposition ist das wiederkehrende Dies-Irae-Thema, das Rachmaninow in vielen seiner Werke verwendet hat. Dieses Thema verleiht der Musik eine düstere und geheimnisvolle Atmosphäre. Es gibt unter Musikwissenschaftlern Uneinigkeit darüber, ob der Komposition ein bestimmtes Programm zugrunde liegt. Einige argumentieren, dass die Musik die Legende von Paganinis Pakt mit dem Teufel darstellt, während andere dies verneinen. Trotzdem fasziniert die Paganini-Rhapsodie durch ihre dramatische und expressive Kraft und hat eine breite Palette von Interpretationen inspiriert, einschließlich Ballettaufführungen. Das Konzert in der Frankfurter Alten Oper, mit dem hr-Sinfonieorchester unter der Leitung von Alain Altinoglu und dem brillanten Pianisten Alexander Malofeev, präsentierte eine herausragende Aufführung dieses anspruchsvollen Werkes. Malofeev brillierte mit seiner technischen Brillanz und seiner Fähigkeit, die emotionalen Nuancen der Musik stark berührend herauszuarbeiten. Sein Spiel zeichnete sich durch Klarheit, dynamische Bandbreite und eine äußerst einfühlsame Interpretation aus. Malofeevs Vortrag des Klavierparts wurde durch die bemerkenswerte technische Virtuosität und tiefe emotionale Interpretation bestimmt. Seine Fingerfertigkeit ermöglichte es ihm, die anspruchsvollen Passagen der Rhapsodie mit stupender Leichtigkeit zu bewältigen, während er gleichzeitig eine subtile Nuancierung und Ausdruckskraft beibehielt. In den kraftvollen Abschnitten der Variationen zeigte Malofeev eine beeindruckende Beherrschung des Instruments, wobei seine kräftigen Akkorde und schnellen Läufe eine faszinierende Präsenz und Energie vermitteln. Seine Anschläge sind dabei klar und präzise, was es ihm ermöglichte, auch die komplexesten Passagen mit großer Übersicht und Durchschlagskraft zu spielen. In den lyrischen und emotionalen Abschnitten der Rhapsodie zeigte Malofeev sein sensibles musikalisches Verständnis und die Fähigkeit, eine breite Palette von Emotionen auszudrücken. Darüber hinaus zeigt Malofeev eine bemerkenswerte Fähigkeit zur Zusammenarbeit mit dem Orchester und dem Dirigenten. Sein Spiel ist perfekt auf die Begleitung des Orchesters abgestimmt, wobei er mit großer Aufmerksamkeit auf die Dynamik und Phrasierung achtete, um einen fruchtbaren Dialog zwischen Solist und Orchester zu ermöglichen. Insgesamt war Malofeevs Klaviervortrag in der Paganini-Rhapsodie eine meisterhafte Darbietung, die durch technische Brillanz, emotionale Tiefe und eine harmonische Zusammenarbeit mit dem Orchester überzeugte. Sein Spiel faszinierte und begeisterte das Publikum und trug wesentlich zum Erfolg des Konzertabends in der Frankfurter Alten Oper bei. Das hr-Sinfonieorchester, unter der feurigen Leitung von Alain Altinoglu, bot eine beeindruckende Begleitung für den Solisten. Altinoglu entschied sich für eine forsche Gangart und einen eher diabolischen Charakter, was der Komposition gut entsprach. Die Orchesterleistung zeichnete sich durch satten Klang, präzise Artikulation und eine aufmerksame Interaktion aus. Besonders begeisterten die groß aufspielenden Streicher mit süffigem Klang. Das Publikum jubelte lange und erhielt sodann noch zwei Zugaben, darunter eine skurrile Version mit dem Tanz der Zuckerfee aus Tschaikowskys „Nußknacker“. In der zweiten Hälfte gab es dann die Begegnung mit einem selten aufgeführten Werk. Die Aufführung der vierten Sinfonie von Dmitri Schostakowitsch durch das hr-Sinfonieorchester unter der fachkundigen Leitung von Alain Altinoglu war zweifellos ein bemerkenswertes Ereignis, das die Zuhörer auf eine extrem fordernde emotionale und intellektuelle Reise mitnahm. Die Sinfonie, die lange Zeit im Schatten der Kontroversen und politischen Intrigen stand, erwies sich in dieser Aufführung als ein kraftvolles und tief bewegendes Werk, das sowohl den Geist der Zeit, in der es entstand, als auch zeitlose menschliche Erfahrungen einfängt. Schostakowitschs vierte Sinfonie ist eng mit den politischen und kulturellen Umbrüchen der Sowjetunion der 1930er Jahre verbunden. Entstanden in einer Zeit, in der die künstlerische Freiheit stark eingeschränkt war und der Druck auf Künstler, sich dem sozialistischen Realismus anzupassen, enorm war, spiegelt die Sinfonie die innere Zerrissenheit und den Widerstand des Komponisten gegen die Unterdrückung wider. Die Suche nach einem neuen archetypischen Modell für die Sinfonie führte zu einer Komposition, die sowohl von Mahler als auch von zeitgenössischen politischen Ereignissen inspiriert war. Die Struktur der Sinfonie, in drei Sätzen angelegt, ermöglicht eine dynamische Entwicklung und eine Vielzahl von musikalischen Ideen.
Der erste Satz ist ein Sturm der Emotionen, der von der unruhigen Atmosphäre der Zeit und der persönlichen Turbulenz des Komponisten zeugt. Altinoglus Interpretation dieses Satzes war betont kraftvoll und zugleich fein nuanciert, wobei er die Vielschichtigkeit der musikalischen Texturen hervorhob und die Spannung bis zum explosiven Höhepunkt des Presto-Teils aufbaute. Der zweite Satz bietet einen Kontrast zur Raserei des ersten Satzes und offenbart eine introspektive und melancholische Seite der Sinfonie. Altinoglu führte das Orchester mit sensibler Hand durch dieses lyrische und zugleich tiefgründige Schostakowitsch’sche Labyrinth, wobei er die feinen Schattierungen der Melodie und die subtile Orchestrierung trefflich herausarbeitete. Der dritte Satz bildet den Höhepunkt und gleichzeitig den Abgrund der Sinfonie. Deutliche Anklänge an Gustav Mahler klingen im einleitenden Trauermarsch an. Noch einmal eine gewaltige Gefühlsskala und dann ein Ende voller schmerzvoller Ermattung. Mehrere Male türmt sich die Musik zu einer scheinbar großen Apotheose auf, um dann in der Kulmination dissonant zusammenzubrechen. Zurückbleiben der verebbende Klang der gestopften Trompete und die fortwährend spielende Celesta. Altinoglu und das hr-Sinfonieorchester führten das Publikum durch eine beklemmende und zugleich faszinierende Odysee durch Schostakowitschs musikalische Vision. Alain Altinoglu zeigte deutlich, wie verbunden er mit der Musik Schostakowitschs ist. Die brutale Energie und die düstere Atmosphäre wurden von Altinoglu mit bemerkenswerter Präzision und hoher emotionaler Intensität dargestellt, wobei er die subtilen Verweise und symbolischen Elemente der Partitur geschickt herausarbeitete. Besonders beeindruckend war die Leistung des hr-Sinfonieorchesters, das die gewaltigen technischen und emotionalen Herausforderungen der Sinfonie mit Bravour meisterte. Die Vielschichtigkeit der Orchestrierung und die Vielfalt der klanglichen Nuancen wurden von den Musikern mit bestechender Virtuosität und immenser Ausdruckskraft interpretiert, wobei sie sowohl die lyrischen als auch die dramatischen Momente der Sinfonie mit großer Überzeugungskraft zum Ausdruck brachten. Am Ende gab es einen langen Moment der absoluten Stille, bevor der aufbrausende Jubel alle Mitwirkenden bedankte, insbesondere die fabelhaften Solisten unter den Bläsern und den Konzertmeister. Die Aufführung der vierten Sinfonie von Schostakowitsch mit dem hr-Sinfonieorchester unter der Leitung von Alain Altinoglu ein bewegendes und fesselndes Erlebnis, das die zeitlose Bedeutung dieses Meisterwerks der sowjetischen Musikgeschichte unterstrich. Durch die einfühlsame Interpretation und die herausragende Leistung des Orchesters gelang es Altinoglu, die tiefgreifende menschliche Tragödie und den Widerstand gegen politische Unterdrückung, die in der Sinfonie verwurzelt sind, eindringlich zum Ausdruck zu bringen und das Publikum in seinen Bann zu ziehen.
Dirk Schauß, 3. März 2024
Besuchtes Konzert in der Alten Oper Frankfurt
am 1. März 2024
Alexander Malofeev, Klavier
Alain Altinoglu, Leitung
hr-Sinfonieorchester